"Abgesang"
"uns ist in alten maeren wunders vil geseit
von helden lobebaeren, von grozer arebeit,
von fröuden, hochgeziten, von weinen und von klagen..."
Fast fünf Jahre ist es nun her, daß wenige Wackere das Tagblatt aus der Taufe hoben. Wenn ich recht gezählt habe, waren es vier! Mit großer Lust am Fabulieren steuerten sie in der ersten Ausgabe Geschichten über ihre Weiler und Dörfer bei, griffen Themen aus der Geschichte auf und hüllten so das Spiel der nackten Zahlen in ein Gewand aus Witz und Phantasie. Auch einen Leitartikel gab es bereits... im Laufe der Jahre sollte er sich oftmals als "Leidartikel" für den entpuppen, der ihn zu schreiben hatte. Der Abwechslung halber konnte man ihn auch Lightartikel nennen, dann hatte die Muse den zuständigen Redax wohl überfallartig abgeküßt.
Natürlich reichen vier Leute nicht für eine ordentliche Redaktion: da müssen nicht nur Texte verfaßt und korrigiert werden. Die fertigen Artikel müssen auch gesetzt werden, das fordert Kunst- und Sachverstand, und nur Lettern... sagt: wer mag schon nur lesen? Bilder gehören auch in so eine Zeitung, die gefunden und in die Spalten eingepaßt werden wollen! Zudem hat sich in der Neuzeit das "Recht am eigenen Bild" entwickelt, das es zu beachten gilt - längst nicht alles, was man im weltweiten Gewebe anschauen darf, ist auch zur weiteren Veröffentlichung freigegeben. Aufgabe der Drucker und Schriftsetzer ist es also seither gewesen, auf die Beachtung dieses Gesetzes ein sorgfältiges Auge zu haben.
Schon für die zweite Ausgabe hatte sich die Redaktion um 50 % vergrößert und die ersten Kleinanzeigen erschienen. Es war nicht immer leicht, die Anbieter davon zu überzeugen, daß ein Inserat im Tagblatt den Absatz und Handel fördern würde. Die Erfahrung lehrt aber, daß längst nicht alle Spieler die Angebote und Nachfragen im allgemeinen Forum lesen! So eine Zeitung, von fleißigen Boten (meist) pünktlich am Hoftor abgegeben, trägt der Bequemlichkeit Rechnung und hilft einem überlasteten Verwalter, Handelspartner zu finden.
Von Anbeginn an gehörte ein neues Rätsel in die Zeitung, "Sonntagsrätsel" genannt, das die ganze Familie beschäftigte. Wortwitz, Kenntnis - und Verläßlichkeit gehörten dazu, sie nicht nur zu erdenken, sondern auch kunstvoll zu Papier zu bringen und den ratenden Rede und Antwort zu stehen. Recht bald kamen auch die Wettbewerbe ins Tagblatt - für manche vielleicht der einzige Grund, einmal hinein zu sehen.
Auf großes Interesse stießen die Kochrezepte. Was lag näher, dann auch Ausflüge in die Botanik zu unternehmen und Wissenswertes über Gewürze, Kräuter, Heilpflanzen zusammenzutragen? Der Kräuterhexe gesellte sich die Wetterhexe zu, sah in ihre Glaskugel und sagte dem Landmann voraus, ob er das Feld bestellen könne, der Regen ausbliebe oder die Ernte verhagelt werde. Und durch den Schlenker ins Phantastische lag dann ein Ausflug in die Märchenwelt auch nicht mehr fern. Jedes Jahr freuten sich die Leser Tag für Tag, ein neues Türchen am Adventskalender aufzumachen.
Das Tagblatt führte uns durch Schlösser und Burgen von der Loire bis an den Main. Sprechende Steine fanden sich in Klöstern und Kathedralen, die uns die alten Bilder erklärten. Wir begegneten den Mythen der Indiander und den Riten und Bräuchen der Nordmänner. Wir lernten verschiedene Persönlichkeiten kennen. Zu hören war von heute unbekannten Handwerken, von großen Königinnen oder Kaisern.
Rund tausend Jahre wollten beleuchtet werden - von der Völkerwanderung bis zur Reformation.
So hat die Redaktion im Verlauf von fast fünf Jahren versucht, dem Spiel weitere Farbtupfer hinzuzufügen. Es hat viel Freude gemacht. Wir haben bei der Recherche zu den Artikeln immer wieder auch selber viel gelernt. Manche würden das Projekt gerne weiter führen, aber derzeit sind wir wohl zu wenige. Also lassen wir hier einen dicken Schlußpunkt fallen.
@ Amhara zu Agorá und Thalassa von Kerygma
Endgültiger Abschied
Es ist kaum zu glauben. Das Tagblatt soll es wirklich nicht mehr geben. Lange Zeit war es für mich neben den Aktivitäten im Spiel ein schöner Zeitvertreib in der Redaktion mitzuwirken. Alle Aufgaben, bis auf Rätsel erstellen, habe ich dabei schon übernommen. Mit dem Schreiben von Geschichten hatte es einst angefangen. Viele Redakteure sind gekommen und gegangen. Wir sind nun die Letzten, die hinter uns das Licht ausmachen müssen. So ist es an der Zeit Danke zu sagen. Danke an die Spielleitung von upjers, dass sie ein solches Projekt in die Hände von uns Spielern gegeben haben. Danke aber auch an euch Spieler. Unser Ziel war es immer gewesen jede Woche eine Zeitung voller Unterhaltung für euch zu bieten. Mir hat es viel Spaß gemacht.
