Eine Reise in Lappland III
Auf den Hund gekommen
Abb.: Moonlight, vom eigenen Atem in Raureif gehüllt
Zuerst im Spurt, dann im schnellen Trab, ging es weiter. Wir fuhren noch einige Zeit durch hügelige Wälder, dann neigte sich das Gelände langsam und ich musste die Fahrt des Schlittens mit den Hacken bremsen, damit ich nicht an den eigenen Hunden vorbeifuhr. Dann plötzlich traten die Bäume zurück und vor unseren Blicken öffnete sich eine riesige weiße Fläche, umgeben von bewaldeten Hügeln. Es war einer der vielen tausend Seen, dessen Name mir Pertii zwar zurief, den ich mir aber nicht merken konnte. Im schnellen Lauf fuhren wir auf dem dicken Eise des Sees am Ufer entlang. Eine gespenstige Stille lag überall, nur das Hecheln der Hunde und das Geräusch der Kufen waren zu vernehmen. Da plötzlich, ein dumpfer Knall von ganz tief unten, dann ein entferntes Bersten – Risse im Eis, durch Eigenbewegung oder uns unter Spannung gesetzt. Aber das Eis hielt.
Abb.: Abendstimmung im Moor
So fuhren wir noch etwa eine Stunde, bis wir in einsetzender Dunkelheit am Ufer die gesuchte Hütte im Wald entdeckten. Dort angekommen wurde zuerst der Schneeanker ausgesetzt und der Schlitten gesichert. Dann spannte Pertii je zwei starke Seile zwischen Bäumen und bedeutete mir, die Hunde aus dem Geschirr zu spannen und mit Halsband und kurzer Leine am Seil festzubinden. So konnten sie sich einigermaßen frei bewegen, aber des Nachts auch nicht fortlaufen. Dann holte Pertii das Futter aus dem Schlittensack: je Hund ein Kilo gefrorenes Fleisch, das innerhalb nur weniger Minuten durchgekaut und verschlungen war.
Abb.: Tiefkühlkost als Abendbrot
Nach dem üppigen Abendmahl rollten sich die Hunde in kleinen Mulden zusammen und fielen wohl alsbald in Schlaf, während wir Menschen unser Gepäck in die Hütte brachten, ein Feuer entfachten und unser Essen kochten. Draußen waren es immer noch 35 Grad Kälte, was die Hunde im wahrsten Sinne kalt ließ: ihre dicke Unterwolle hielt sie schön warm. Ich aber schlotterte ganz schön, als ich die kleine Hütte mit dem Herzen in der Tür aufsuchte. Dafür war der anschließende Saunagang eine Wohltat.
Die Nacht verlief ruhig in der warmen Hütte. Pertii weckte mich wieder sehr früh, weil er weit kommen wollte. Ein kurzes Frühstück später traten wir hinaus in die Dunkelheit. Es hatte geschneit. Die Schlitten waren zwar noch im Licht der Handlaterne zu sehen, aber die Hunde waren verschwunden! Ich bekam einen Riesenschrecken. Wie sollten wir ohne die Hunde weiterkommen, geschweige denn zurück? Pertii blieb recht unbekümmert, wie es schien, verstaute sein Gepäck, holte Leine und Geschirre hervor und begab sich dorthin, wo wir die Hunde am Abend zuvor angebunden hatten. Dann kniete er nieder und wischte an einer Stelle den Schnee zur Seite und siehe da, eine neugierig schnuppernde Hundenase erschien und kurz darauf der zugehörige Kopf. Dann erhob sich der Hund und schüttelte den Schnee ab. Als wäre das ein Signal für die anderen gewesen, schälten sich jetzt überall Nasen, Köpfe und ganze Hunde aus dem Schnee. Sie hatten sich in der Nacht einfach einschneien lassen, denn der luftige Schnee ist wie eine wärmende Bettdecke.
Abb.: Eingerollt verbringt Bendik die nacht im Freien
Nun begann das gleiche Prozedere wie am Vortage: Hunde ableinen, ins Geschirr und vor den Schlitten spannen. Zuerst die Leithunde, dann die anderen. Und während wir noch schnell alles Zubehör verstauten, zerrten, rüttelten, sprangen und sangen die Hunde in den Seilen vor lauter Ungeduld und unerschöpflicher Energie. Schnell noch den Anker eingeholt und das Gespann glitt in rauschender Fahrt hinaus in die Dunkelheit.
So erreichten wir schließlich nach weiteren vier Tagen die Jurten der Saami mit ihren Rentierherden. Wir wurden dank Pertiis Unterstützung schnell handelseinig und konnten ein Rentierfell und ein Geweih mitnehmen. Wir deckten uns außerdem mit Nahrungsmitteln und Fleisch für die Hunde ein und begaben uns auf den Rückweg, den wir nach nur fünf Tagen wieder in Muonio beendeten.
Mein Schwager, zwar inzwischen von seiner Unpässlichkeit genesen, dafür vor Langeweile fast gestorben, war entzückt von meinen Mitbringseln. Ich aber war viel mehr angetan von der Leistung der Hunde: Sie erreichen ihre beste Arbeitsleistung bei 20 Grad Kälte, ziehen das fünffache ihres eigenen Gewichts über Stunden und ohne lange Pausen, schlafen bei eisigen Temperaturen im Freien und platzen schier vor Energie und Lauffreude. Jeden Tag schafften wir um die sechzig bis siebzig, ja sogar einmal dreiundachtzig Kilometer in etwa sieben Stunden, ohne dass einer der Hunde je geschwächelt hätte.
Hätte ich nicht schon von Kindesbeinen an ein Faible für Hunde gehabt, nach dieser Reise wäre ich ihnen verfallen.
Abb.: Kraftprotz Bendik (li), Leithund Joker "Knickohr" und der scheue Dingo (re.u.)
Ende Teil III - Ende einer "Reise in Lappland"
© Hinrik aus Nyenwoerden