Ausgabe 42 | Seite 4 9. März 2008 AD
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Zofe Adelgunde berichtet

Mittlerweile komme ich mit den ganzen Kindern gut zurecht, die mir meine Herrin und das Schicksal auf das Auge gedrückt haben. Ich habe mich sozusagen in mein Los ergeben und mache das Beste daraus. Was bleibt einem sonst auch übrig als das Größtmögliche aus einer Situation heraus zu holen? Nur dass mich die Männer nicht mehr so nett ansehen. Wie z.B. der neue Brauer, den meine Herrin eingestellt hat. Sie hatte nämlich eine Brauerei erweitert und plant als nächstes die Vergrößerung des Gasthauses. Dabei hält sie sich am Sprichwort fest: "Wer Sorgen hat, hat auch Likör." Und sie ist der Auffassung, dass die Zeiten sowieso nie gut genug sind, dass die Leute auf berauschende Getränke verzichten. Egal, was in der Predigt am Sonntag gesagt wurde. Vollkommen gleichgültig, was die Moralmenschen von sich geben. Getrunken und berauscht wird sich immer.

Der Brauer ist schneidig, fleißig und hat mich auch schon gesehen. Ich habe ihm einen kleinen Blick geschenkt, aber natürlich nicht zu viel davon. Das könnte ja aufdringlich wirken. Er nahm aber eines der Kinder und spielte mit ihm. Infam! Wie dem auch sei, ich werde abwarten, was sich ergibt.

Eine Neuigkeit gibt es dennoch: Die Damen, die sich wie die Pfauen und Affen seit einiger Zeit bei uns heraus putzen lassen, bringen ihre Kinder zu mir, dass ich sie bewache, während sie ihre Zofen benötigen, um sie in die seltsamen Kleider zu zwängen, die sie sich ausgesucht haben. Und ich bekomme immer mal wieder einen kleinen Taler, etwas zu essen oder anderes dafür. Die Geschäfte laufen und ich spare erst einmal. Wofür ich mein Geld in den Strumpf stecke? Gewiss nicht für diese Kleider!

Eure Adelgunde






Schlagzeilen im Mittelalter, Teil 3

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Nehmen wir einmal an, im Mittelalter wären alle Bürger schon des Lesens kundig gewesen und es hätte schon Boulevardzeitungen gegeben, die mit reißerischen Schlagzeilen ihre Auflage steigern wollen.

Wie hätten damals wohl die Schlagzeilen ausgesehen? Hier der dritte Teil meiner Ideen:

Darmwinde sprengten Gottesdienst!

"Es war einfach schrecklich, wie Dämpfe direkt aus dem Höllenschlund!", berichtet - noch sichtlich angegriffen - Pfarrer Mühlenberg. Der Schmiedegeselle Meiersteg war mit seinen acht Kindern in die Kirche gegangen, vorher hatten aber alle riesige Mengen an Bohnensuppe in sich hineingestopft. Die nach einiger Zeit austretenden Darmwinde, die lautstark den Gottesdienst unterbrachen, zwangen den Gottesmann die heilige Handlung vorerst abzubrechen. Die Kirchenbesucher stürzten ins Freie, um nach frischer Luft zu schnappen.

Der Schmied, dem diese Geschichte offensichtlich sehr peinlich ist: "Aber die Suppe war wirklich lecker!"

Blinder Betrüger im Badehaus entlarvt!

Ein junger Mann namens Gernold Finkenberg stellte sich blind, offensichtlich um von einigen Mägden mit ins Frauenbadehaus genommen zu werden. "Er hat uns leid getan. Noch so jung, aber schon erblindet", berichtet die Stallmagd Roswitha Steinhof. "Wir haben ihn dann mit in das Frauenbad genommen, damit wir ihm besser helfen können! Was sollte uns da auch mit einem Blinden passieren?"

Das fehlende Augenlicht war nur vorgetäuscht. Die jungen Maiden merkten sehr schnell, dass der angebliche Blinde sehr zielgerichtet die dargebotene nackte Weiblichkeit betrachtete und befühlte. Seine sichtbare Erregung veranlasste das Badepersonal ihn so, wie Gott ihn schuf, auf die Strasse zu werfen. Seine Sachen wurden beim Stadtbüttel abgegeben.

Bräutigam wacht neben Schwein auf!

Es sollte der Bund fürs Leben werden, jedoch ist Siegfried Bärtigens nach der Hochzeitsnacht seine Braut abhanden gekommen. Am nächsten Morgen lag neben ihm im Bett eine schlachtreife rosige Sau, der es in den weichen Linnen offensichtlich sehr wohl behagte. "Ich hatte mich schon gewundert, was meine Annegret da nachts so für Geräusche von sich gibt", meinte der junge Ehemann. "Auch mein bester Freund ist seit gestern verschwunden. Den beiden wird doch wohl nichts passiert sein?"

Die Obrigkeit untersucht den Fall, hat aber noch keine konkreten Spuren.

Gans legt Goldtaler!