So schaue ich genau wie ihr voller Neugier auf das was upjers in Zukunft zaubern wird. Ich wünsche euch wie mir weiterhin viel Spaß in Kapi-Regnum.
Eure Landrichterin
Wilmundheim vor der Hart
Zum Abschied .....
Nun ist es soweit. Die letzte Runde des bestehenden Tagblatts wird mit dieser Ausgabe eingeläutet. Mit traurigen Augen winke ich zurück auf eine schöne, aber doch viel zu kurze Zeit mit dem gesamten Tagblatt-Team. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Mitgliedern und dem upjers-Team für die Aufnahme, das mir entgegengebrachte Vertrauen, die Zusammenarbeit, das Engagement und die Durchführung des Projektes “Von Spielern - für Spieler” bedanken. Mir hat es sehr viel Spass gemacht mit Euch zusammen das Tagblatt zu gestalten und somit einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten. Es wird mir fehlen ....
Viele Jahre begleitete mich Kapi-Regnum. Mein Interesse galt besonders den herrlichen Wettbewerben, die mir ungemeinen Spass bereiteten. Aufgrund der WBWs konnte ich eine Menge Kontakte zu Spielern knüpfen und ich erhielt helfende Hände aus den unterschiedlichsten Ecken. Ohne Euch wäre vieles so nicht möglich gewesen!
Neben den vielen tollen Verbindungen, die ich knüpfen durfte, standen jedoch auch viele menschliche Verfehlungen an der Tagesordnung. Schnell bemerkte ich die teilweise sehr befremdlichen Charakterzüge, die aufeinanderprallten. Um mich diesem ein bisschen zu entziehen und für die Gemeinschaft etwas Sinnvolles zu gestalten, trat ich in die Tagblattredaktion ein. Dort stellten für Euch engagierte Menschen Woche für Woche eine lesenswerte Zeitung mit interessanten Themen rund um das Mittelalter zusammen - ein wirklich tolles Projekt. Mit der Bekanntgabe des Endes des Tagblatts stand für mich fest, auch das Spiel zu verlassen. In der letzten Woche spürte ich wieder den Reiz an den Wettbewerben und wollte meinen Entschluss reiflich überdenken.
Die hässlichen und beschämenden Schreie in W4 der letzten Tagen allerdings betätigen wieder einmal meine Denkweise und ich werde mich zukünftig einer neue sinnvolleren Freizeitgestaltung mit realen Aufgaben und Herausforderungen stellen.
An die schönen Stunden mit Euch werde ich mich noch lange erinnern.
Somit bleibt mir jetzt nur noch herzliche Grüße an Euch zu senden mit viel Spass am Spiel. Ich wünsche Euch für die Zukunft ein sorgenfreies, gesundes, glückliches und erfolgreiches Leben.
Eure Sissi
Zapfenschlag
Schallendes Gelächter dröhnte durch die Nacht. Trommel, Dudelsack, Drehleier und Gesang der Spielleute mischten sich dazu. Immer wieder wurden Becher voller Hypocras erhoben. Der Geruch von gebratenem Huhn am Spieß wehte durch das Lager. Die Landsknechte hatten am Abend nach einem langen Marsch ihr Lager aufgeschlagen. Wie immer tummelte sich allerlei Volk im Lager. Neben den Tagelöhnern und Handwerkern war auch jede Menge Weibsleut da. Wäscherinnen, Marketenderinnen und Huren. Sie alle feierten den Sieg gleichermaßen. Nur dem Profoss wurden misstrauische Blicke zugeworfen. Gleich war Zeit für den Zapfenschlag. Trommler und Pfeifer standen schon bereit.
Die Order kam einige Wochen zuvor von Fundsberg persönlich. Wie schon oft sollten sie gegen die Bauern vorrücken und die Aufstände beenden. Ihr Ruf war ihnen bereits vorausgeeilt. Die Erbarmungslosigkeit gegenüber ihren Gegnern lies allen das Blut in den Adern gefrieren. So war es auch dieses Mal gewesen. Dicht gedrängt war der Gevierthaufen gegen die Bauern vorgerückt. Im Kampfgetümmel geschah es dann. Einer der Männer stieß seine Pike mit voller Wucht in den Rücken seines Opfers. Doch kaum einer konnte von den neuerlichen Grausamkeiten berichten. Alle wurden nieder gemetzelt. Aber doch …
Durch das leicht geöffnete Fenster kam eine frische Brise ins Zimmer geweht. Draußen war es schon dunkel. Aus dem Arbeitszimmer drangen das Licht einer Kerze und das Kratzen einer Feder. Neben dem Schreibtisch lagen unzählige zusammengeknäulte Pergamente. Dann trat einen Moment Stille ein. „Unglaublich“ Und wieder beugte sich Landrichterin tief über ihr Schriftstück. Sie war mit ihrem Text schon überfällig. Der Redaktionsschluss war bereits am Donnerstag. Aber dies würde eine besondere Tagblatt-Ausgabe. Die letzte Ausgabe der Redaktion. Der Sekretär von Nasenprinz hatte ihnen diese Nachricht vor einiger Zeit kundgetan.
Gedankenverloren und mit leerem Blick starrte sie aus dem Fenster ins Dunkel. Sie hatte die Nachricht kaum fassen können. Auch die anderen Redakteure waren entsetzt gewesen. Es waren noch so viele Projekte nicht beendet. So viele Geschichten nicht zu Ende erzählt. Nun sollte alles ein Ende finden.
© Landrichterin
Wilmundheim vor der Hart