Ausgabe 41 | Seite 4 2. März 2008 AD
<<< zurück weiter >>>



Interview mit der Dunklen Gestalt




Da sitzt sie mir leibhaftig gegenüber, die Haube des schwarzgrauen Umhangs weit über den Kopf gezogen. Das Gesicht ist nur schemenhaft zu erkennen, gelegentlich blitzt ein Paar dunkler, fast schwarzer Augen aus dem Dunkel hervor. Ein stechender Blick, der mich zu durchdringen scheint. Trotz der milden Frühlingssonne fröstelt es mich plötzlich. Ein beklemmendes, drückendes Gefühl liegt im Raum.

Um meine Stimme freizukriegen räuspere ich mich, tauche die frischgespitzte Feder in das Tintenfass und beginne mit meinen Fragen.

"Herr, erst einmal Dank, das ihr hier erschienen seid. Es war nun wahrlich nicht leicht euch zu erreichen. Wie darf ich euch anreden, würdet ihr mir euren werten Namen verraten?"

Ein kehliges freudloses Lachen ertönt. Die dunkle Stimme mit einem eiskalten Unterton verursacht Gänsehaut, ich merke, wie sich meine Nackenhaare hochstellen. "Ihr seht doch, wen ihr vor euch habt, oder seid ihr blind? Die Dunkle Gestalt werd ich genannt seit Menschen auf der Erde wandeln. Dies soll euch Sterblichen Name genug sein!"

"Herr, ihr seid im Reiche Regnum mittlerweile in aller Mund, die Obrigkeit warnt vor euch. Auch gibt es Berichte aus vielen Städten, die ihr auf eurer Reise besucht habt und vor einige schwierige Herausforderungen gestellt habt."

"Pah, die sogenannte Obrigkeit", höhnt die Dunkle Gestalt. "Kann man den Schatten fangen? Das Dunkel der Nacht? Und was heisst schwierige Herausforderungen? Lächerliche Aufgaben zu meiner Erbauung, ein kleiner Zeitvertreib, mehr nicht!"

Meine Hand zittert leicht, als ich die Antworten auf das Pergament notiere. "Gewiss, gewiss, da gibt es viele Städte, die diese Aufgaben ohne grossen Mühen erledigen konnten. Aber was ist mit den kleineren Städten? Hier gab es doch manch betroffene Gesichter, da sie eure Forderungen wegen der leeren Stadtschatulle nicht erfüllen konnten.

Könnt ihr denn nicht wenigstens die Anfänger und die kleinen Städte verschonen?"

Das freudlose Lachen durchdringt wieder den Raum. "Habe ich jemanden gezwungen, bei meinem kleinen Spiel mitzumachen? Gibt es nicht sogar eine grosszügige Frist? Und jede Stadt, die es geschafft hat, sich einige Zeit im Reiche Regnum zu behaupten, muss mit meinem Besuch rechnen."

Er fährt fort: "Es soll auch ein jeder sich selbst prüfen, ob er überhaupt in der Lage ist, einen meiner Aufträge anzunehmen. So haben es vorwitzige Schreiberlinge gewagt, im Forum einige Geheimnisse zu verraten. Auch gibt es Krämerseelen, die gezielt die geforderten Questwaren auf dem Markt zu aberwitzigen Preisen verkaufen. Es gibt also genug Hinweise für die Zagenden und Zögernden.

Und für die Wagemutigen gibt es auch andere Wege an die Waren zu kommen. Gibt es doch hilfsbereite Menschen im Forum, die ihre Hilfe anbieten. Und nicht zu vergessen die Gilden, die ihren Mitgliedern zu fairen Preisen aushelfen. So soll es auch ein Test sein, ob jemand seinen Stolz überwinden kann und andere Sterbliche um Hilfe bittet. So schwach ihr Menschen seid, gemeinsam schafft ihr gelegentlich Beachtliches."

Fortsetzung nächste Spalte





Interview mit der Dunklen Gestalt
(Fortsetzung)

"Aber was passiert mit Quests, die nicht angenommen oder erfüllt werden? Sind diese auf immer und ewig verloren? Oder gibt es Hoffnung?"

