Ausgabe 88 | Seite 4 8. Februar 2009 AD
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Kopfgrafik - © upjers GmbH & Co. KG

Eine Reise in Lappland I

Der Aufbruch

Erinnert ihr euch noch an den Dezember vorletzten Jahres, in dem plötzlich in allen Ställen diese seltsamen, geweihtragenden Tiere standen, die so verrückt auf Flechten und Moose waren? Ich ja! Woran ich mich jetzt aber nicht mehr erinnere, ist, wie mein Schwager es fertig gebracht hat, mich zu überreden, an einer Reise in das Land der Rentiere teilzunehmen. Vermutlich hat er mich zuerst mit Met willenlos gemacht und dann mit seinen typischen, irrwitzigen Geschäftsideen überrumpelt. Er wollte einen groß angelegten Handel mit Rentierfellen und Geweihen aufziehen und deswegen in den hohen Norden fahren, um Handelsbeziehungen aufzubauen. Und ich Dösbaddel habe mich überreden lassen mitzukommen.


Abb.: Januar in Finnisch Lappland, Sonnenhöchststand um die Mittagszeit


So fuhren wir dann vergangenen Dezember erst mit der Kutsche nach Kopenhagen, von dort auf einem Handelsschiff die schwedische Küste entlang über den bottnischen Meerbusen nach Turku, wo wir Weihnachten verbrachten. Dort stiegen wir auf einen kleinen Küstenschoner um und segelten hinauf bis nach Kemi.




Von hier ging es nach dem Jahreswechsel mit dem Rentierschlitten weiter über Rovaniemi, wo wir den Polarkreis überschritten, bis nach Muonio im hohen Norden, wo unser Mittelmann und Führer für den Rest der Reise bis zu den samischen Rentierzüchtern auf uns wartete. Ich muss schon sagen: das ganze Land war schneebedeckt, es war bitterkalt, und neben der Seereise über die kalte, stürmische Ostsee war die Fahrt im offenen Schlitten bei Schneetreiben und eisigen Ostwinden so ziemlich die ungemütlichste Reise meines Lebens. Immerhin hatten die Rene als Zugtiere einen großen Eindruck bei mir hinterlassen, denn sie sind schnell, sehr genügsam und bestens an die Kälte angepasst.


Wir kamen so gegen vier Uhr nachmittags in Muonio an. Da die Sonne hier im Winter nur um die Mittagszeit ein wenig über den Horizont lugt, war es bereits wieder stockfinster, als wir unser Quartier bei Pertii, unserem Expeditionsleiter, bezogen. Es gab Rentierfleisch zu essen, das ein wenig an Hirsch erinnert, allerdings mit leichtem Beigeschmack, der zwar gewöhnungsbedürftig, aber nicht unangenehm ist. Dagegen half dann ein wenig Schnaps, dem mein Schwager kräftig zusprach. Vielleicht waren seine Geschmacksnerven ja empfindlicher als meine.


Nach dem Essen besprach Pertii mit uns das Weiterkommen durch die verschneite, unberührte Wildnis: er hatte für uns Hundeschlitten organisiert. Die seien nämlich leichter und auch wesentlich schneller als Rene. Mit ihnen würden wir besser durch die Wälder und Sümpfe kommen und die Bären würden uns in Ruhe lassen. Dann zeigte er uns draußen den Zwinger, in dem an die zwanzig der nordischen Hunde bei unserem Anblick zur Begrüßung kläfften und jaulten. Derweil beruhigte mein Schwager seinen übergroßen Respekt vor Hunden mit großen Schlucken aus der Flasche.


Abb.: Indy und Lenny in ihrer Huskyhütte


Am nächsten Morgen weckte mich Pertii bereits um sechs Uhr. Mein Schwager war nicht dazu zu bewegen, sich zu erheben. Er habe fürchterliche Kopfschmerzen, ihm sei übel, brachte er nur unter Stöhnen hervor. Man solle ihm einen Medikus schicken oder am besten gleich den Zimmermann. Ich solle allein mit Pertii zu den Saami fahren und ihn hier lassen, er wolle sich schon mal um die Verträge kümmern, sobald er genesen sei. Was blieb mir also anderes übrig.





Ende Teil I - Fortsetzung folgt

© Hinrik aus Nyenwoerden

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