Ausgabe 229 | Seite 13 1. Dezember 2011 AD
<<< zurück weiter >>>

Adventskalender 2011

Fresko - Karlskirche (Wien) © St.Kortiniburg - Die HandelsgildeFresko - Karlskirche (Wien) © St.Kortiniburg - Die Handelsgilde

Wie der Weihnachtsbaumschmuck erfunden wurde

Wie jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit ging ich durch meine Stadt sobald es dämmrig wurde und schaute „unauffällig“ in die Fenster meiner Bewohner, wie sie die Stube geschmückt haben.
Meistens saßen Sie zu der Zeit am Küchentisch und aßen zu Abend, aber alleine der Anblick der nett gemachten Stube erfreute mich jedes Mal.

Manche hatten Strümpfe an der Feuerstelle hängen, die die Mutter vorher in mühsamer Kleinarbeit bestickt hatte, mal bunt, mal einfach beklebt mit Reststücken aus denen sie Tierfiguren oder Tannenbäume ausgeschnitten hatte, mal etwas mehr, mal weniger.

Ich merkte mir jeden Abend, wer in der Straße, durch die ich ging, am wenigsten hatte und sorgte dann „zufällig“ dafür, dass in den nächsten Tagen etwas bei der Familie ankam. Freude schenken macht eben einfach auch Spaß und schließlich achtete ich darauf, dass alle genug Winterholz etc. hatten und da fiel diese kleine Gabe nicht auf. Ich vermute meine Bewohner wussten es ganz genau, aber es wurde einfach nie drüber gesprochen und stillschweigend, schmunzelnd hingenommen.

Die letzten Tage hatte ich manchmal das Gefühl, jemand würde hinter mir her gehen aber wenn ich mich umdrehte konnte ich nichts sehen, auch keine Spuren, denn es hatte ja noch nicht geschneit dieses Jahr. Irgendwann vermutete ich dass es ein Hündchen oder Kätzchen war und ließ das Thema einfach aus meinen Gedanken schweifen.

Einen Abend allerdings, hatte ich wieder das Gefühl und dieses mal ganz stark. So versteckte ich mich hinter einem Holzstapel und wartete………………..Nach einiger Zeit schlich ein kleines Mädchen um die Ecke und schaute sich suchend nach mir um. Als sie an mir vorbeiging, gab ich mich zu erkennen ohne sie zu erschrecken und fragte, was sie da mache.

Sie schaute mich mit großen Augen an, halb ängstlich, halb neugierig und rieb ihre Schuhe gegeneinander bevor sie rumdruckste: na manchmal sprichst du mit den Menschen die dir begegnen und das klingt immer so fein, fast als wäre jeder Satz ein Märchen. Meine Mami kann uns keine Märchen erzählen, sie ist stumm und Vater sagt, er kann so was nicht. Daher hab ich dich heimlich begleitet, aber ich mach es nie wieder wenn du mich bitte bitte nicht ausschimpfst.

Natürlich schimpfte ich die Kleine nicht aus und sagte ihr, sie dürfe mich jeden Abend begleiten, aber nicht mehr heimlich und sie solle sich ausdenken, was sie denn gerne mal für eine Geschichte hören möchte. Sie strahlte über das ganze Gesicht und rannte mit roten Wangen nach Hause um ganz schnell zu schlafen und zu träumen, was sie hören wollte.

Abends im Bett ging mir durch den Kopf, dass es bestimmt einige Familien geben wird, wo Vater oder Mutter abends keine Möglichkeit haben, den Kindern Märchen zu erzählen, weil sie einfach von der Tagesmühe zu erschöpft sind oder Sorgen haben oder oder oder--------so schlief ich ein.

Am nächsten Morgen ging ich als erstes zur Kirche und bat den Pfarrer um ein Gespräch, in dem ich ihm von der gestrigen Begegnung erzählte und meine Idee. Er fand sie toll und wollte sich sogleich an die Umsetzung machen.

Am Abend sagte das kleine Mädchen zu mir, das es so viel geben würde und es sich nicht entscheiden konnte. Ich zog die Kleine zu mir und flüsterte Ihr etwas ins Ohr: sie solle alle Ihre Freunde fragen, was sie gerne für ein Märchen hören wolle und sie sollen es auf einen Zettel schreiben und am Sonntag mit in die Kirche bringen.

Am Sonntag nach dem Gottesdienst sagte der Pastor, dass es etwas zu berichten gäbe und ich stellte mich vor meine Bürger und erzählte von der Begegnung mit „einem“ kleinen Kind, denn ich wollte die Kleine nicht in Verlegenheit bringen und das ich alle Kinder gebeten hatte ihr Wunschmärchen auf einen Zettel zu schreiben und diese nun einsammeln würden. Ab heute würde ich jeden Abend bis zum heiligen Fest hier vor der Kirche um 18h nach Feierabend und vor dem Abendbrot ein Märchen erzählen und am Sonntag nach dem Gottesdienst ……………von diesen Zetteln.

