Ausgabe 68 | Seite 4 31. August 2008 AD
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Eine kleine Waffenkunde V

4. Das Rittertum - Offensivwaffen

Das Mittelalter hat, abgesehen von den Feuerwaffen, die eine wirkliche Neuentwicklung darstellten, nur die Angriffswaffen früherer Zeiten gekannt und den Erfordernissen angepasst: Schwert und Dolch, Streitaxt und -kolben, Speer und Lanze, Pfeilbogen und Armbrust sowie Schleudern. In den nachfolgenden Kapiteln betrachten wir die einzelnen Waffentypen, deren Entwicklungen und Ausprägungen etwas genauer und ausführlicher.




4.2 Offensivwaffen des Rittertums - Das Schwert

Abb.: Aufbau eines Schwertes

Das Schwert besteht grundsätzlich aus zwei Teilen, der Klinge und dem Gefäß, also dem Griff. Die Klinge ist entweder ein- oder zweischneidig, spitz oder rund zulaufend, glatt (voll) oder gegratet. Kurz vor dem Gefäß hat jede Klinge die sogenannte Fehlschärfe, einen stumpfen Bereich, den man zwecks besserer Führung des Schwertes mit dem Zeigefinger umfassen kann. Dahinter läuft die Klinge in die schmale Angel aus, die mit dem Griffholz vernietet wird. Griffhölzer waren meist aus Holz, Horn oder Metall, oft mit Leder oder Draht umwickelt. Zur Klinge hin gab es eine Querstange, Parierbügel genannt, mit der man frontale Hiebe des Gegners abfangen konnte und der die eigene Hand schützte. Der Faustbügel überwölbte das Griffholz gegen seitliche Schläge. Dem Schutz des Fingers an der Fehlschärfe diente der Fingerbügel. Am Ende lief das Griffholz in den Knauf aus, der verhinderte, dass das Schwert beim Schlag aus der Hand rutschte. Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus den Bügeln ein komplett die Hand umgebender Korb, das Gefäß.


Abb.: Schwerter aus dem 13 und 14.Jh.

Eine Sonderform war der schon im frühen Mittelalter verwendete Degen, der leichter war als das Schwert. Er hatte eine breitere, zweischneidige Spitze und einen asymmetrischen Griff. Er war sowohl als Hieb- als auch Stoßwaffe geeignet und löste im 17. Jahrhundert das Schwert als Kriegswaffe vollends ab. Das Schwert war meist nur noch als schwere, edel verzierte Prunk- und Paradewaffe anzutreffen.






Auch die Klinge machte im Laufe mit zunehmend stärkerer Rüstung eine Entwicklung durch. Waren Schwerter anfangs reine Hiebwaffen mit breiten, scharfen Klingen, wurden sie allmählich zu Stoßwaffen mit schmalen und spitzen Klingen. Ein von oben geführter Hieb konnte oftmals einen Harnisch nicht mehr durchschlagen. So dachte man um und versuchte, zwischen den Panzerplatten hindurchzustechen. Diesem Taktikwandel musste auch die Waffe angepasst werden. Reine Hiebschwerter gab es dennoch. Es waren die nach ihrer Führungsart genannten Anderthalb- oder Zweihänder, die sehr wuchtig waren und mit Kraft geführt, Breschen in die gegnerischen Linien schlagen konnten. Daneben existierten auch reine Bohrschwerter mit drei- oder viereckigem Querschnitt, die jeden Panzer durchstießen, Gnadgott genannt.


Abb.: Schwert, Anfang des 17.Jh.

Schwerter wurden auch im Mittelalter schon oft in Arbeitsteilung hergestellt. Klingen und Gefäße kamen aus spezialisierten Werkstätten, das Zusammenfügen und Herstellen der Schwertscheiden oblag den sogenannten Schwertfegern, einem heute noch geläufigen Familiennamen.

Die Schmiedetechnik der Klingen blieb Jahrhunderte lang unverändert. Mehrere Eisenbänder wurden erhitzt und zusammengeschmiedet. Durch weiteres Erhitzen und Bearbeiten konnte die Qualität wesentlich verbessert werden. An die Klingenkörper wurden Stahlbänder angeschmiedet, die zu Schneiden ausgearbeitet und durch Schleifen geschärft wurden. Solingen, Passau, Mailand und Toledo waren Zentren der abendländischen Klingenschmiedekunst, aber auch die Damaszener-Klingen aus dem vorderen Orient hatten einen hervorragenden Ruf. Namen wurden schon damals zu Marken: Messer und Scheren aus Solingen genießen heute noch Weltruf.


Abb.: Anderthalbhänder (16.Jh) und Rapier (17.Jh.)





Ende Teil V - Fortsetzung folgt

© Hinrik aus Nyenwoerden

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