Es war Sommer. Das Korn stand reif auf den Feldern und war zur Ernte bereit. kortini fuhr in seiner Kutsche durch das Stadttor in Richtung Wald. Er hatte die offene Kutsche gewählt und gegen die Sonne einen Hut auf seinen doch schon leicht kahlen Kopf gesetzt. Die Kutsche schaukelte auf dem ausgefahrenen Weg und kortini nickte ein. Er begann zu träumen:
Das Schiff schaukelte sacht in den Wellen und eine leichte Briese füllte die Segel. Sie kamen zügig voran. Käpt´n kortini fragte seinen Steuermann nach dem besten Weg und ließ sich die tückischen Stellen vor der Küste nochmals erklären. Er trat hinaus und beobachtete die Schiffsjungen, wie sie das Deck schrubbten. Ein Decksoffizier drillte gerade ein paar Matrosen und schickte sie zum siebenten Mal in die Masten. „Lasst es danach gut sein, Master Bene.“ rief der Kapitän dem Offizier zu und ging in Richtung seiner Kajüte.
Über ein paar Seekarten gebeugt, merkte kortini nicht, wie sein Sekretär hineinkam und ihm eine frische Kanne heissen Kaffee und das Essen brachte. Er schreckte hoch, als das Tablett auf den Tisch gestellt wurde. Mit den Worten „Begebt euch zur Ruhe. Morgen wird ein anstrengender Tag.“ entliess er den Diener in den Feierabend.
kortini hatte unruhig geschlafen. Der aufgekommene Wind hatte das Schiff stark schwanken lassen und die bevorstehende Passage beunruhigte ihn. Gegen Mittag, kortini stand an Deck, meldete der Ausguck Landsichtung. Der Steuermann wusste auch ohne kortinis Befehl, was zu tun war. Sofort steuerte er das noch ferne Land an und hielt direkt darauf zu.
Die Landzunge, die kortini bisher nur von der Karte kannte, war fast auf gleicher Höhe mit dem Schiff. Nun hieß es, das Ruder herumzureißen, wenn das Schiff nicht auf der flachen Sandbank stranden sollte. kortini winkte seinem Steuermann zu und dieser verstand das Zeichen. Das Schiff legte sich stark zur Seite und schwenkte in einem eleganten Bogen vom Land weg. An Steuerbord konnte man nun die Sandbank sehen.
kortini reichte seinem Steuermann zwei Silbermünzen. So elegant hatte er das Schiff in die enge Bucht gesteuert, dass es fast wie eine Anlandung im Heimathafen aussah. Schnell legten die Boote ab und ruderten an Land, um die Wasservorräte aufzufüllen. Frische Früchte waren auf dem unbewohnten Land leider nicht zu erwarten.
Ein paar Stunden vergingen und der Ausguck meldete die zurückkommenden Boote. Sie lagen schwer im Wasser. Also mussten die Männer Wasser gefunden haben. Die Boote kamen immer näher und es waren bereits die ersten Männer zu erkennen. Sie saßen mit ernsten Mienen auf ihren Plätzen und schauten auf´s Wasser. „Sicherlich sind sie erschöpft“, dachte kortini. Doch kaum stießen die Boote an den Rumpf des Schiffes, sprangen die Deckel der Fässer auf und bewaffnete Gesellen aus selbigen heraus.
kortini bekam einen grossen Schreck. Kaum hatte er registriert, dass Seeräuber seine Boote trickreich gekapert hatten, stiegen auch von der anderen Seite bewaffnete Männer über die Reling. Die Matrosen kämpften tapfer und verteidigten ihr Schiff. Die Übermacht der immer zahlreicher an Bord drängenden Piraten ließ die Gegenwehr jedoch schnell erlahmen.
Die gesamte Mannschaft von kortinis Schiff wurde gefangen genommen und an Deck versammelt. Einer nach dem anderen musste die Besatzung über Bord springen und das Schiff den Räubern überlassen. kortini hatte kaum Zeit, den im Rumpf des Schiffes lagernden Rotweinvorräten nachzutrauern, da war die Reihe auch an ihm. kortini sprang und spürte das Wasser in seinem Gesicht.
Plötzlich öffnete kortini die Augen und staunte. Spike, der Hund der Landrichterin, saß auf seinem Schoß und leckte ihm übers Gesicht. Der Kutscher war bereits abgestiegen und die Landrichterin stand neben der Kutsche und lächelte kortini an.
Nicht nur dass vielerlei, im Mittelalter typische, Berufe uns heute unbekannt sind, auch ihre Bräuche sind heute fast vergessen. Manches Wörtchen oder Sprüchlein, welches wir heute noch verwenden, hatte in den Zünften eine andere Bedeutung als wir ihnen heute beilegen. Manch ein Brauch wirkt auf uns heute barbarisch und unmenschlich, hatte aber lange Zeit seinen festen Stellenwert innerhalb der Handwerkerstände.
Muten – Unter dem Muten verstand man im Mittelalter das „förmliche Anhalten um etwas“, also das Bewerben um einen neuen Handwerkstand, wie den Meisterstand. Während der Mutzeit konnten Erkundigungen über den Gesellen, der sich zum Meister bewarb, eingeholt werden.
