Ausgabe 226 | Seite 4 13. November 2011 AD
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"Adora, quod incendisti!"

"Bete an, was du verbrannt hast!"

Worte des Bischofs Remigius bei der Taufe des Königs Chlodwig im Jahre 496 (Zeitzeuge: Gregor von Tours)

von Mausburg


Sprechende Steine

Abschluß des Buchstaben G

Wir werden heute noch zwei sehr unterschiedliche Begriffe betrachten, die miteinander nichts zu tun haben. Aber unser kleines Lexikon christlicher Symbole wäre unvollständig, wenn sie beim Buchstaben G fehlen würden.

Geldbeutel

Kuss des Judas Ischariot; 12. Jahrhundert, unbekannter Künstler; heutiger Standort: Uffizien, Florenz Bei diesem Stichwort fällt den meisten gleich der Verrat des Judas ein, der Jesus an den Hohen Rat und die römische Obrigkeit für 30 Silberlinge ausgeliefert hat. Der Geldbeutel am Gürtel ist das Attribut des Judas. So ist er unter der Vielzahl der Jünger zu erkennen. Der Beutel oder die Truhe ist das Zeichen für Geiz (Avaritia), eine der sieben Todsünden. Der Geiz ist auch Habgier. Da können wir uns mit Recht fragen, wie Gott das Treiben der Banken heute wohl sieht? Tröstlich sind dann Sätze aus dem Alten Testament, in denen der Prophet Hesekiel sagt, dass eines Tages die Menschen Silber und Gold wie Unrat auf die Straße schütten werden, weil sie nicht davon satt werden (Hes. 7, 19) "Ihr Silber und Gold werfen sie wie Unrat auf die Gassen; es kann sie an jenem Tag nicht retten vor dem grimmigen Zorn Jahwes. Sie können damit ihren Bauch nicht füllen, ihren Hunger nicht stillen, denn es war der Anstoß zu ihrer Schuld."

Mit dem Begriff Todsünde (peccatum mortiferum) werden im Katechismus der Katholischen Kirche bestimmte, besonders schwerwiegende Sünden (Mord, Ehebruch und Glaubensabfall) bezeichnet. Nach Tradition der römisch-katholischen Kirche wird die Schwere von Sünden unterschieden. Einerseits ist die „himmelschreiende Sünde“ eine Steigerung der Todsünde, andererseits wird die „lässliche Sünde“ als minderschweres, geringfügigeres Vergehen eingeschätzt. Das Thema der sieben Todsünden werde ich an späterer Stelle behandeln.

Männer wie Frauen trugen im Mittelalter den geldbeutel um den Hals oder am Gürtel. Wenn sie werden abgebildet werden, wie sie den Beutel ans Herz pressen, soll es zeigen, dass ihnen der Mammon (der Gott des Geldes) mehr am Herzen liegt als Jesus Christus (gemäß des Bildworts "wo Eurer Schatz ist, da ist Eurer Herz").

Glocke

Glockengießer (1568) Oft habe mich gefragt, wie die Christenheit von einer Gruppe, die verfolgt wurde und möglichst nicht durch laute Geräuschen auf sich aufmerksam machen wollte, zu einer solcher Gruppe wurde, die Wert auf bombastisches Glockengeläut in ihren Domen und Kathedralen legt. Das Wort "Glocke" suchen wir vergeblich in der Bibel.

Die Anfänge der Glocken liegen zurück im Gebrauch im jüdischen Tempelgottesdienst von Zimbeln, Schellen und Handklingeln. Im Alten Testament werden sie in Psalm 150 oder in 1. Chr. 15, 19 erwähnt. Unter Zimbel (Griechisch kymbala, Latein cymbalum) können mehrere Musikinstrumente verstanden werden. A. verschiedene, aus kreisrunden aufgebogenen Metallplatten oder ausgehöhlten Metallgefäßen bestehende Idiophone, wobei Zimbel synonym zu "kleinen Becken" verwendet wird, B. Saiteninstrumente wie das Zymbal (auch Zimbal genannt)

Der erste bekannte Sakralbau, der am Giebel mit Glocken behängt wurde, war ein Jupitertempel in Rom. Die Glocke war also heidnischen Ursprungs und wurde von den Christen übernommen. Nachdem Konstantin das Christentum zur Staatsreligion machte, war es nicht mehr gefährlich, geräuschvoll durch Glockengeläut auf sich aufmerksam zu machen. Im Gegenteil war die Glocke doch weithin zu hören und Zeichen zugleich göttlicher wie weltlicher Macht.

Der Begriff 'Glocke' wurde dem Altirischen entlehnt (clocc; soviel wie 'Schelle', 'Glocke'). Sicher ist im Lauf des 6. Jahrhunderts unter der Bezeichnung 'signum' das Glockenläuten zu verstehen, wie es Caesarius von Arles (470–542), und Gregor von Tours (gest. 592), vermitteln. Irische Mönche verbreiteten im 6. Jh. die Glocke in Europa, zunächst wahrscheinlich als Handschellen. Die ersten Glocken waren noch genietet, seit dem 9. Jh. werden Glocken überwiegend gegossen.

