Weibsbilds Waffenkunde I
Prolog
Während des Erscheinens des von der Leserschaft überaus positiv aufgenommenen Artikels „Eine kleine Waffenkunde“ erreichten mich doch auch einige nachdenkliche Stimmen, die zu Recht anmerkten, die Lektüre des Artikels sei doch eher etwas für männliche Leser. Nun, in der Tat war die Rollenverteilung von Anbeginn der Menschwerdung bis ins 20. Jahrhundert festgeschrieben und schickte den Mann in den Kampf und die Frau an Herd. Natürlich gab es auch viele starke Frauen, die in der Geschichte die Rolle eines Mannes versahen – denken wir an Jeanne d’Arc – und bestimmt viele Männer, die lieber zu Haus geblieben wären, als ihr Leben im Kriege zu riskieren. Doch sie waren letztendlich Außenseiter, die man lieber als Ketzer verbrannte als ihren Mut zu loben. Da auch die Geschichtsschreibung von jeher eine Männerdomäne der Ritter, Minnesänger oder Mönche war, ist leider sehr wenig bekannt über die Waffen der Frau in Frühzeit und Mittelalter.
Ich möchte daher nachfolgend jene Zeiten beleuchten, in denen Lippenstift, Stöckelschuh und Negligée noch recht unbekannt waren und frau sich mit dem zur Wehr oder durchsetzen musste, was im Haushalt zur Verfügung stand.
Gemeinhin konnte ich bei den Recherchen zu diesem Artikel feststellen, dass die Waffen der Frau – und ich meine jetzt nicht diverse völkerrechtlich umstrittene psychologischen „Waffen“ – viel weniger als die des Mannes im Laufe der Jahrtausende einem formalen Wandel unterlagen. Deswegen entfällt auch die zeitliche Einordnung in die Geschichtsalter und wir beschränken uns auf die Gliederung nach Funktionalität.
1. Schlagwaffen
Die berühmteste und am häufigsten eingesetzte Haushaltswaffe war das Nudelholz. Leider völlig ungekannt ist, wann diese Waffe erfunden wurde und die Haushalte eroberte. Aber ihre nahezu perfekte Form und die Tatsache, dass sie sowohl rechts- als auch linkshändig geführt werden konnte, lässt auf eine Entwicklung schließen, die schon in vorgeschichtlicher Zeit ihren Anfang nahm.
Über den ursprünglichen Sinn und Zweck des Nudelholzes werden in der Fachwelt zwei unterschiedliche Theorien vertreten. Die Praktiker vermuten, dass das Nudelholz tatsächlich in erster Linie zum Walzen von Nahrung erdacht wurde und nur zufällig von Frau Neandertal – als der Vater ihrer Kinder wiederholt bis spät in die Nacht in der Nach-Bar-Höhle für die letzten polierten Muscheln seinen Durst mit vergorenen Säften gelöscht hatte und nun vor der heimischen Höhle stehend sich nicht für einen der beiden schwankenden Eingänge entscheiden konnten – weil nichts anderes greifbar war, als schlagendes Argument gegen die Trunksucht zum Einsatz kam.
Abb.: Oben ein hölzernes Standard-Nudelholz, darunter eine schwere Ausführung mit Porzellanwalze - für Dickschädel
Deren Kritiker deuten den Entwicklungshintergrund entgegengesetzt, indem tatsächliche eine heimtückische Waffe als solche erdacht und entwickelt wurde und nur zur Tarnung mit dem Anschein einer unscheinbaren und alltäglichen Verwendung versehen wurde.
Weniger eine Waffe, denn ein Instrument zur Kindeserziehung sei der Vollständigkeit wegen noch angeführt. Es handelt sich hierbei um den sogenannten Kochlöffel. In der zarten Hand einer am Herd stehenden Frau vermittelte er nicht den Eindruck der ihm innewohnenden Gefährlichkeit. Doch wie schnell war er parat, am Tisch aufgestützte Ellenbogen oder entblößte Kinderhintern schmerzhaft an die häuslichen Regeln zu erinnern.
Abb.: Verschiedene Kochlöffel, bei denen die Formgebung jeweils dem Körperteil angepaßt war, auf dem sie zur Anwendung kommen sollten
2. Stangenwaffen
Die wiederum bekannteste Stangenwaffe im Haushalt war der Besen. Günstig herzustellen und in jedem Haushalt oft mehrfach vorhanden, war er eine Waffe, die eher dazu geeignet war, den Ehegatten auf Abstand zu halten oder sogar noch auf der Flucht zu malträtieren. Die Wunden, die er schlug, waren aber weniger schmerzhafter, als eher moralischer Natur. Die etwas schwerere Ausführung des Besens, mit kräftigerem Stiel und statt Reisig mit langen Woll- oder Filzschnüren, die mit Wasser vollgesogen eine wesentlich deutlichere Wirkung erzielen, nannte man Wischmop oder auch Feudel.
Abb.: Reiserbesen (links) und Wischmop (rechts)
3. Stichwaffen
Eine der ältesten Stichwaffen im Haushalt war die Nadel. Aus Knochen und später Metall gefertigt ließ sich mit ihr gezielt ein wunder Punkt anstechen – schwerwiegende körperliche Schäden sind allerdings nicht überliefert. Nur in der Masse auftretend ließen sich gewisse peinvolle Erfolge nachweisen – heute verharmlost in der bekannten Variation „Tausend Stecknadeln“.
Abb.: Stecknadeln im praktischen transportablen Magazin
Das allerdings änderte sich rasch mit der Einführung des Messers. Zum ersten Mal in der Humanhistorie wurden Kriegswaffen zu Haushaltsgeräten, ohne dadurch ihre Gefährlichkeit zu verlieren. Eine Steigerung seiner tödlichen Brisanz erfuhr das Messer durch eine Entwicklung, die nur in der Küche ordnungsliebender Hausfrauen stattfinden konnte – den Messerblock. Der Messerblock war letztlich eine Revolution in der Küchenwehrtechnik, denn mit ihm standen eine Reihe verschieden gefährlicher Waffen griffbereit zur Verfügung: Bauchschlitzer, Nierenteiler, Leberbohrer, Lungenöffner und viele mehr. Eine Annäherung auf Armlänge war für jeden Mann mit schlechtem Gewissen ein Vabanque-Spiel.
Abb.: Unterschiedliche Messertypen, rechts der gefürchtete Messerblock
Ende Teil I - Fortsetzung folgt
© Hinrik aus Nyenwoerden