Helle Aufregung gab es gestern im Gänsestall von Bauer Hubert Jürgenson. In einem Nest wurden mehrere goldene Taler gefunden. Mehrere Alchimisten und der Herr Pfarrer untersuchten den Fall, ob es sich hierbei um eine Gans handelt, die Goldtaler produzieren kann. Einer der Alchimisten: "Wir haben die Gans den ganzen Tag beobachtet, aber alles was aus ihr herauskommt, hat mit der Farbe Gold recht wenig zu tun."

Eine nähere Untersuchung brachte zu Tage, das der Schwager von Bauer Jürgenson im Vollrausch in den Gänsestall gefallen ist und ihm dort einige Goldtaler aus der Hosentasche in das Nest gefallen sind. Die Gans wurde von der Untersuchungskommission goldbraun gebraten und verzehrt.

© Max Hohenstein, Chronist von Wulferisbuttle





Der geheimen Gilde auf der Spur (2/3)
- Verkaufe 1 Fass für 50.000 ¢? -

Schon eine ganze Woche ist vergangen, seit ich im Stadtforum eine Frage zu einem merkwürdigen Zeichen angebracht hatte, das ich im Schriftzug eines Händlerkarrens entdeckt hatte. SIE hatten das Zeichen abgerissen und ihre warnende Antwort hinterlassen:
"An den Narren, wir melden uns bei dir!" Wer waren SIE? Was wollten SIE von mir?

Noch nie war ich mit so vielen merkwürdigen Menschen in Kontakt getreten, wie in den letzten Tagen. Da war ein schielender Wasserverkäufer, der mir Wasser in besonders guter Qualität und besonders günstig anbot. Obwohl ich noch neu war in der Pferdezucht, war ich doch vernünftig genug, das dubiose Qualitätswasser abzulehnen.

Kurz darauf sprachen mich vermehrt Kunden und Lieferanten auf das Gerücht einer dunklen Gestalt an, die anscheinend im Lande ihr Unwesen treiben sollte. Vorsichtshalber ließ ich ein starkes Eisenschloss am Stalltor anbringen, nur um später zu erfahren, dass dieses Gerücht aufgrund eines dummen Jungen Streiches aufgekommen war. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell fauler Klatsch und Tratsch aus einer Mücke einen Esel macht. Oder wie heißt das große graue Tier, mit dem Hannibal über die Alpen geritten ist?

Aber was mir heute per Brieftaube ins Haus geflattert ist, übertrifft alles um Längen:



War der Absendername noch so merkwürdig geschrieben, so war mir die Anrede doch nur allzu vertraut. Hielten SIE mich wirklich für einen Narren? Dass der Preis für das leere Fass eindeutig um ein Vielfaches zu hoch war, musste selbst ein vertrottelter Laffe merken. Sollte das eine Falle sein, oder war der Kauf dieses Fasses meine Eintrittskarte zur Lösung meiner bisher unbeantworteten Frage? Ich konnte mich entweder wirklich zum Narren machen, oder ich konnte die einzige Chance ablehnen, das Rätsel des Zeichens endlich zu lösen. So ein Mist; diese Wahl gefiel mir ganz und gar nicht.

Nun, ich mochte vielleicht wirklich ein Narr sein, aber Feigheit und Desinteresse konnte man mir wirklich nicht nachsagen. Meine Neugier hatte gesiegt. Ich zahlte die horrende Summe und erwarb so ein leeres Fass – "Na toll". Dieses eingehend, außen und innen untersuchend, wurde mir immer klarer, dass ich mich wohl doch bei der "Gilde der Narren" bewerben sollte. Du liebe Zeit. Das war nur ein Fass! Ein blödes leeres Holzfass! "Ich Hornochse". Wütend trat ich nach dem verachteten Objekt der Niederlage meiner Würde; dem geistigen Spiegel, der mir meine eigene Dummheit ins Gesicht warf. "Argh …; ich Trottel!"

Polternd rollte das schwere Eichenfass über den Hof und hätte beinahe meine beste Legehenne Berta überrollt. Mich bei Berta höflich entschuldigend – wie das Narren eben so tun - rollte ich das Fass ein Stück weg, um die Henne wieder zu beruhigen. Zu meiner Entschuldigung merke ich an: "Ich liebe nun einmal hart gekochte Hühnereier zum Frühstück."

In diesem Augenblick brannte sich ein kleines Zeichen in meine Augen, welches sich auf der Unterseite des Fassbodens hinter dem Herstellerstempel versteckt hatte:



Wohl an - mein lieber Freiherr – mir dünkt, wir sollten uns mal unterhalten.

(Die letzte Fortsetzung folgt)

© Pinienwald / Die Handelsgilde – der Erfolg spricht für sich









"An nescis, mi fili, quantilla prudentia mundus regatur?"
"Weißt du denn nicht, mein Sohn, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird?"

(Axel Oxenstierna [1583-1654])





"Apta ferunt magnam tempora rebus opem."
"Die Wahl des rechten Zeitpunkts fördert ein Unternehmen beträchtlich."

(Autor unbekannt)

Eingesandt durch Mausburg



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