Ausgabe 54 | Seite 4 25. Mai 2008 AD
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Kopfgrafik - © upjers GmbH & Co. KG

Schlagzeilen im Mittelalter

Nehmen wir einmal an, im Mittelalter wären alle Bürger schon des Lesens kundig gewesen und es hätte schon Boulevardzeitungen gegeben, die mit reißerischen Schlagzeilen ihre Auflage steigern wollen.

Werfen wir erneut einen Blick auf die Schlagzeilen der Stadt Zockingen

Totes Schwein beißt Koch

Große Aufregung in der Küche des Barons von Cottbus-Mitte. Der Küchenchef Willibus - der für den Baron ein Spanferkel zubereiten wollte - musste mit schweren Bisswunden zum Quaksalber.

"Ich habe das Ferkel wie immer zubereitet", erzählt uns der ledige Koch, den Tränen nah, "die Füllung verlief noch ohne Probleme - doch als ich den Apfel ins Maul schieben wollte, biss das Vieh plötzlich zu."

Ob der Vollmond für dieses Phänomen verantwortlich ist, bleibt zu klären. "Da lernt der Herr Koch wenigstens mal, wo seine Hände hingehören", so die junge, gut aussehende Küchenmagd. Das rebellische Ferkel "habe jedoch vorzüglich gemundet" - ließ der Baron ausrichten.

Spiegel zeigt Traumfigur an

Ein neuartiger Stand-Spiegel aus der Erfinderwerkstatt Egon Kunz aus Hyderabad könnte ein Verkaufserfolg bei den Edeldamen unseres Landes werden.

"Der Spiegel ist nach innen gewölbt", berichtet uns Kunz stolz, "dadurch erscheint das Spiegelbild viel schlanker." Edeldamen fühlen sich bei einem solchen Spiegelbild gleich graziler und begehrenswerter.

"Wir arbeiten jetzt noch an entsprechenden Augengläsern für den Herrn", verriet uns Kunz.

Schlafwandler heiratet Greisin

Ein böses Erwachen erlebte Waldemar K. (22) aus Tyrana. "Ich hatte mich nur kurz hingelegt und war wohl eingeschlafen - als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag diese Frau neben mir."

Nicht nur das, die beiden waren auch rechtmäßig getraut - und gelten nun vor Gott als Mann und Frau. Die Ehefrau Liselotte K. (82) sieht das locker: "In meinem Alter fackelt man nicht lange - und als mir mein jetziger Ehemann über den Weg lief, war er zwar im Nachthemd, nannte mich aber "mein Schatz, da machten wir Nägel mit Köpfen."

Ob die Ehe nun rechtmäßig ist oder nicht, muss der Bischof von Tyrana entscheiden. "Meine Chancen stehen gut", lacht Liselotte K. und spielt mit ihrem neuen Ehering. Waldemar K. hingegen meint: "Ich trau mich nicht mehr einzuschlafen - sonst werd ich vielleicht noch Vater!"

© Zockingen - Mitlgied der Handelsgilde

Zofe Adelgunde berichtet

Neulich war eine Schlägerei bei uns! Eine richtige Schlägerei. Als wenn das nicht des Öfteren bei uns passierte, werdet Ihr sagen. Jedoch handelte es sich hier um eine besondere Prügelei. Es hat sich nämlich ein Patrizier mit unserem Schneider-Schreiber geschlagen. Sehr zur Beleidigung meiner Herrin auch noch.

Doch von vorn:

Ihr wisst doch, unser Schreiber ist in die Schneider gewechselt. Dort entwirft er mit den Schneidern Gewänder für sehr gut betuchte Damen, die viel Geld für seltsame Fetzen lassen. Das ganze nennt der Modekreationen. Über die Ansehnlichkeit der Kleider kann man geteilter Meinung sein, doch spült das einiges an Geld in die Kästen meiner Herrin. Kästen - sie hat mittlerweile nämlich zwei davon. Immerhin ist sie ja Ratsherrin.

Das Ganze ließ sich zu einem guten Geschäft an. Die Damen, die in den Salon kamen, ein besonderes Zimmer mit einem Dienstmädchen für Erfrischungen und zwei Zofen als Ankleidehilfen, gaben oft recht kräftig das Geld ihrer Männer aus. Als wenn es einem Patrizier wehtun würde. Einem von ihnen tat es weh. Er ging in den Salon und wollte den Schreiber-Schneider zur Rede stellen. Zu der Zeit war gerade seine Ehefrau da. Die vom Patrizier, der Schneider-Schreiber Melchior hat keine Frau und will, soweit ich weiß, auch keine.

Der Patrizier hörte jedenfalls, wie unser Melchior seiner Ehefrau ein Gewand aus grünlich-senfgelber Seide aufschwatzte. Ein außergewöhnlicher Farbton, sehr gewöhnungsbedürftig. Der Patrizier stürmte ins Separée, dachte, seine Frau würde mit unserem Melchior ein Techtelmechtel haben und gab dem eine kräftige Ohrfeige ins Gesicht. Melchior, sowas nicht gewöhnt, schrie auf und schlug zurück. Ein Knecht, egal, welchen Status er hat, darf aber keinen Patrizier schlagen. Der Patrizier beschimpfte ihn als Weichtier, als erbärmlichen Sünder und unanständigen Kerl. Leider weiß ich nicht so genau, was der überhaupt damit meinte. Melchior bekam noch einige Faustschläge ins Gesicht, hatte sich dann aber besonnen, nicht auf den Patrizier weiter einzudreschen. Fraglich ist nebenbei, ob der das überhaupt gekonnt hätte.

Der Patrizier nahm seine Frau, zerrte sie in sein Fuhrwerk und verschwand mit ihr.

Melchior rannte dann, als alle weg waren, in die Küche und ließ sich von der Köchin, seiner besonderen Freundin, ein Tuch mit kaltem Quellwasser gegen das Gesicht halten. Nach einigen kalten Tüchern wurde die Geschichte viel schrecklicher, als sie wirklich vorgefallen war.

Meine Herrin wurde umgehend von Melchior, nachdem er sein Gesicht gekühlt hatte, in Kenntnis gesetzt. Sie muss das wissen, denn von ihrem Wohlstand profitieren wir hier doch alle. Sie wies an, Melchior solle eine besondere Haube, die von der Patriziersfrau schon bewundert worden ist, noch etwas eleganter dem Geschmack der Frau entsprechend herrichten. Außerdem bekam er einen Fasan von der Herrin zum Abendessen am Sonntag. Ein kleiner Ausgleich.

Sie nahm dann die Haube, wies mich an, diese zu tragen, und besuchte mit mir zusammen den Patrizier und seine Frau. Voller Demut entschuldigte sie sich. Demut, soweit es hier angemessen war. Sie versprach, den Knecht zu züchtigen, dass er den Patrizier nicht wieder beleidigte und erbat die Erlaubnis, der Dame die Haube als Entschuldigung zu überreichen, falls diese dieses Geschenk überhaupt akzeptiere. Meine Herrin hob das Tuch an, mit dem wir die Haube zugedeckt hatten, die Augen der Dame funkelten und leuchteten und sie wird wohl in Zukunft mehr Geld bei uns lassen. Denn der Ehemann-Patrizier wirkte bereits jetzt schon sehr zerknirscht.

Man sollte den Frauen niemals verwehren, sich schön zu kleiden. Das hat der Mann jetzt gelernt. Denn sie versprach, bereits in der kommenden Woche den Modesalon wieder zu besuchen.

Eure Adelgunde

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