Ausgabe 234 | Seite 2 22. Januar 2012 AD
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Kopfgrafik - ? upjers GmbH & Co. KG

Sprechende Steine

Das, was uns selbstverständlich ist, die Fähigkeit des Lesens und Schreibens, war für den Menschen des Mittelalters bis zu Zeit der Reformation das Vorrecht einer kleinen Minderheit. Selbst der Adel und die Könige hatten ihre Schreiber und Vorleser.

Symbole an den Wänden waren wie Bilderbücher. Hier konnte man erfahren, um was es in der Bibel eigentlich ging. Welche gewaltige Umwälzung, ja Revolution zur Zeitenwende, war die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther im Zusammenwirken des Drucks des ersten Buches, der Bibel, durch Johannes Gutenberg. Es lernten immer mehr Kinder auch in den Dörfern Lesen und Schreiben. Jetzt hatten die Menschen einen direkten Zugang zum Wort Gottes und brauchten keine Mittler in Gestalt von Priestern mehr. Niemand konnte mehr dem anderen ein X für ein U vormachen.

Fortsetzung H
Hahn

Noch heute sehen wir oft auf der Spitze des Kirchturms neben dem Kreuz einen Wetterhahn, der uns die Windrichtung und seine Geschwindigkeit anzeigt. Im europäischen Raum wurden ab dem 8. Jahrhundert Schiffsmasten mit Windfahnen aus Stoff oder Metall versehen, von denen aus dem Nord- und Ostseeraum mehrere erhalten blieben. Für das europäische Festland ist eine Verwendung ab dem 11. Jahrhundert anzunehmen, frühe originale Wetterfahnen sind aber erst ab dem 15./16. Jahrhundert erhalten geblieben. Im deutschsprachigen Raum wurden sie insbesondere auf Rathäusern, Schlössern, Burgen, Kirchen und Bürgerhäusern verwendet. So ist der Wetterhahn zuerst kein religöses Symbol gewesen, sondern versinnbildlichte die Wachsamkeit. Bei den Ägyptern und Syrern stand er für den Tagesanbruch, meldete er doch den ersten Sonnenstrahl. Bei den Griechen war er neben der Eule der Begleiter der Göttin Athene und stand für Kampfeslust. Wer einmal gesehen hat, wie zwei Hähne aufeinander losgehen, um ihre Hennen zu verteidigen, kann das nachvollziehen. In der nordischen Mythologie taucht er als Wecker und Wächter auf und gilt als Wetterprophet. Steckt davon noch etwas im alten Kinderlied: "Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt, wie es ist."?

So ist der Wetterhahn kein speziell christliches Symbol. Er hat erst später eine religiöse Deutung erhalten; zuerst war er Fahne oder Zeichen des jeweiligen Herrschers. Wetterfahnen dienten dabei nicht nur der kurzfristigen Wettervorhersage, sondern waren auch als Haus- und Schutzzeichen bedeutsam. In einzelnen europäischen Ländern (Frankreich, Schweden) war die Verwendung von Wetterfahnen dem Adel vorbehalten und bedurfte einer königlichen Genehmigung.

Klassischer Wetterhahn - aufgenommen von Arne Koehler - Quelle Wikipedia Was hat der Hahn auf dem Dach des Kirchturms zu suchen? Die erste bekannte Erwähnung eines Wetterhahns stammt aus dem 9. Jahrhundert. Bischof Rampertus von Brescia hat demnach im Jahre 820 einen aus Bronze gießen und auf dem Turm der Kirche San Faustino Maggiore anbringen lassen. Das Krähen des Hahnes in bestimmten Zeitabständen ist so regelmäßig, dass er unseren Vorfahren den Wecker ersetzte. Der erste Hahnenschrei zwischen 2 und 3 Uhr bezeichnete den Beginn der vierten Nachtwache. Der Hahn krähte dreimal, als Petrus Jesus verleugnete. Daher gilt er auch als Symbol der Wachsamkeit. Als Wetterhahn auf dem Kirchturm dreht er den Kopf immer gegen die Windrichtung, was man von manchen christlichen Zeitgenossen nicht immer sagen kann.

