Ausgabe 81 | Seite 36 20. Dezember 2008 AD
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Adventskalender 2008


Bauernregel für den 21. Dezember

Wenn Sankt Thomas dunkel war, gibt's ein schönes neues Jahr.

Eingeschickt von Dissowe


Die Weihnachtsgans (II)

Dann ging der Winter zu Ende, das Frühjahr kam mit milderen Temperaturen und der Fischer konnte wieder seinem Tagwerk auf dem See nachgehen. Eines Abends, als er gerade die Netze geleert hatte und zurückruderte, zog von Süden kommend eine Schar Gänse pfeilförmig und laut schnatternd über ihn hinweg. Er hielt inne und sah der Formation nach, auch seine Frau trat aus der Türe und blickte den Gänsen hinterher. Ob wohl ihre Gans dabei war? Am nächsten Morgen kam die nächste Schar vorüber, aber keine Gans ließ sich auf dem See nieder. Zwei Abende später aber war es dann soweit. Eine kleine Schar Gänse fiel rauschend auf dem See ein. Da gab des Fischers Frau ihrem Mann eine Schüssel mit Hirse und bat ihn, diese am Ufer auszustreuen, damit sich die Gänse daran laben konnten. Er tat, wie seine Frau wünschte, aber so wie er auch lockte, keine Gans machte Anstalten, ans Ufer zu kommen. Eher noch zogen sie sich weiter auf den See hinaus. Da ging er zurück zu seiner Kate, und, da es schon dunkel ward, gingen sie zu Bett.
Am nächsten Morgen, es war kaum hell geworden, wurden die beiden Fischersleut von einem lauten, ununterbrochenen Geschnatter geweckt. Es schien, als käme es direkt von der Türe. Und richtig, als sie die Tür öffneten, stand schnatternd eine Gans davor. Dann drehte sie sich um, wackelte kurz mit ihrem Bürzel und – der geneigte Leser möge mir den Ausdruck verzeihen – schieterte mitten auf die Schwelle, wackelte erneut mit dem Bürzel und lief zurück zu ihren Genossinnen, die am Ufer fleißig nach der ausgestreuten Hirse pickten. Dann, wie auf ein Zeichen, liefen alle Richtung See, erhoben sich in die Lüfte und flogen geräuschvoll nach Norden. Lange noch lauschten der Fischer und seine Frau den leiser werdenden Rufen, bis sie gänzlich verstummten.
Da waren die beiden doch etwas verwundert. Der Fischer dachte bei sich, sie hätten die Gans lieber doch verspeisen sollen, und begab sich kopfschüttelnd zu seinem Boot. Seine Frau aber überlegte, welche Prüfung ihnen der Herr da wohl auferlegt habe, und holte eine Schüssel Wasser, um die Schwelle zu reinigen. Als sie mit Schwung das Wasser über die verunreiniget Stelle goss, blieb ihr zuerst der Mund offen stehen, dann riss sie die Augen auf. Ein gellender Schrei ließ den Fischer schnurstracks zu seinem Weibe zurückeilen. Er folgte den Blicken seiner Frau und traute seinen Augen nicht: der vom Wasser fort gespülte Klecks hatte einen haselnussgroßen Goldklumpen freigelegt. Da wusste sie, dass es jene Gans war, die sie aus dem Eise befreit hatten, und die ihnen das Gold aus fernen Gefilden mitgebracht haben mußte.
Damit war das Glück der Fischersleut aber noch nicht zu Ende, denn jene Gans kam im Herbst wieder und legte ihnen wiederum einen Goldklumpen auf die Schwelle, ebenso im folgenden Frühjahr, und das ganze sieben Jahre lang. Und jedes Mal, wenn die Gänse kamen, streuten der Fischer und seine Frau am Seeufer Hirse aus, damit die Gänse sich für ihren Weiterflug noch mal stärken konnten. So lebten die beiden dann noch viel Jahre bescheiden, aber nicht mehr arm, bis an ihr seliges Lebensende.

Und wer das nicht glaubt, soll doch nach Nyenwoerden kommen. Dann zeige ich ihm den See und die Stelle, wo der Fischer lebte. Die alte Kate gibt es natürlich nicht mehr, aber ihr Standort ist noch bekannt. Und zweimal im Jahr, wenn die Wildgänse kommen, streuen die Bewohner Hirse am Ufer aus und schauen bei Frost nach, ob nicht eine Gans aus dem Eise zu befreien wäre. Böse Zungen behaupten sogar, dass einige jeden Morgen die Häufchen der Gänse wässern, ob sich nicht doch noch ein Goldklümpchen darin finde.

Ende der Geschichte

© Hinrik aus Nyenwoerden


Es geschah am...

... 21.12.1375

Giovanni Boccaccio, italienischer Schriftsteller und Dichter, stirbt am 21. Dezember 1375 in Certaldo. Seine Kinheit verlebt er bei seinem Vater, Angestellter einer Bankgesellschaft, in Florenz. Dieser schickt ihn, als er etwa 14 Jahre alt war, nach Neapel, um dort den Beruf eines Kaufmanns zu erlernen. Allerdings interessiert sich Giovanni mehr für die Literatur. Hier entstanden auch seine ersten Werke. Sein Meisterwerk, Das Decameron, entstand nach der Pestepedemie 1348.

© Dissowe


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