Prellen – Das Prellen war ein derber Spaß den Metzgergesellen im süddeutschen Raum am Aschermittwoch über sich ergehen lassen mussten. Beim Prellen wurde ein Lehrbub auf eine Kuhhaut gelegt, eingewickelt und durch die Luft geschleudert – oft mit großen Schmerzen für den Geprellten verbunden.
Schleifen – Unter den Schleifen verstand man das Erziehen eines Ausgelernten zu einem „rechten Gesellen“. Erst durch das abgeschlossene Schleifen, welches seinen eignen Regeln unterlag, wurde ein Handwerker zu einem waschechten Gesellen. Heute würden wir das damalige Schleifen als Mopping ansehen, da der Probant durch unterschiedlichste Prüfungen, die oftmals sehr demütigend waren, seiner Eignung zum „rechten Gesellen“ geprüft wurde.
Schnupfen – Im süddeutschen Raum bezeichnete eine öffentliche Bestrafungsmaßnahme der Bäcker als Schnupfen. Der Sünder wurde in einem Käfig sitzend in kaltes Wasser getaucht, so dass er unweigerlich einen Schnupfen bekommen musste.
Dunkel ist's nun geworden, es war mal wieder ein langer, arbeitsreicher Tag. Endlich sitze ich in meinem Kontor und einige Scheite Holz knistern im Kamin. Diese kühlen Herbsttage mit ihren kalten Nächten haben es in sich. Im ganzen Hause die Kamine zu beheizen erlaube ich allerdings noch nicht, sonst reicht der Holzvorrat vielleicht nicht über die nahenden Wintertage. Wer kann schon wissen, wie kalt es in diesem Jahr wieder werden wird und wie lange die Kälte andauert? Das Kräuterweib meinte zwar, es würd ein milder Winter werden, doch das hat sie bereits vor einigen Jahren einmal geweissagt, gestimmt hats aber nicht. Die kennt sich wohl ganz gut aus, wenn's drum geht, welches Kräutlein gegen welches
Zipperlein gewachsen ist. Die Wahrsagerei mit dem Wetter liegt ihr wohl nicht so ganz.
Nun müssen wir uns wappnen gegen die rauhe Zeit, genug Holz schlagen fürs kommende Jahr, möcht ja gut abgelagert sein, sonst gibts nur Rauch beim Verbrennen. Außerdem ist noch die
letzte Ernte einzubringen und in den Scheunen zu lagern. Die Äpfel werden auch schon reif und fallen bereits von den Bäumen. Die Köchin bäckt zwar ganz leckere Apfelküchlein, doch nach einigen Mahlzeiten davon steht mir der Sinne auch mal wieder nach was Anderem. Der Nachbar hatte beim letzten Dorffest Apfelbrand ausgeschenkt, vielleicht sollte man das auch mal probiern, werd ihn bei nächster Gelegenheit nach seiner Rezeptur befragen. Zwei Kornfelder stehen zur Ernte bereit, die Sensen sind schon gedengelt und geschärft. Wenns Wetter hält, wird morgen der erste Teil eingebracht und übermorgen schon gedroschen. Die Dreschtenne ist bereits gefegt und die Aufregung unter den jungen Leuten wegen des üblicherweise nach getaner Arbeit stattfindenden Heubodenfests schon groß. Da werden wohl wieder schöne Augen gemacht und schüchterne Blicke hin- und hergeworfen. Aber was solls, gönnen wir den Jungen den Spaß, bietet sich doch sonst nicht so viel Gelegenheit zur Brautschau. Den Richtigen für meine Tochter werd allerdings ich aussuchen, wär ja noch schöner, wenn so ein dahergelaufener Habenichts ankäme und mein einzig Kind mir entreißen möcht.
Da fällt mir wieder die Brautwerberin aus dem Nachbardorf ein, die hat beim letzten Kirchfest so komisch rumgefragt, was denn mit meiner Tochter wär, käm sie doch langsam ins heiratsfähige Alter und ob die Truhen denn schon gefüllt und die Tücher schon bestickt wären. Hat sie dann nicht auch ständig von einem jungen Burschen erzählt, der als 3. Sohn wohl nicht als Hoferbe in Frage käme, sich wohl aber auch nicht für den Klosterdienst entscheiden könne. Was solls, die alte Vettel versucht wahrscheinlich wieder nur, sich einen neuen Kuppelpelz zu verdienen, ist
der alte doch schon recht schäbig und abgetragen.
Meine Gedanken sind wohl etwas abgeschweift, hab mich im Moment doch um wichtigere Angelegenheiten zu kümmern. Gewürze sind zu bestellen für die Herstellung wohlschmeckender Würste, vor allem Salz wird benötigt für die Einlagerung von Kraut und die Pökelung von Fleisch. Wenns nur nicht gar so teuer wär. Geben solls welches auf dem Markt, gestern erst fuhren die Treidelkähne durch unser beschauliches Städtchen und hatten wohl Salz als Fracht geladen. Die benötigten Mengen hab ich notiert und werde morgen früh den Karren zum Markt schicken.
Nun sind auch die Scheite im Kamin runtergebrannt und es fröstelt mich bereits. Werd mich wohl aufmachen in meine Kemenate, da erwartet mich mein Daunenbett. Was bin ich froh, daß ich mir
diesen Luxus nun erlauben kann und nicht mehr mit einem einfachen Strohsack vorlieb nehmen muß. Also gehabt Euch wohl, morgen früh gehts weiter, gleich nach dem ersten Hahnenschrei.