Ausgabe 24 | Seite 4 14. Oktober 2007 AD
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Im Jahre des Herrn 1349

Das Klopfen von Eisennägeln, die in ins Holz geschlagen werden, hallt durch die frische Morgenluft. Langsam öffnet Friedrich die verklebten Augen. Wider erwarten hat der Tag wohl noch nicht begonnen, denn kein Lichtschein dringt durch das Fenster in seinen Schlafraum. Vor Schmerzen stöhnend dreht Friedrich sich auf seinem Strohlager um. Bis tief in die Nacht hatte er geweint, bevor er endlich eingeschlafen war. Auch jetzt kann er sein Unglück immer noch nicht begreifen, denn vor einigen Wochen hatte die Welt noch anders ausgesehen. Nach Jahren schlechter Ernten hatten die neuen Methoden der Feldbewirtschaftung endlich Erfolge gezeigt. Die Erträge auf den Feldern waren um das dreifache gestiegen, so dass Friedrich und die anderen Bauern seines Dorfes genug für die nächste Aussaat, die Steuern und die eigene Ernährung zur Verfügung hatten. Seit einigen Jahren hatte der Lehnsherr den Anteil der Steuern, der in Geld abzuführen war, erhöht. Bei fahrenden Händlern verkauften die Bauern ihr Korn, um die so erhaltenen Münzen ihrem Herrn abgeben zu können. Der Preis pro Scheffel orientierte sich dabei unter anderem an der Qualität der Körner. Dieses 1349. Jahr nach Christi Geburt brauchten sich Friedrich und die anderen Bauern des Dorfes keine Sorgen zu machen. Die Körner waren dick und prall, frei von jedem Pilzbefall. Da würde sogar ein kleiner Extragewinn für die Bauern abfallen.
Vor fünf Tagen war es soweit. Begleitet von lustigem Flötenspiel kam der Zug der Händler den schmalen Hohlweg zum Dorf herunter. Nahezu ein Dutzend Vierspänner hielten ächzend unter der Last der Kornsäcke und Waren auf dem Dorfplatz an. Freudig versammelten sich die Bewohner. Nachdem alle Geschäfte des Tages abgeschlossen waren, gesellten sich Bauern und Händler in das dörfliche Wirtshaus. Ein Fass Bier wurde aufgemacht und der Krug von Mund zu Mund gereicht. Dicht gedrängt und umarmend sang und trank man zum Spiel der Fidel bis tief in die Nacht. Was ein schöner Tag das gewesen war! Doch kurze Zeit später kam alles anders.
Denn schon am nächsten Tag fühlte Friedrich sich krank. Ein Drücken in der Lunge verwandelte sich nach kurzer Zeit in einen schmerzhaften Husten mit blutigem Auswurf. Seine Lippen hatten sich blau gefärbt und oftmals war ihm so schwindlig, dass er sich schnell setzen musste, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Seiner Frau und seinen beiden Söhnen erging es mittlerweile nicht anders. Schließlich traf es auch andere Dorfbewohner. Bei einigen bildeten sich rote Flecken auf der Haut, anderen wuchsen blutige Beulen am Hals und wieder andere hatten schwarz verfärbte Fingerkuppen. Es schien, als würde niemand, gleich welchen Standes er auch sei, verschont werden. Gestern schließlich starben seine geliebte Frau und seine beiden Söhne. Auf einem Karren waren ihre leblosen Körper abgeholt und mit den Toten der anderen Familien verbrannt worden.
Schluchzend vergräbt Friedrich sein Gesicht in seinen Händen. Allein und krank, benommen vor Schmerz betet er immer wieder: „Gott, was habe ich nur getan? Welcher Sünden strafst Du mich?“

© Janaris









Der Keiser als Spileman
(Walther von der Vogelweide

Ob ich mich selben rüemen sol,
sô bin ich des ein hübescher man,
daz ich sô manege unfuoge dol
sô wol als ichz gerechen kan.
ein klôsenære, ob erz vertrüege? ich wæne, er nein.
hæt er die stat als ich si hân,
bestüende in danne eine zörnelîn,
ez wurde unsanfter widertân.
swie sanfte ichz alsô lâze sîn,
daz und ouch mê vertrage ich doch dur eteswaz.

Frouwe, ir sît schoene und sît ouch wert:
der zwein stêt wol genâde bî.
waz schadet iu daz man iuwer gert?
joch sint iedoch gedanke frî.
wân und e wunsch daz wolde ich allez ledic lân:
höveschent mîne sinne dar,
waz mag ichs, gebents iu mînen sanc?
des nement ir lîhte niender war:
sô hân ichs doch vil hôhen danc.
treit iuch mîn lop ze hove, daz ist mîn werdekeit.


Frouwe, ir habt mir geseit alsô,
swer mir beswære mînen muot,
daz ich den mache wider frô;
er schame sich lîhte und werde guot.
diu lêre, ob si mit triuwen sî, daz schîne an iu.
als fröwe iuch, ir beschwærtet mich:
des schamt iuch, ob ichz reden getar,
lât iuwer wort niht velschen sich,
und werdet guot: sô habt ir wâr.
vil guot sît ir, dâ von ich guot von guote wil.


Frouwe, ir habet ein werdez tach
an iuch geslouft, den reinen lîp,
wan ich nie bezzer kleit gesach:
ir sît ein wol bekleidet wîp.
sin unde sælde sint gesteppet wol dar in.
getragene wât ich nie genam:
dise næm ich als gerne ich lebe.
der keiser wurde ir spileman,
umb also wünneclîche gebe,
dâ keiser spil. nein, hêrre keiser, anderswâ!














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