Ausgabe 80 | Seite 3 23. November 2008 AD
<<< zurück weiter >>>

Kopfgrafik - © upjers GmbH & Co. KG

Der Liebesapfel

Wahrlich, heuer muss ich Euch, hochwohlgebornen Edelherrn und –frauen, doch einmal von einem sehr eigenartigen Gewächs berichten und auch eine Bitte vortragen. Es ist eine so wunderliche Pflanze in meinen Besitz geraten, dass ich Euch davon nicht verschweigen wolle. In meinem Ziergarten wächst und gedeiht es gar sonderlich. Nun, über verstrickte Wege fand sie als kleines Pflänzchen in meinen Besitz und kostete mich auch einige wertvolle Edelsteine. Ein hochangesehener Handelsmanne bot mir das Pflänzchen an.

Cristoforo Colombo hätte sie von seiner abenteuerlichen Reise letzten Winter, bei der er einen neuen Weg nach Indien finden wollte, mitgebracht. Auf einem der Schiffe wäre auch dies eigenartige Gewächs zu uns gebracht worden und er hätte, durch Glück und Verstand, einen Ableger davon erhalten. Staunend besah ich mir das dargereichte Gut und begehrte es wahrlich sehr. Der Händler war sich dem Wert seiner Ware wohl nicht bewusst, denn ich erwarb das Pflänzchen, welches er Liebesapfel nannte, ohne dass er über die Bezahlung murrte.

Nun wuchs dies wertvolle Gut als Zierpflänzchen in meinem Garten und täglich erfreute ich mich seiner schönen Blüten und wies einen meiner besten Gärtner an, den Liebesapfel gut zu pflegen. Sorgsam umwacht erfreute er mich mit wunderschönen gelben, gezackten Blüten und täglich schnitt der Gärtner die verwelkten Blüten ab.

Bis ich eines Tages hochrangigen Besuch aus der Königsstadt bekam. Kaplan Gregorius weilte in der Gegend und ich wusste um seiner Liebe zu Ungewöhnlichem, auch wenn es zumeist ungewöhnliches Essen ist. Als ich ihm stolz meinen gut gepflegten Ziergarten und den Liebesapfel zeigte, entwich ihm ein verzückter Ausruf: „Oh, edle Kanja! Wie kann ich Euch behilflich sein, damit Ihr mich bei der Ernte der köstlichen Frucht einladet und ich sie als Medizin kredenzen dürfte?“. Ich errötete. Ernte? Kredenzen? Medizin? Hatte ich doch meinen Gärtner angewiesen, alle verwelkten, dann hässlich aussehende Blüten, täglich zu entfernen. Neugierig fragte ich also den Kaplan: „Gern lade ich Euch zur Ernte ein, sollte die Aufzucht gelingen. Doch verratet mir, wann diese in etwa sei!“. „Mir wurde berichtet, im August sei es soweit.“, entgegnete er mir.

Ungeduld machte sich in mir breit, lange Zeit war es nicht mehr bis dahin und ich musste noch irgendwie, vom Kaplan unbemerkt, dem Gärtner neue Anweisungen geben. Ich schützte also Unbehangen vor und entschuldigte mich. Kaum war ich aus der Sichtweise, eilte ich, den Gärtner zu suchen. Glücklicherweis fand ich ihn auch gar schnell und schärfte ihm schleunigst ein, von dem Gewächs niemals wieder die Blüten zu beschneiden und mir jegliche medizinliche Frucht zu melden. Drei Wochen sind nun durchs Land gegangen und mit Freude blicke ich täglich auf das eigenartige Pflänzchen.

Wahrlich, ich sage Euch, dies eigenartige Pflänzchen wird mich mit ihren Ars Medicina unsäglich reich machen. ... und Ihr, hochwohlgebornen Edelherrn und –frauen, werdet einen Sonderpreise bekommen. Doch ein Bitte hätte ich noch an Euch. Könntet Ihr mir einen guten Heilkundigen empfehlen, welcher mir die Paste, oder in welcher Form dies Pflänzchen verarbeitet wird, herstellen könnte?



