Schlagzeilen im Mittelalter
Nehmen wir einmal an, im Mittelalter wären alle Bürger schon des Lesens kundig gewesen und es hätte schon Boulevardzeitungen gegeben, die mit reißerischen Schlagzeilen ihre Auflage steigern wollen.
Werfen wir heute einen Blick auf die Schlagzeilen der Stadt Zockingen
Bischof erklärt Vögel für "schuldig"
Bischof Glaubrecht aus Zockingen erklärte in seiner letzten Sonntagspredigt Vögel für "erwiesener maßen Schuldig vor Gott. Darum habe der Herr die Tiere auch von Geburt an gefedert."
Das Fliegen - so der Bischof - sei eine Anmaßung an die Herrlichkeit der Engel. Wegen "diesen Hochmutes sey das Vogelvieh nun für alle Zeit gezeichnet."
Der Bischof verließ kurz darauf stark schwankend die Kanzel und verlangte lautstark "nach mehr Messwein".
In wie weit Bischofs Glaubrechts Auffassung mit der des heiligen Vaters, dem Papst, übereinstimmt, war zu Redaktionsschluss noch unklar.
Henker drohen mit "Dienst nach Vorschrift"
Wegen "zu schlecht bezahlter Arbeit" drohen die Henker der Stadt Zockingen neuerdings mit "Dienst nach Vorschrift".
Nach einem Erlass des Grafen von Zockingen ist es den Henkern nicht erlaubt, zu streiken. Jedoch "ein Dienst nach Vorschrift sei wohl eyne Weise, dem Grafen zu zeigen, dass es so nicht weitergehe".
Laut Henkersvorschrift müssen bei Köpfungen nur ein Schlag ausgeführt werden "Ist der Kopf dann noch dran, so gilt die Köpfung dennoch als durchgeführt".
Ähnlich bei der Verbrennung "Nirgendswo steht, dass das Holz trocken seyn muss - da sieht man wohl demnächst vor lauter Rauch die Hex net mehr" ließ ein Henkerslehrling uns wissen.
Mit diesen Aktionen wollen die Henker für mehr Lohn und gesellschaftliche Anerkennung ihrer Arbeit kämpfen.
"So wie es aussieht, brauchen wir demnächst ein paar Quereinsteiger" so der Graf zu den Ereignissen.
Modische Kutsche hilft Pferde schonen
Ein neues Kutschenmodell des Kutschenbauers Walter Rossbock soll dabei helfen, Pferdekraft zu sparen.
"Wir brauchten bei einer Probefahrt statt 8 Pferden nur 6 für die gleiche Leistung", ließ uns der Handwerker wissen. Offenes Geheimnis der Kutschenkonstruktion sind die im Vergleich zu den Hinterrädern deutlich kleineren Vorderräder.
"Durch das Gefälle rollt die Kutsch fast von alleine - die Pferde dienen nur noch der Beschleunigung" - so Walter Rossbock über seine Erfindung.
Der Graf zeigte bereits Interesse an der Entwicklung und lud den Kutschenbauer für kommende Woche auf sein Schloss.
© Zockingen - Mitglied der Handelsgilde
|
Die wirtschaftliche Lage
Bis ins 10. Jahrhundert war die Wirtschaft in Europa noch unterentwickelt. Die meisten Techniken stammten aus der Antike. Zwischen dem 10. und dem ausgehenden 14. Jahrhundert wurde die Wirtschaft revolutioniert: Zahlreiche technische Neuerungen förderten die Entwicklung der Landwirtschaft und des Handels.
Das wertvollste Gut im Mittelalter war das Land. Neben Fischfang und Jagd war vor allem der Ackerbau die wichtigste Nahrungsquelle der Menschen. Außer Lebensmittel lieferte das Land auch nötige Rohstoffe für den Alltag.
Werk- und Baustoffe waren Holz und Stein, welche für die Herstellung von Arbeitsgeräten und Werkzeugen benötigt wurden. Die Verwendung von Eisen revolutionierte dann aber nach und nach die Arbeitsgeräte. Doch die Menschen fürchteten die Neuerungen, daher setzten sich die neuen Techniken nur sehr langsam durch. Die besseren Arbeitsgeräte nutzten ohnehin hauptsächlich dem Landesfürsten, da dieser noch größere Erträge einfuhr.
Der Handel spielte mit den Handwerkern und den Kaufleuten eine wichtige Rolle:
Die von ihnen gefertigten Produkte förderten den Austausch zwischen Stadt und Land, beziehungsweise zwischen Region und Ländern. Wie ein Spinnennetz spannten sich die Handelswege im Mittelalter über ganz Europa und die Welt. Wo sich mehrere Wege kreuzten, entstanden neue Städte. Der Handel lief über Land-, Fluss- und Seewege ab.
© Hamster92 aus Amsterdam92
|
|
|
Zofe Adelgunde berichtet
Diese Vettel, diese Hexe, dieses böse und scheinheilige Weib. Ihr wisst schon, die Verwandte meiner Herrin, die mir jetzt hier mit den Kindern helfen soll.