Damit nahm ich den Zettel der Kleinen aus dem Körbchen, ich hatte ihr extra gesagt sie soll ein Kreuz hinten drauf malen, damit ich ihn erkenne, und ging mit den Einwohnern vor die Kirche. Dort hatte der Pastor ein kleines Podest errichtet mit einem Stuhl für mich darauf, darüber spannte sich ein goldfarbener Baldachin, sodass es richtig festlich aussah und davor hatte er mit den Messdienern Bänke aufgestellt. Damit erzählte ich das erste Märchen, denn auf dem Zettel stand:

Wie der Weihnachtsbaumschmuck erfunden wurde.

Es war eine kleine Familie, Mutter, Vater und 3 Kinder. Alle waren sehr fleißig, damit jeden Tag für das Frühstück, ein Mittagessen und warmes Abendessen gesorgt war. Leider wurde durch diesen Fleiß die eigentliche Gemütlichkeit einer Familie etwas vernachlässigt und der Vater war abends oft sehr müde und aufbrausend, wenn die Kinder etwas fragten. An einem Abend war die Mutter mit den Kindern noch dabei, Plätzchen zu backen als der Vater nach Hause kam und somit verzögerte sich das Abendessen. Der Vater war erbost und grummelte vor sich hin, als er sich an den noch mit Mehl bestäubten Tisch setzte und auf sein Abendessen wartete, während die Kinder aufgeregt auf ihn ein plapperten, denn Morgen käme ja das Christkind. Das kleine Tannenbäumchen hatte der Vater schon vor Tagen geholt und die Mutter hatte es mit den Kindern heute in die Stube gestellt damit alles nach frischem Tannengrün roch, neben den Plätzchen eine typische Weihnachtsmischung an Düften. Leider änderte dies alles nichts an der Laune des müden und hungrigen Vaters und er knurrte nur: ich hoffe ihr seid bald fertig, ich schufte nicht den ganzen Tag um abends nicht mal was zu essen zu bekommen wenn ich müde nach Hause komme.

Die Mutter bemerkte den angespannten Ton, aber die Kinder in ihrer Vorfreude nicht und stachen die letzten Plätzchen aus. Dabei musste ein Kind durch Mehlstaub niesen und der Vater war von vorne völlig „ gepudert“. Erst herrschte Totenstille, dann mussten die Kinder und die Mutter fürchterlich lachen, was den Vater völlig aus der Ruhe brachte. Er sprang auf, stieß dabei den Stuhl um und schimpfte laut los während er mit der Faust auf den Tisch schlug……………… Der Tisch gab unter der Wucht nach, das restliche Mehl und die ausgestochenen Plätzchen flogen in hohem Bogen über den Vater hinweg und landeten in dem Weihnachtsbaum. Da der Teig ja noch nicht richtig feste war, sah es nun aus, als wäre das Bäumchen mit einer leichten Schneeschicht überzogen und dazwischen hingen an jedem Zweiglein und Ästchen Plätzchen als Vögelchen, Bäumchen, Herzchen, Hase, Reh und Hirsch, eben alle Formen die vorher ausgestanzt wurden.

Als der Vater die Gesichter seiner Familie sah drehte er sich um und sah was passiert war………..und schmunzelte in seinen Rauschebart. Er drehte sich wieder um und sagte: Das war meine Weihnachtsüberraschung für Euch, der Baum sah so leer aus.

Die ganze Familie lachte bis sie Bauchschmerzen hatte und reinigten gemeinsam den Tisch und es wurde das lustigste Abendessen, was sie seit langer Zeit hatten. Natürlich sprach sich dies rum und plötzlich waren alle Bäumchen geschmückt im ganzen Dorf. Jeder nahm das was er eben über hatte, Stroh, Holz, Bänder, Leder und alle anderen Materialien und im nächsten Jahr tauschte man sogar untereinander und nie wieder stand ein Bäumchen ohne Schmuck in der Stube! So entstand der Weihnachtsbaumschmuck.


Als ich endete hatten die Kinder leuchtende Augen und bei manchen Einwohner glitzerte es verdächtig drin. Nachdem ich von dem Podest gestiegen war, kam der eine oder andere Einwohner zu mir und bat, das er auch einen Zettel ziehen dürfte. Am nächsten Abend wurden eine andere Geschichte erzählt von jemandem Anderen und manche hatten Brot und Wein mitgebracht. So ging es die ganze Woche und am Sonntag waren rund um das Podest auch Tische aufgestellt…………jeder hatte etwas mit gebracht. Brot, Wein, Obst, Plätzchen, Kuchen eben alles was es gab und wir saßen, aßen und lauschten einer nach der anderen Geschichte bis die Dämmerung kam.

So wurde aus dem Wunsch eines kleinen Mädchens nicht nur ein wunderschöner Familienbrauch, sondern so entstand auch der erste Weihnachtsmarkt in den 4 Wochen vor dem Heiligen Abend und bis heute hat sich daran nichts geändert.

Der Brauch wird inzwischen, so wurde mir gesagt, auch in anderen Städten und Dörfern gepflegt, es soll sogar einen Namen dafür geben, der 1. bis 4. Adventssonntag vor dem Heiligen Abend aber wie gesagt……wer weiß schon wo ein Märchen anfängt und die Wahrheit eingreift.

© Kasperski


<<< zurück Tagblattarchiv weiter >>>