© Kanja


Tumulte auf Deflagratio !!

Das ganze Reich scheint dem Mammon verfallen

Bereits letzte Woche kam es auf der Perleninsel Deflagratio zu Unruhen vor dem Rathaus. Gerüchten zufolge sollen einige einflussreiche Großgrundbesitzer keine Mühen und Kosten gescheut haben, um die Bevölkerung gegen den Stadthalter aufzubringen.

So sollen zahlreiche Lohnarbeiter extra Prämien erhalten haben, wenn sie durch die Straßen ziehen und die Bürger zum Protest aufrufen.

Vom Stadthalter war hingegen nichts zu sehen, auch ist nicht bekannt, ob er sich noch im Rathaus aufhält, oder bereits ins Innere der Insel geflohen ist. Es soll aber ein Kurier zu befreundeten Städten seiner Gilde unterwegs sein um militärischen Beistand zu erbitten, um wieder Herr der Lage zu werden. Ebenso soll der König von seinen Widersachern informiert worden sein, dem Stadthalter Einhalt zu gebieten und ihn des Amtes zu entheben.

Grund dieser Tumulte war zweifellos ein offener Brief des Stadthalters an das Tagblatt (Nr.78 ), in dem er den Bürgern zügellose Gier und unsittsame Machenschaften unterstellte, die die Moral untergrabe. Sicherlich kein guter Weg die Öffentlichkeit zu erreichen, zumal postwendend die Reaktion eines unbekannten Bürgers veröffentlicht wurde (Tagblatt Nr79), die den Stadthalter als heuchlerisch bezeichneten.

Dieser Artikel, und auch die Stimmungsmacher scheinen die Leute zu erreichen, die nun sehr zahlreich ihre Arbeit ruhen ließen um sich zu Protesten vor dem Rathaus einzufinden. Hierbei kam es zu zahlreichen Verletzten, als sich eine kleine Minderheit entgegen stellte, um wenigstens das Niederbrennen des Rathauses zu verhindern.

Bisher sah der König sehr wohlwollend die Entwicklung dieser kleinen Insel, die buchstäblich aus der Asche aufgestiegen ist um, auf gutem Weg zu sein, ein Aushängeschild des Königreiches zu werden. Diese Entwicklung dürfte die Gunst des Königs deutlich verschlechtert haben und nun eine Reaktion seinerseits erzwingen.

Ob der Stadthalter wirklich nur ein Schausteller ist, der sich im Glanze fremder Erfolge zeigt, oder ob er sich wirklich Sorgung um das Wohlergehen und die Moral der einfachen Bürger macht, wird der König sorgfältig prüfen. Welche Entscheidung unsere Majestät auch fällen mag, die militärfreie Zone Deflagratio dürfte der Geschichte angehören.

Angesichts der enormen Steuerzahlungen durch das aufblühende Imperium, dürfte die Entscheidung wohl schon gefallen sein. Beten wir, dass die Prophezeiungen des amtierenden Stadthalters nicht eintreffen und die Gier der Reichen nicht zu einer schleichenden Versklavung der Bewohner führt. Ebenso werden reiche Nachbarinseln die Entwicklung beobachten und auf ihre Chance hoffen, sich diese erheblichen Perlenvorkommen zu sichern.

Sollte der König nicht mit harter Hand regieren, ist selbst ein Bürgerkrieg und das Auslöschen dieser schönen Insel denkbar. Daher soll sich Rodnick, Herzog von Exanima – seines Zeichens Großneffe unserer Majestät – bereit erklärt haben die Insel zu führen, um die Gunst des Königs für größere Aufgaben zu erlangen.
Unser Berichterstatter lebt als Fischer getarnt mit auf der Insel und wird uns über die Vorkommnisse auf dem Laufenden halten! Der Fischer


<<< zurück Tagblattarchiv weiter >>>