In Matth. 26,30ff und in Mark.14,26ff verleugnet Petrus Jesus, als dieser verhaftet worden war. Jesus sagte es ihm voraus: "Ehe der Hahn dreimal kräht, wirst Du leugnen, mich zu kennen." So finden wir schon in der frühen christlichen Kunst den Hahn als Attribut des Apostels Petrus. Er findet sich allein auf zwölf Sarkophagen im Lateran-Museum in Rom. Sie sind auf das 3.- 5. Jh datiert. In Venedig finden wir ein Mosaik aus dem 6.Jh. Das Bronzeportal der Kathedrale von Modena stammt aus dem 12. Jh. Im Amsterdamer Rijksmuseum befindet sich ein Fußbodenmosaik aus der Theodorusbasilika, das den Kampf zwischen Licht und Finsternis in Form eines Hahns und einer Schildkröte zeigt. Der Hahn steht für Christus, die Schildkröte (ital. tartaruga = im Verständnis jener Zeit = tartarus - Hölle) steht für die Unterwelt. Im 13. Jh. findet sich im Naumburg Dom wieder eine Darstellung zur Passion Jesu und dem krähenden Hahn auf dem Westlettner. Lettner kommt von lat.: lectorium „Lesepult“. In den Stifts-oder Klosterkirchen gab es mehrere Pulte. So, nun könnt ihr eure eigenen Entdeckungen machen.

Wappen von Duszniki Zdrój (Bad Reinerz)

Hier ist der Heilige Petrus mit Hahn und Schlüssel auf dem Stadtwappen der polnischen Stadt Duszniki-Zdrój zu sehen.

Hase

Im Mittelalter spaltete sich nicht nur die orthodoxe von der katholischen Kirche (darauf näher einzugehen sprengt hier den Rahmen. Das wäre ein Extrathema), man betrachtete auch die Lebewesen verschieden. In der Ostkirche stand der Hase auch für die Auferstehung und Wiedergeburt, weil er angeblich die Augen im Schlaf nie schließen soll.

In der Westkirche, der römisch-katholischen, hatte er kein eindeutig gutes Image. Er galt als magisches Wesen, da er dämmerungsaktiv ist. In Verbindung mit dem zu- und abnehmenden Mond symbolisiert er nicht nur die Wiedergeburt, sondern auch die Vergänglichkeit. Die Hasenfenster in Paderborn und im Kloster Muottatal in der Schweiz, bei denen drei Hasen jeweils zusammen nur drei Ohren haben, die zusammen ein Dreieck bilden, können als Symbol für die Dreifaltigkeit aufgefasst werden, und bilden wohl den Lauf und das Vergehen der Zeit ab. Ebenfalls als Dreifaltigkeitssymbol können die drei Hasen angesehen werden, die auf Dürers Holzschnitt von 1497 "Die Heilige Familie mit den drei Hasen" dargestellt sind und in dem ein Hase dem anderen die Pfote auf die Schulter legt und auf den davonhüpfenden dritten zeigt. Andererseits sagte man dem Hasen eine verschlagene Schlauheit bis hin zur Verrücktheit nach. Bei aller sorgfältigen Naturbeobachtung gehen allerdings Europäischer Feldhase und das aus Spanien stammende Kaninchen in der mittelalterlichen Sprachbilderwelt munter durcheinander.

Maria und Elisabeth, die beiden schwangeren Frauen in den Evangelien, werden häufig mit Hasen als Fruchtbarkeitszeichen abgebildet, wie es auf dem Flügelalter des Freiburger Münster geschieht. Die Bilder des Altars sind von Hans Baldung Grien aus dem Jahr 1516. Zwei Kaninchen spielen hier zu Füßen der Mutter Jesu und der Mutter Johannes des Täufers.

Im jüdischen Kulturkreis gilt der Hase als unrein.

