Bei den zahlreichen Lösungseinsendungen lag der Schwerpunkt hauptsächlich auf drei Namen: Dschingis Khan (als von mir ausgelegte falsche Spur), Timur Lenk (Tamerlan, Timur-i-Lenk, Amir Temur, Timur, ... als richtige Lösung) und Attila (überraschenderweise). Je nachdem, zu welcher Lösung man kam, war auch die Falschaussage eine andere. Im Zusammenhang mit Timur war aber nur die Nr. 5 definitiv falsch. Nachfolgend möchte ich alle neun Punkte für jede der genannten Personen durchgehen und klären, ob sie zutrifft oder nicht. Vorweg nur eines: Als Mittelalter gilt allgemein die Zeit von 500 n.Chr. bis 1500 n.Chr. Attila, der 453 n.Chr. starb, gehört eigentlich noch in die Antike und käme für ein „Mittelalter-Rätsel“ grundsätzlich nicht in Frage.
1. Ich entstammte einem mongolischen Stamm
Attila war Hunne. Dieser Name war ein Sammelbegriff für alle Völker und Volksgruppen, die nördlich und östlich des Schwarzen Meeres bis Zentralasien siedelten. Bis heute ist nicht sicher, wie sie sich ethnologisch zusammensetzten. Ihre mongolisches Aussehen in späteren Darstellungen entsprang damaliger Fantasie.
Timur und Dschingis Khan waren Mongolen, die viel weiter östlich im heutigen China und Russland lebten.
- je einen Punkt für Timur und Dschingis
2. Ich erhielt einen nicht gerade schmeichelhaften Beinamen
Attila wurde “Geißel Gottes” genannt,
Timur hieß wegen seiner körperlichen Beeinträchtigungen “der Lahme”,
Dschingis wurde mit “ der Schmied” oder „der Eiserne“ übersetzt.
Aus damaliger Sicht eines Eroberers war wohl „der Lahme“ am wenigsten schmeichelhaft, daher
- einen Punkt für Timur
3. In unzähligen Kriegen eroberte ich ein riesiges Reich
Attila, Timur und Dschingis eroberten große Reiche, das von Dschingis war noch das größte.
- je einen Punkt für alle drei
4. Ich zerstörte viele Städte und plünderte die eroberten Lande
In jedem Feldzug damals wurde zerstört und geplündert. Attila führte seine Feldzüge zwar auch mit für damalige „westliche“ Verhältnisse äußerst grausam, dürfte sich im Vergleich zu Timur und Dschingis dabei wie ein Waisenknabe ausgenommen haben.
Die Zerstörungswut und –kraft der Mongolen ist schließlich legendär.
- je einen Punkt für Timur und Dschingis
5. Ich unterband den Handel auf der Seidenstrasse
Attila’s Reich, reichte niemals auch nur in die Nähe der Seidenstraße, die im Westen in Persien endete.
Timur saß in seiner Stadt Samarkand mitten drauf und auch Dschingis Khan hatte weite Teile der Seidenstraße in seinen Herrschaftsbereich einverleibt. In beiden Fällen war der Handel zwischen Persien und China einigermaßen sicher vor Überfällen und erfuhr einen Aufschwung. Timur war aber derjenige, der den auflebenden Handel aktiv förderte, weil in seiner Heimat viele große Handelszentren lagen: Taschkent, Buchara, Samarkand, Urgentsch, Merv, ... Damit ist diese Aussage auch definitiv eine Falschaussage!
- je einen Punkt für Timur und Dschingis
6. Meine Heimat Transoxanien erlebte dagegen eine kurze Blüte
Attila hatte seinen Hauptsitz im heutigen Ungarn (Pannonien).
Timurs Hauptstadt Samarkand liegt in Transoxanien. Unter Timur blühten die zuvor schon von Dschingis Khan zerstörten Städte und Oasen wieder auf, vor allem, weil er unzählige Arbeitskräfte in den Ausbau seines Machtzentrums steckte.
Dschingis hatte sein Hauptquartier in der Stadt Karakorum in der Mongolei, weit entfernt von Transoxanien.
- Punkt für Timur
7. Ich starb auf meinem letzten Kriegszug
Attila starb zu Hause in der Hochzeitsnacht.
Timur starb auf seinem Feldzug gegen China.
Dschingis starb auf dem Weg zu einer Strafexpedition.
- je einen Punkt für Timur und Dschingis
8. Mein Reich zerfiel gleich nach meinem Tod
Nach Attilas Tod zerfiel sein Reich sofort, viele unterdrückte Völker lösten sich aus dem Verbund und auch seine Söhne vermochten sich nicht mehr zu halten.
Bei Timur war es ähnlich, eroberte Gebiete gingen wieder verloren. Nur die von ihm begründete Dynastie überdauerte im Kernland Transoxanien immerhin gut 50 Jahre.
Dschingis Khan hatte Glück, gute Nachfolger zu haben, die sein Reich 200 Jahre lang erhielten und sogar noch auf fast das doppelte vergrößerten.
- je einen Punkt für Attila und Timur
9. Heute bin ich in meiner Heimat so etwas wie ein Nationalheld
Es gibt zwar in Deutschland einen Attilafelsen und eine Etzelsburg, aber eine Verehrung gibt es auch in Ungarn nicht.
Seit dem Niedergang der Sowjetunion wird Timur dagegen in Usbekistan als Nationalheld verehrt, was auch die neuen Denkmäler in Samarkand, Taschkent und Shaxisabz zeigen sowie das große Interesse der heimischen Archäologen an der Timuridenzeit und ihrer Kultur.
Die “Schwarze Standarte”, das Heerzeichen Dschingis Khans, wird zwar heute noch im Verteidigungsministerium in Ulaanbaatar aufbewahrt, aber eine weitläufige Verehrung seinerseits gibt es ebenfalls nicht.
- Punkt für Timur
Abschließend betrachtet ist also Timur Lenk die einzige Person, die die volle Punktzahl erreicht hat, dicht gefolgt von Dschingis Khan, was ja aber auch Absicht war. Attila ist weit abgeschlagen.
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