4.6 Offensivwaffen des Rittertums – Feuerwaffen (2)
Abb.: Landsknechte in typischer Tracht mit Radschloss- und Luntenschloss-Arkebuse
Neben der Arkebuse entwickelten sich noch die Muskete, die länger als die Arkebuse war und auf eine Gabel aufgelegt wurde, sowie Faustfeuerwaffen, die vor allem bei der Reiterei große Verbreitung fanden. Daneben gab es auch Fortschritte bei den Schlössern: Radschlösser zog man mit einem Schlüssel auf und statt Lunte wurde ein Feuerstein so auf die Zündpfanne geschlagen, dass ein Funken entstand und das Pulver zündete.
Abb.: Radschlosspistole - der Hahn befindet sich hinter dem Rad, damit er beim Aufziehen der Feder nicht stört
Schnapphahn- und Steinschlösser spannte man ohne Schlüssel mit der Hand. Für den Einsatz in der Reiterei waren diese Schlösser noch mit einer weiteren Vorrichtung ausgestattet, und zwar einem Deckel, der die Zündpfanne verschloss und erst beim Vorschnellen des Hahns aufsprang. So wurde das Pulver in der Zündpfanne bei heftiger Bewegung – dem Reiten – nicht verschüttet. Während das Luntenschloss recht günstig herzustellen und auch zuverlässig war, konnten sich nur Adelige und Offiziere die komplizierteren und teureren Feuersteinschlösser leisten, die zudem häufiger mal versagten, wenn der Feuerstein abgenutzt war oder der Funke mal nicht so überspringen wollte. Dafür aber war ihr Schussfolge höher. Allgemein für alle Feuerwaffen aber galt, dass sie bei Regen größtenteils ausfielen.
Abb.: Steinschlosspistole - Der Hahn sitzt näher am Knauf, weil er einhändig mit dem Daumen gespannt wird. Das ist bis heute bei Pistolen und Revolvern so geblieben
Noch ein paar Worte zur damals verwendeten Munition: Verschossen wurden hauptsächlich Steinkugeln, da sie billig herzustellen waren, zur Not sogar vor Ort. Allerdings konnten sie auch beim Auftreffen auf Mauern zerspringen und ihre Wirkung verpuffte vor einem durchschlagenden Erfolg. Auch Eisenkugeln kamen zum Einsatz, sie waren aber teurer, dafür schwerer und hatten mehr Durchschlagskraft. Bleikugeln waren am schwersten, leicht herzustellen, aber ihre Aufschlagenergie endete dagegen in der Verformung der Kugel. Eines hatten alle Kanonenkugel gemein: im offenen Feld eingesetzt blieben sie nicht einfach liegen, wo sie auftrafen, sondern sprangen für gewöhnlich wieder hoch, wie ein Stein, den man flach auf das Wasser wirft. Damit rissen sie oft lange blutige Schneisen durch tiefgestaffelte Schlachtaufstellungen.
Um die Wirkung der Kugeln zu erhöhen, erfand man allerlei Sonderformen. Zum Beispiel wurden zwei volle oder halbe Kugeln mit Ketten oder beweglichen Stangen verbunden. Im Flug teilten sich die Halbkugeln und begannen, um einander zu taumeln und zu kreisen. Dabei richteten sie viel größere Schäden an, als eine einzelne Kugel. Auch montierte man zwei Halbkugeln, die je zwei lange Dorne hatten, auf eine Achse. Im Flug verdrehten sich die Hälften gegeneinander und es entstand ein fliegender Stern. Besonders Ketten- und Stangenkugeln wurden häufig zur Zerstörung der Schiffstakelage eingesetzt. Auch erhitzte oder brennende Kugeln wurden zur Brandentzündung gegen Holzschiffe eingesetzt oder mit Pulver und Lunte versehene Hohlkugeln. Dass Menschen auf Kanonenkugeln reiten können sollen, ist aber und nachgewiesenermaßen ein Lügenmärchen.
Abb.: Verschiedene eiserne Kanonenkugeln: Vollkugeln, Ketten- und Stangenkugeln, Hohlkugeln mit Zündloch für die Pulverladung
Gewehrkugeln aus Blei hatten bei Weichzielen – sprich Menschen – ebenso verheerende Folgen. Die Verformung der Kugel riss oft grausige Verletzungen, vor allem innere und Knochenbrüche. Gegen Fußvolk wurde die Kanone auch gerne wie bei einer Schrotflinte mit vielen Eisenschrott gefüllt. Ich spare mir, nähere Einzelheiten über die Wirkung zu berichten. Bei Mörsern kamen auch schon Sprenggranaten zum Einsatz: Mit Pulver und Eisenteilen gefüllte Hohlkugeln wurden mit einer brennenden Lunte bestückt und abgefeuert. Es bedurfte viel Erfahrung, die Kugel mitten im Ziel platzen zu lassen.
Abb.: Kanonenkugel blieben oftmals in weichem Sandstein stecken - bis heute (links Dom zu Braunschweig, rechts Dom zu Bergen)
Solange die Feuerwaffen Vorderlader waren – wirklich brauchbare Hinterlader wurden erst im 19. Jahrhundert entwickelt – war das Laden ein umständlicher und langwieriger Vorgang, während dessen der Schütze im allgemeinen ungeschützt war. Im zur Seite stellte man deswegen Pikeniere. Dann versuchte man, Blank- und Feuerwaffen zu kombinieren, z.B. Hellebarde mit Gewehr oder Pistole. Aber befriedigend waren die Lösungen alle nicht, bis man einfach nur eine lange Metallspitze an den Lauf steckte: das Bajonett war erfunden.
Wie in früheren Zeiten die Klingenschmiede und Schwertfeger erfreuten sich jetzt fachkundige Büchsenmacher eines internationalen Renommees und arbeiteten oft für Auftraggeber aus aller Herren Länder. Auch hier spezialisierte sich das Handwerk bald, so dass Schäfte aus Frankreich, Läufe aus Deutschland und Schlösser aus Italien zu einer Waffe zusammengesetzt wurden. Als Schusswaffen immer leichter und zuverlässiger wurden, kamen sie auch bei der Jagd zum Einsatz. Sie wurden meist reich verziert mit Edelhölzern, –metallen und –steinen.
Abb.: Radschlossmuskete mit Schwammschnappschloss und schönen Intarsienarbeiten in Messing
Mit der Zunahme der Feuerwaffen in der Heeresausrüstung veränderten sich nicht nur Kampftaktiken, sondern auch die Defensivwaffen. Der einzelne Mann konnte sich gegen die Geschosse nicht mehr wirkungsvoll schützen. So vielen die schweren Panzerungen mit der Zeit komplett weg. In der Pulverdampf geschwängerten Luft des Schlachtfeldes war es zudem wichtig, Freund und Feind unterscheiden zu können, weswegen mit der Zeit farbenfrohe Uniformen eingeführt wurden. Die althergebrachten Stadtmauern hielten den Kanonen nicht mehr stand, so dass den Städten ganze Festungswälle mit ausgeklügelten Sicherungsmaßnahmen vorgebaut wurden.
Doch hier verlassen wir zeitlich gesehen langsam das Mittelalter und eine „Kleine Burgen- und Festungskunde“ würde nicht weniger umfangreich das jetzige Werk.
Begnügen wir uns daher lieber noch zwei Absätzen über die Turniere und den Wandel in der Kampftaktik.