Ausgabe 74 | Seite 4 12. Oktober 2008 AD
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Eine kleine Waffenkunde XI

5. Turniere: gefahrvolle Spiele

Reiterspiele gibt es heute noch vor allem bei Nomadenvölkern zwischen Kaukasus und Mongolei und in den arabischen Ländern. Im Mittelalter sind aus solchen Spielen die Turniere hervorgegangen. Die ersten echten Turniere, wie wir sie heute verstehen, entstanden im 11. Jahrhundert. Eine erste Regelsammlung stammt aus der Feder des Gottfried von Preuilly. Turniere waren „Kriegsspiele, die nicht im Geiste der Feindschaft, sondern zur Übung und als Mutprobe veranstaltet werden“.

Im „Statutum Armorum Torniamentis“ wurden 1292 Regeln ausgestellt, die lange Zeit Gültigkeit hatten. So waren nur stumpfe Waffen zugelassen, Dolche, Reiterhämmer oder Streitkolben verboten. Einem gestürzten Ritter durften auch nur seine Knappen wieder aufhelfen. Regelverstöße führten zum Verlust von Pferd und Waffen und konnten eine dreijährigen Kerkerhaft nach sich ziehen. Da Pferd und Waffen sehr, sehr teuer waren und Kerkerhaft u.U. auch den Verlust der Herrschaft im eigenen Land durch umstürzlerische Verwandte führen konnte, wurden die Regeln größtenteils auch eingehalten.

Turniere fanden zunächst bei höfischen Festen statt, später auch ohne besonderen festlichen Anlass, organisiert durch Turniergesellschaften. Teilnehmen durften nur Adlige, die sich vor einem dafür zuständigen Herold durch die Adelsprüfung als teilnahmeberechtigt ausweisen mussten, u.a. durch das auf Schild, Waffenrock, Helmschmuck und Schabracke befindliche Wappen.


Abb.: Abbildung eines Buhurts in einer mittelalterlichen Handschrift

Die zu bestehenden Kämpfe waren unterschiedlicher Natur: Der Buhurt war eine Massenveranstaltung, bei der zwei Gruppen Berittener aufeinander trafen sich gegenseitig versuchten mit Schild und stumpfem Speer oder Schwert vom Pferd zu stoßen. Bei der Tjost waren beide schwer gepanzert und versuchten es mit schweren, vier Meter langen Stechstangen. Die ungeheure Wucht der Zusammenstöße verlangte sehr schwere Panzerungen, die allerdings einem an Boden liegenden durch das eigenen Gewicht den Brustkorb eindrücken konnten. Auch die Pferde erhielten Kopf- und Leibpanzer. Spezielle Turniersättel schützten zudem Beine und Hüften der Reiter. In langen Steigbügeln konnte er sich stehend weit vorbeugen, um den Stoß der Lanze besser abfangen zu können. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts wurden die Turnierbahnen durch Schranken getrennt, damit die Pferde, deren Panzer keine Augenlöcher hatten und die blind nach dem Zügel liefen, nicht zusammenstießen. Später wurden auch Kämpfe zu Fuß mit leichten Harnischen, Schwert, Streitkolben, Axt oder Kurzspeer populär.


Abb.: Ritter beim Buhurt - Miniatur des Codex Manesse um 1300 (Nicht nachzuweisen ist, ob es sich bei zweien der abgebildeten Zuschauerinnen um Zofe Adelgunde und ihre Herrin handeln könnte)






Für das Ende eines Kampfes galten unterschiedliche Regeln: Wer zuerst am Boden lag, aufgab, verletzt oder sogar tot war, hatte für gewöhnlich verloren. In der Regel waren schwere oder tödliche Verletzungen unbeabsichtigt, bei der rauen Kampfesart aber häufig. Ein Herzog aus dem Hause Montaigu erledigte sich bei der Gelegenheit unbeabsichtigt seines Nachfolgers, als er seinen eigenen Sohn im Turnier tötete.


Abb.: Walther von Klingen im Turnier (Tjost) - Miniatur des Codex Manesse um 1300

Im 16. Jahrhundert ging die große Zeit der Turniere zuende. Immer mehr tödliche Ausgänge, zum Teil bedingt durch entartete Kampfarten, riefen Kirche und Könige auf den Plan, die Turniere zu verbieten. Vorher allerdings über 300 Jahre lang waren die Turniere prächtige Veranstaltungen, an denen auch Könige teilnahmen. Es war aber auch ein großer Heiratsmarkt, denn eine der wenigen Gelegenheiten, bei der sich die hohen Damen der adeligen Öffentlichkeit zu zeigen die Gelegenheit hatten. Andererseits konnten Landesherren ihre Adeligen besser kontrollieren, jene aber auch einfacher Pläne zur Schwächung der Herrschergewalt aushecken. Mit dem Untergang der Ritterheere im 16. Jahrhundert verloren auch die Turniere an Bedeutung und wurden zu harmlosen Geschicklichkeitsspielen wie Ringstechen, die heute noch zum Repertoire der berittenen Hirten in Ungarn und Argentinien gehören.


Abb.: Ein nachgestellter Tjost moderner Tage





Ende Teil XI - Fortsetzung folgt"

© Hinrik aus Nyenwoerden

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