Ausgabe 81 | Seite 18 2. Dezember 2008 AD
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Adventskalender 2008


Bauernregel für den 3. Dezember

Bringt Dezember Kält' und Schnee ins Land, wächst das Korn gut, selbst auf Sand..

Eingeschickt von Dissowe


Ein Karren Sägespäne (I)

Wenn es Winter wird, die Feldarbeit ruht und sich die Familien abends um den Kamin oder Ofen versammeln, erzählen die Alten gerne Geschichten, die sie wiederum von ihren Eltern und Großeltern zu hören bekamen. Eine dieser Geschichten lautet wie folgt:

Am Waldesrand, nicht weit vom Hünengrab, lebte einst ein Köhler mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen. Da sie sehr arm waren, mussten auch die beiden Buben dem Vater bei der Arbeit zur Hand gehen. Peter, der ältere, schlug tief im Wald das Holz und Michel fuhr es mit dem Handkarren zum Meiler, an dem der Vater über die Glut wachte.
So ging es tagaus, tagein das ganze lange Jahr, auch in der kalten Weihnachtszeit. So begab es sich am Tage vor der Heiligen Nacht, dass Peter und Michel nach getanem Werk kurz vor Einbruch der Dunkelheit Axt und Säge auf den Handkarren luden und im Schein der Laterne nach Hause gingen.
Kaum waren sie einige Meter gelaufen, als sie plötzlich etwas abseits des Weges, dort wo die alte verfallene Hütte stand, einen Lichtschein vernahmen. Sie kannten den Wald genau und wussten, dass dort schon lange niemand wohnte. Da sie aber auch nicht furchtsam waren, gingen sie einige Schritte in den Wald hinein und staunten nicht schlecht, als sie an jene Hütte kamen. Sie war zwar alt, aber nicht mehr verfallen, das Fenster war ordentlich mit Wachspapier bespannt und auch die offen stehende Tür hing gerade in den Angeln. Durch diese fiel das schwache Licht eines verglimmenden Herdfeuers nach draußen und Peter und Michel erkannten dort ein altes Mütterchen, das sich ächzend mit einer großen Säge an einen baumdicken Ast versuchte.
Als sie die beiden jungen Männer erblickte, sprach es: „Meine Herren, ich bitte Euch, ich bin alt und schwach und habe nicht mehr genug Kleinholz für die Nacht. Und die Säge ist so stumpf, dass ich das Holz kaum zu ritzen vermag, und auch die Axt ist so schwer, dass ich sie kaum heben kann. Habt Mitleid und spaltet mir ein paar Scheite, dass ich nicht erfrieren muss.“
Darauf sprach Peter: „Es ist schon spät und dunkel und die Eltern werden sich Sorgen machen, wenn wir ...“
Doch Michel fiel ihm ins Wort: „Komm Bruder, wir können das Mütterchen doch nicht frieren lassen, wo doch auch morgen die Heilige Nacht ist. Zu zweit werden wir sicher nicht lange gebrauchen, um ein paar Scheite zu schlagen.“
Sprachs, holte die Säge vom Karren und begann, den Ast in Stücke zu sägen. Da hatte auch Peter ein Einsehen, holte seine Axt und ging seinem Bruder zur Hand. Und siehe da, obwohl sie schon den ganzen Tag Holz gemacht hatten, schienen ihre Kräfte frisch erwacht und auch Säge und Axt gingen durch das Holz wie neu geschärft. Als alles Holz geschlagen und sauber geschichtet war, kam es den beiden vor, als hätten sie gerade erst begonnen, dabei hatten sie soviel Holz gemacht, dass es für eine ganze Woche reichen würde, und ein großer Haufen Sägespäne lag jetzt dort, wo zuvor der Ast gelegen hatte.
Kaum waren sie fertig, da trat das Mütterchen wieder vor die Tür und sprach: „Ich danke euch für eure gute Tat von ganzem Herzen und möchte euch dafür belohnen, sowie es in meinen Möglichkeiten steht. Doch ich bin arm und habe nur das zum Leben, was mir der Wald gibt. Ladet daher soviel der Sägespäne auf euren Karren, wie nur hineinpasst. Tut davon immer etwas ins Feuer, wenn es droht auszugehen, so wird es zu neuem wärmenden Leben erweckt. Dieses sei mein Dank für eure warmherzige Tat“ Nachdem das Mütterchen so gesprochen hatte, ging es zurück in ihre Kate und schloss die Türe.
Da standen jetzt die beiden Brüder verwundert vor dem Haufen Späne. Leise sprach Peter zu Michel: „Mir scheint, die Einsamkeit hat dem Mütterchen nicht gut getan. Ihr Verstand ist nicht mehr recht wohlgelitten.“
Und Michel erwiderte schmunzelnd: „Jetzt waren wir ihr zu Diensten und haben ihr Holz gemacht, nun lass uns auch ihr zu Willen sein und die Späne mitnehmen. Wer weiß was passiert, wenn wir diesen Wunsch nicht auch noch erfüllen.“

Fortsetzung folgt

© Hinrik aus Nyenwoerden


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