Nun, gehabt Euch wohl und seid behütet vom Licht des liebenden Vaters, taucht wieder auf aus dieser, uns modernen Menschen so fremden Zeit, bis die Steine der alten Gemäuer der Kathedralen das nächste Mal zu uns sprechen.

© Thalassa von Kerygma

Jemanden ins Bockshorn jagen

Wer jemanden ins Bockshorn jagt, will ihn in die Enge treiben und in aller Regel zu einer bestimmten Handlung oder Äusserung zwingen. Zumindest ist die heutige Verwendung dieser Redensart so zu deuten.

Im Mittelalter wurde das sprichwörtliche Bockshorn recht unterschiedlich verwendet. So wurde auch ins Bockshorn gestossen, geblasen und ähnliches. Bereits im 15. Jahrhundert war wohl die ursprüngliche Herkunft und Bedeutung nicht mehr ganz klar.

Es gibt heute recht zahlreiche und unterschiedliche Erklärungen über „ins Bockshorn jagen“.

Die naheliegendste Erklärung ist wohl die tatsächliche Bedeutung des Wortes Bockshorn. Wenn man jemanden in die Hörner eines (wütenden) Bockes treibt, ist dies alles andere als angenehm.

Auch der Bockshorn(klee) muss als eine der gängigen Erklärungen herhalten. Auch wenn die Pflanze ein wenig übel riecht, erschliesst sich aber nicht, was die Strafe ist, jemanden in ein Beet oder Feld mit diesen Pflanzen zu jagen.

Im Mittelalter wurden Angeklagte in ein Bocksfell (bockeshamo) gezwängt. So wurden ihnen dann ihre Vergehen vorgelesen. Manchmal bestand auch die Bestrafung darin, dass der Verurteilte in ein Bocksfell genäht und durch das Dorf getrieben wurde.

Im Mittelalter waren die Menschen sehr religiös und sehr abergläubisch. Es gab kaum Flüche und Verwünschungen ohne religiösen Bezug. Da man aber nicht den Zorn Gottes auf sich ziehen wollte, indem man ihn zu Unrecht anrief, benutzten die Menschen andere Bezeichnungen für Gott. So gab es zum Beispiel die gängige Umschreibung Potz (Potz Blitz) oder Box. Vermutlich hat sich aus der Verwünschung Box Zorn im Laufe der Zeit das Bockshorn entwickelt. Unterstrichen wird diese Erklärung noch mit dem Hinweis, dass der Teufel nach der Vorstellung der Menschen Bockshörner trägt.

Es gibt neben den hier genannten noch viele Erklärungen für die Redewendung. Belegt ist hiervon keine.

© St.Kortiniburg - Die Handelsgilde

Anmerkung der Redaktion:
Ihr kennt auch Sprichwörter und Redewendungen, deren Ursprung im Mittelalter liegen und könnt diese erklären? Sendet eine Taube mit eurem Text an das Tagblatt.





Kindheit im Mittelalter

Teil 1

Wunderbarliche geburt uff So[n]tag Jubilate den xi. tag Maij. Anno xvc.xj. Ist zu witerß wyler Zur pfarren//gonmu[n]tzwiler gehörig Straßburger bystums…, 1511 In dieser „Serie“ möchte ich gerne erläutern, wie eine typische Kindheit im Mittelalter ausgesehen hat. Angefangen von der Schwangerschaft, über die Geburt bis hin zum Erwachsenenalter.

Die Kindheit wurde im Mittelalter in 3 „Stufen“ unterteilt:

Die Infantia ist die erste Stufe: frühe Kindheit von der Geburt bis zum Alter von sieben Jahren. Die zweite Stufe ist die Pueritia, die auch Knaben- bzw. Mädchenzeit genannt wurde. Diese Stufe endete bei den Jungen meist im Alter von vierzehn Jahren, bei den Mädchen aber schon mit zwölf Jahren. Als letzte Stufe gab es die Adolescentia, die Jugendzeit, die sich bis hin zum Erwachsenenalter erstreckte.

