Pertii hatte schon alles vorbereitet. Zuerst bekam ich warme Fellkleidung, dicke Stiefel, Handschuhe und Mütze. Dann gingen wir nach draußen in den Zwinger und die Finsternis, die nur von einer Tranfunzel erleuchtet wurden. Dort standen schon die Schlitten. Sie waren aus Holz gefertigt mit breiten Kufen und größer als die Rodelschlitten der Kinder. Obenauf befand sich ein großer lederner Sack, in dem Gepäck, Nahrung und Werkzeuge untergebracht werden. Man selbst stand hinten auf den Kufen und hielt sich an einem großen Bügel fest. Die Hunde wurden vorne beiderseits einer langen Leine angeschnallt und das Gespann ohne Zügel nur per Zuruf gelenkt: Ein Pfiff für „Vorwärts, Los“, zum Halten „Stop“, Links heißt „Ho“ und Rechts „Dschi“.
Abb.: Erstes Einspannen im geschlossenen Zwinger
Als alles soweit fertig war, holte Pertii die Hunde. Nein, er ließ sie einfach frei, so dass ich mich plötzlich von mehr als zehn Hunden umringt sah, die an mir hochsprangen, mich begrüßten und abzuschlecken suchten. Sie waren etwa kniehoch, hochbeinig und sehr schlank. Manche hatten kürzere Schnauzen, runde Gesichter und kurze spitze Ohren, andere sahen aus wie schottische Hirtenhunde. Pertii zog sich einen Hund nach dem anderen heraus, zog ihm das Geschirr über und spannte ihn vor seinen Schlitten: vorne die erfahrenen Leithunde und ganz hinten die kräftigen Zughunde, insgesamt acht Hunde. Ich bekam nur fünf, weil mein Schlitten nicht so voll beladen war: Joker und Dingo nebeneinander als Leithunde, Moonlight in der Mitte alleine sowie Bendik und Hunter parallel als Zughunde. Letztere hatten strohblondes Fell und hellblaue Augen. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
Abb.: Start am Morgen, nur schemenhaft ist das vordere Gespann zu erkennen
Schon während des Einspannens gebärdeten die Hunde sie wie verrückt. Hingen sie an der Leine, wollten sie schon losstürmen, nur der Schneeanker hielt den Schlitten an Ort und Stelle. Joker bellte, Dingo sprang auf und nieder, Moonlight heulte und jammerte ganze Arien in den Nachthimmel, Bendik und Hunter ruckten und zerrten am Geschirr. Und dann ging alles ganz schnell. Pertii öffnete das Tor, stieg hinten auf den Schlitten, riß den Schneeanker aus dem Boden und nach einem kurzen Pfiff stürmte sein Gespann los in die Dunkelheit.
Also sprang auch ich auf die Kufen, riß den Schneeanker raus und – den Pfiff konnte ich mir sparen – hätte ich mich nicht gut festgehalten, läge ich jetzt im Schnee und der Schlitten wäre weg. So aber stand ich noch und jagte im vollen Lauf Pertii hinterher. Dabei musste ich mich voll auf die Hunde verlassen, denn ich sah nichts, weder einen Weg oder gar Pertii vor mir. Wenigen Minuten lang hörte ich nur das Hecheln der Hunde, die Tritte auf dem Schnee und das Schaben der Kufen, dann hatten wir Pertii anscheinend eingeholt, denn ich hörte auch das Hecheln seiner Hunde sowie ab und zu mal einen leisen Befehl zum Richtungswechsel. Sogleich verfielen meine Hunde vom Galopp in einen zügigen Trab, den sie über die weiteren Stunden ohne Pause beibehielten.
Abb.: Joker, Dingo, Moonlight, Bendik und Hunter im leichten Trab
So glitten wir zügig dahin durch lichte Wälder aus Kiefern und Birken, über Hügel oder durch zugefrorene Sümpfe. Hier mussten Pertiis Hunde manchmal einen sicheren Weg suchen und Bachläufe unter Schneewehen umfahren. Um zehn Uhr wurde es auch langsam heller, eigentlich war es mehr eine stete Morgendämmerung, in der wir uns bewegten. Einige dunkellila oder flammend rot angestrahlte Wolken säumten den Horizont, über uns der Himmel war dunkelblau und klar. Es war sehr kalt. Der Schnee knirschte, der Atem gefror an Schal sowie Brauen und Wimpern zu kleinen Kügelchen. Das Fell der Hunde war komplett mit Raureif überzogen, was sie aber nicht zu stören schien. Im Gegenteil, je kälter es war, desto weniger schienen sie sich beim Laufen zu erhitzen und zu erschöpfen. Ab und zu schnappten sie links oder rechts in den Schnee zur Flüssigkeitsaufnahme.
Abb.: Hundewechsel in der Pause: Joker, Kofu, Moonlight, Bendik und Dingo
Um die Mittagszeit machten wir Rast auf einem flachen Hügel. Die Hunde wälzten sich zur Kühlung im Schnee, pflegten ihre Pfoten und bekamen ein wenig zu fressen. Ich hüpfte derweil auf der Stelle und schlug mit den Armen, um die Blutzirkulation anzuregen und Füße und Finger warm zu bekommen. Ein Blick auf mein Thermometer verriet mir die Kälte von 35 Grad. Am Horizont konnte ich die halbe Sonnenscheibe entdecken, in prächtigem Orange leuchtend und sich schon wieder zur Nacht neigend. Pertii meinte, es sei Zeit, sich eine Unterkunft zu suchen, denn gegen halb drei werde es langsam dunkel. Er kenne eine Holzfällerhütte an einem See, die wir in gut zwei Stunden erreichen würden. So begaben wir uns zu den Schlitten und die Hunde, die vorher noch still und dösend im Schnee lagen, zerrten, rüttelten, sprangen und sangen in den Seilen vor lauter Ungeduld und unerschöpflicher Energie.
Abb.: Jaulen, Bellen, Zerren, Rucken und Hüpfen, wann geht es endlich weiter?