Seine Augen blitzen auf. "Das, mein schreibender sterblicher Freund, wird die ferne Zukunft zeigen. Aber zur Zeit ist es so, dass mein Bann und mein Fluch auf dieser Stadt liegt. Es gibt nun einmal Gewinner und Verlierer."

Meine Feder kratzt hastig über das Pergament, die Tinte wird leicht verwischt. Kalter Schweiss läuft mir über mein Gesicht und meinen Nacken.

"Wenn ihr schon von der Zukunft sprecht: sind weitere Herausforderungen geplant? Werden diese noch anspruchsvoller sein?"

Ein kurzes Auflachen der Dunklen Gestalt. "Zukunft, was ist die Zukunft? Was für euch Jahre eures mühevollen kurzen Lebens sind, sind für mich nur Sekunden.

Sicherlich werde ich die Menschen weiter prüfen. Es wird neue Aufgaben geben, bald, sehr bald....."

Ich stammele einen kurzen Dank. Grusslos erhebt sich die Dunkle Gestalt. Erschöpft schliesse ich kurz für Sekundenbruchteile die Augen. Als ich sie wieder öffne, bin ich allein im Raum. Verwirrt starre ich auf die verriegelte Tür und die geschlossenen Fenster.

Ein Blick auf mein Pergament zeigt, dass dieses Gespräch tatsächlich stattgefunden hat. Wo ist diese geheimnisvolle Gestalt hin? In welcher Stadt wird er soeben wieder aufgetaucht sein, um seine Forderungen zu stellen?

Gott sei uns allen gnädig.....

© Max Hohenstein, Chronist von Wulferisbuttle






Zofe Adelgunde berichtet

Immer noch habe die ganzen Kinder, die ihre Eltern verloren haben, auf dem Hals. Aber ich habe mich mittlerweile an sie gewöhnt. Sie sich auch an mich. Wir gehen jetzt gern spazieren. Dann spielen sie auf dem Markt, ich habe sie im Auge und kann nebenher mit den Zofen schwatzen, die sich dort immer treffen. Endlich bin ich auch wieder dabei. War in den letzten Monaten ganz abgeschnitten von der Welt. Diese blöde Krankheit. Wen interessiert schon sowas?

Es hat ein wenig gedauert, bis ich alle Neuigkeiten erfahren habe. Die eine Dame mit den Schmied, während der Mann mit dem Schmiedegesellen. Das ist interessant, aber ich sage natürlich nicht, wen es betrifft. Aber irgendwie seltsam ist das schon, denn die Frau des Schmiedes ist sehr viel mit der Schwester des Gesellen zusammen. Das muss ich weiter beobachten.

Dann natürlich der Müller von der Ecke. Er hat gerade geheiratet und sich seine große Leidenschaft und Liebe ins Haus geholt. In die Mühle, muss ich mich korrigieren. Alles lief hervorragend, wir wurden neidisch, denn wer hat schon den Luxus, aus Liebe heiraten zu können? Doch wohl kaum jemand von uns, weder von uns Zofen noch von den Damen. Die hatten das wohl.

Aber nun sieht das alles ganz anders aus. Die Herzensdame war zu gern mit dem Knecht des benachbarten Bäckers, eines guten Geschäftsfreundes, zusammen. Und neulich gab es so lautes Geschrei, dass alle es gehört haben. Naja, nicht alle, aber viele. Nun gut, einige. Er, der Müller, soll gebrüllt haben: "Wenn ich den hier noch einmal finde. Zusammen mit dir." Dann sollen die Zinnteller an die Wände geflogen sein, dass es nur so gescheppert hat und sie soll dann geheult haben. Laut und deutlich hatte sie sich wieder beklagt, er könne ja wohl nicht das Geschirr ihrer Mutter an die Wände werfen und überhaupt wäre alles besser, wenn er ein besserer Mann sei. Die Frage ist nur, auf welche Art sie ihn sich als besseren Mann wünscht. Das haben wir noch nicht heraus gefunden, wir Zofen. Aber wir erfahren alles....

Eure Adelgunde




<<< zurück Tagblattarchiv weiter >>>