Neulich haben wir uns doch glatt gestritten, ob es gut ist, ein Kind weinen zu lassen, wenn es Angst hat, vor bösen Getier in seinem Zimmer. Von vorn: Melchior, der kleinste von meinen Waisen, konnte nicht einschlafen, weil er sich vor einem Drachen fürchtete, der unter dem Bett sein sollte. Das ist der Nachteil von Betten, unter Strohsäcken ist für Drachen zu wenig Platz. Also weinte und schrie er, weil er sich fürchtete. Immer wieder ging ich zu ihm, tröstete ihn und sah mit ihm zusammen unter dem Bett nach. Natürlich war da kein Drache. Und diese fürchterliche Besserwisser-Frau meinte, ich sollte ihn einfach schreien lassen. Er würde sich schon beruhigen. Denn das Kind sei durchtrieben und wollte mich nur beschäftigen. Ich bin immer noch entrüstet. Diese arme Seele hat ihre Eltern verloren, als bei uns diese Seuche war. Und jetzt soll er allein bleiben?
Und diese Vettel wird mich bei meiner Herrin gewiss schlecht machen. Auf mich warten harte Zeiten.
Eure Adelgunde
|
Die Königskinder (4)
Der Morgen
Nach dem Schrecken der Nacht konnte keiner mehr Schlafen. Verständlich, wenn man schutzlos der Wildnis und Bären ausgeliefert ist. So schürten sie das Feuer und legten noch ein wenig Brennholz auf, um wenigstens Licht und Wärme zu haben.
Der Sturm des vergangenen Tages war verflogen. Peter schaute gedankenverloren in den Himmel. Eine dichte Wolkendecke versperrte die Sicht auf die Sterne und den hellen Vollmond, der eigentlich scheinen sollte.
Wie so oft fragte sich Peter, wie es nun mit ihnen weitergehen sollte. Er und Janine, Kinder des Königs, waren abgehauen. Waren in der Wildnis mit einem armen Dorfjungen namens Klaus. Waren entflohen und wollten, wie die Kinder im Dorfe, ihre Abenteuer erleben. Doch Peter wurde es allmählich bewusst. Es gab kein zurück mehr. Das war kein kleines Abenteuer. Nein, es war die Wildnis. Die grauenhafte Wildnis, die nicht vor ihnen halt machen würde, nur weil sie Königskinder waren.
Klaus und Janine wärmten sich am Feuer. Als Peter wieder in die Höhle trat, blickten sie auf, doch sie sagten kein Wort. Genau genommen hatte keiner seit dem Bären mehr ein Wort gesprochen. Sie hatten nur stillschweigend da gestanden.
Peter kam es vor, als würde sich die Zeit endlos lange ziehen. Die Nacht wollte nicht fliehen, und der Morgen wollte nicht erwachen. So schien es ihm. Doch schließlich begann es zu Dämmern. Peter trat abermals aus der Hütte, ging durch das feuchte Geäst bis zum Waldrand und blickte hinunter auf das Dorf. Nebel verschleierte die Aussicht, während auf der anderen Seite, am Horizont, am Ende der Welt, sich die flammenrote Sonne den Weg hinter den Hügeln nach oben bahnte. Er war sprachlos. Solch einen wunderschönen Ausblick hatte er noch nie gesehen. So etwas war er aus dem Schloss nicht gewöhnt.
„Gefällt’s dir?“, Peter fuhr erschrocken zusammen. Er hatte nicht bemerkt, dass Klaus hinter ihm hergegangen war und ihn beobachtete. Nun stand er da, die Hände in seinen Taschen vergraben und blickte hinaus auf die Landschaft.
„Schön, oder?“, fragte er verträumt und lies den Blick über den Nebel schweifen.
Peter nickte. Minutenlang standen sie einfach am Wegrand und schauten hinab ins Tal, bis sich schließlich Klaus wieder zu Wort meldete:
„Komm, Janine sammelt Beeren. Wir sollten uns nicht zu weit entfernen. Wer weiß, was neben den Bären hier noch auf uns lauert. Ich hab übrigens einen Bärenhunger. Irgendwas muss es hier doch zu essen geben, neben den Beeren. Schade, dass mir Vater nie das Jagen zeigen konnte. Sonst würden wir einfach ein Tier erlegen. Nun müssen wir uns eben erstmal von Beeren ernähren, bis wir einen neuen Unterschlupf haben.
Bin mir auch nicht sicher, ob wir hier bleiben sollen. Selbst mit Pfeil und Bogen ist es im Wald gefährlich.“
Wieder blickte er in den Himmel und in das Tal hinab. Er lächelte. Es war ein gequältes Lächeln, wie Peter feststellte. Schließlich wand er sich zum Gehen und lief zusammen mit Peter wieder zur Höhle, wo sie Janine, bepackt mit unzähligen Früchten, auf einem Stein sitzen sahen …
Der weitere Verlauf folgt in einer der folgenden Ausgaben.
© Petri
|
"An non delirat homo mittens in mare fontem?"
"Ist nicht der Mensch verrückt, der eine Quelle ins Meer leitet?"
(Autor unbekannt)
Eingesandt durch Mausburg
|
|