Manchmal verstehe ich meine Herrin nicht. Sie strebt nach Reichtum und Geltung, dann aber wieder widmet sie sich den Armen und verschenkt Lebensmittel. Schwer nachvollziehbar. Aber wenn sie mir sagt, ich solle Kirschen ins Armenhaus bringen, dann tue ich das. Das ist meine Aufgabe, dafür bezahlt sie mich.
Aber ach, es sah schon sehr erbärmlich aus, wie die zerlumpten Gestalten dort umher schlichen. Ich bin schnell wieder heimgegangen und habe mich in eine Ecke verzogen, um die Kleidung meiner Herrin zu reparieren.
Ich habe auch anderes zu bedenken. Denn mir geht dieser Schmied nicht aus dem Kopf. Der mit der Schlampe - Sie wissen schon. Vielleicht war es gut, dass ich ihm den Laufpass gegeben habe. Denn wenn der mir schöne Augen macht, aber die andere genommen hat, kann er doch nicht treu sein. So einen Kerl habe ich nun wirklich nicht verdient. Ja, es war gut so und ich werde immer daran denken, wie nah ich der Gefahr war, mein Leben an so einen Mann weg zu werfen. Soll er doch glücklich werden, wie er will. Mit mir wird er aber sein Leben nicht teilen dürfen. Dafür bin ich zu schade.
Und nun? Auf dem Hof ist schwerlich ein Mann zu finden, der meiner würdig ist. Und die Zofen, mit denen ich mich einmal in der Woche zum Gedankenaustausch treffe, werden mir schwerlich eine passende Partie empfehlen. Sind sie doch selbst auf eine solche scharf. Schwer, hier einen Rat zu wissen. Meine Herrin brauche ich erst recht nicht zu fragen. Die will keinen Mann. Aber mal ehrlich, die wird sowieso keinen abbekommen, wie die sich hat. Als Frau sollte man den Kopf vielleicht nicht so hoch tragen.
Ich muss überlegen, wo ich einen netten Mann finden kann. Ach, gäbe es doch nur eine Möglichkeit, Männer kennen zu lernen, ohne sich mit ihnen zu treffen. Dass man sozusagen erst ein wenig aus der Ferne schauen könnte, aber zugleich mit ihnen irgendwie kommunizieren könnte ...
Eure Adelgunde
© Ellisa von Mayenfells
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