Die Schwangerschaft

Über den Zeugungsvorgang und den Verlauf der Schwangerschaft war damals in der Bevölkerung sehr wenig bekannt. Selbst ein frühzeitiges Erkennen der Schwangerschaft stellte ein Problem dar, da die medizinischen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Ganz sicher konnte eine Frau sich erst sein, dass sie Leben unter'm Herzen trägt, wenn sich der Bauch gewölbt hat und sie schon Kindsbewegungen gespürt hat (dies ereignet sich üblicherweise im vierten oder fünften Schwangerschaftsmonat).

Während der Schwangerschaft gab es keinerlei medizinische Vorsorgeuntersuchungen, wie wir sie heute kennen. Besonders Frauen der arbeitenden Landbevölkerung erlitten häufig Fehlgeburten durch die schwere Arbeit.

Wo wir nun schon zum nächsten Abschnitt kommen:

Die Geburt

Eine Kindsgeburt war damals reine Frauensache. Der Kindsvater und sogar der gelehrte Arzt durften nicht das Geburtszimmer betreten. Erwähnt sei, dass in der Ausbildung zum Arzt das Thema „Geburtshilfe“ nicht mit eingeschlossen war. So lag die ganze Verantwortung bei der bzw. den Hebammen. Das Risiko der Geburt war sehr hoch, teilweise konnten sogar erfahrene Hebammen nur schwer Hilfestellung geben. Ihr „Job“ war es, der Gebärenden Mut zuzusprechen und sie zu trösten. Kaiserschnitte wurden in Europa erst nach dem 13. Jahrhundert praktiziert, dann auch nur an tote Frauen, um wenigstens das Kind noch zu retten.

Selbst einfachste Hilfmittel wie der Dammschnitt, die Geburtszange oder Wehenverstärker waren wohl weitgehend unbekannt und kamen selten zum Einsatz. So geschah es leider nicht selten, das eine Frau die Geburt ihres eigenen Kindes nicht überlebte. Stand es so, dass sich die Hebammen für ein Leben entscheiden mußten: Mutter oder ungeborenes Kind, so entschieden sich die Hebammen meist für das Leben Mutter.

Wohlhabende Frauen durften die Zeit nach der Geburt im Wochenbett verbringen und sich von den Strapazen der Geburt erholen. Allerdings mußten Wöchnerinnen aus den „Arbeitsfamilien“ kurze Zeit nach der Geburt schon wieder ihrer täglichen Arbeit nachgehen.

© DaLaDorf


Aufruf an Alle !!!

Vielen Dank für die Reaktionen auf unseren Aufruf in der letzten Ausgabe. Da wir nicht genug bekommen können wiederholen wir den Aufruf diese Woche für alle die ihn bisher nicht gelesen haben oder sich bisher noch nicht entschließen konnten.

Das Tagblatt ist ein Projekt von Spielern für euch Spieler. Damit dies auch weiter gelingt, benötigen wir eure Mithilfe. Diesen Tag möchten wir nun auch dafür nutzen und euch alle dazu aufrufen, mit zu machen. Wir sind uns sicher, dass unter euch viele kreative Köpfe sind. Lasst uns daran teilhaben. Ob es nun ein einzelner Beitrag ist oder ob ihr regelmäßig etwas zu sagen habt. Alles ist willkommen. Und dabei sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Zum Beispiel begeistert ihr euch für Sachbeiträge rund um das Mittelalter, schreibt eure Überlegungen zu Gewinnstrategien in Kapiregnum nieder oder ihr verfasst selbsterdachte Geschichten. Die Texte sollten sich entweder um das Mittelalter oder Kapiregnum drehen. Und, was am wichtigsten ist: eure Texte stammen aus der eigenen Feder. Plagiate, das heißt von Anderen Kopiertes, kann aus rechtlichen Gründen nicht verwendet werden. Wir würden uns freuen, von euch zu hören. Ihr fühlt euch angesprochen, würdet gerne mehr erfahren? Oder ihr habt bereits einen Text verfasst? So sendet eine Taube an das Tagblatt. Wir sind sehr gespannt auf eure Einsendungen.

Euer Tagblatt-Team

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