Altarschellen kennt man seit dem frühen Mittelalter. Früher, wenn an mehreren Seitenaltären zur gleichen Zeit die heilige Messe gelesen wurde, machten sie die Messbesucher darauf aufmerksam, wenn ein neuer Abschnitt der Messe begann. Während der katholischen Eucharistiefeier spielen sie eine zentale Rolle. Sie zeigen die Wandlung von Brot und Wein in den Leib Christi an. Kurz vor der Konsekration (Wandlung) kann ein Altardiener (Messdiener) ein Glockenzeichen geben; wo es Brauch ist, auch beide Male, wenn der Zelebrant (Priester) dem Volk die konsekrierten (verwandelten) Gestalten zeigt. In der Transsubstantionslehre unterscheiden sich die Protestanten von den Katholiken. Die römisch-katholische Kirche lehrt seit dem IV. Laterankonzil im Jahr 1215 die Realpräsenz Christi in Brot und Wein. Brot und Wein werden nach einer priesterlichen Wandlung zu Fleisch und Blut Christi. Damit wird vor Gott das Opfer wiederholt, das Jesus durch seinen Tod für die Menschen gebracht hat. Nach römisch-katholischem Verständnis ist Christus in beiden Elementen präsent. Somit ist die Eucharistiefeier mit beiden Elementen theologisch betrachtet nicht zwingend notwendig. Aus dieser Überlegung heraus wurde der Kelch den Laien im Spätmittelalter entzogen und nur noch dem Klerus als Vorrecht zugesprochen. Ein offizielles Kelchverbot für Laien wurde jedoch erst 1415 auf dem Konzil von Konstanz erlassen. Heute ist den Laien wieder der Empfang unter beiderlei Gestalt möglich. Noch immer haben beide Konfessionen keinen offiziellen Weg zum gemeinsamen Abendmahl gefunden. Aber genug von Theologie. Nur welchen Unterschied macht so ein kleines Glöckchen, Wenn´s bei den "Evangelen" klingelt, hat wieder einer vergessen, sein Handy auf lautlos zu stellen.

Im frühen Mittelalter wurde es üblich, auf Klosterkirchen und später auch auf anderen Gotteshäusern Glocken in kleinen Dachreitern zu platzieren. Seit dem 10. und 11. Jahrhundert entstanden hohe, zum Tragen des Glockenstuhls errichtete Türme. Die mächtige Größe der Glocken setzte erst im 14. Jh. ein. Aus dieser Zeit stammen die ältesten noch erhaltenen Glocken, die nicht den zahlreichen Kriegen zum Opfer fielen. Ihre Bronze wurde gebraucht, um Kanonen zu gießen, zuletzt im 1. und 2. Weltkrieg . Auf der beigefügten Illustration ist auch zu sehen, daß der Glockengießer neben den Glocken gleichzeitig Kanonenrohre gos. Die im Jahre 1038 in dünner Bienenkorb-Rippe gegossene Lullusglocke in der Stiftsruine Bad Hersfeld ist die älteste datierte Glocke Deutschlands. Die größte Bienenkorbglocke ist die 3.600 kg schwere Kunigundenglocke (Für die Musikprofis: Nominal/Schlagton: um cis1) im Bamberger Dom. An dieser Stelle auf die Gußformen einzugehen, sprengt den Rahmen dieser Führung über die christlichen Symbole im Mittelalter. Vielleicht beschäftigt sich jemand mit dem Handwerk des Glockengießers.

Ich hätt' jetzt nicht gedacht, dass es über Glocken so viel zu erzählen gibt. Doch wir wollen nicht die berühmten Glocken vergessen, die einen Namen und eine Inschrift tragen. Glocken sind entweder ausdrücklich in der Inschrift einem Heiligen oder einem Anlass gewidmet, oder der Volksmund gab ihnen einen Namen. Bis ins späte Mittelalter wurden die Glocken zu einem bestimmten Anlaß geläutet. Jeder wußte genau, was es zu bedeuten hat, wenn diese eine Glocke erklang. Einige Glockenbezeichnungen und Funktionen (wie die Armsünderglocke in Bern, die vor Hinrichtungen schlug) gibt es heutzutage nicht mehr. Inschriften oder Zusätze belegen, dass Glocken aber auch profane Aufgaben zugedacht wurden, beispielsweise die Abwehr von Blitz und Unwetter, wie die häufige Inschrift VIVOS VOCO, MORTUOS PLANGO, FULGURA FRANGO“ (deutsch: „Die Lebenden ruf’ ich. Die Toten beklag’ ich. Die Blitze brech’ ich.“) belegt. Der letzte Abschnitt macht deutlich, dass man den Kirchenglocken verschiedene Schutzwirkungen zuschrieb, insbesondere den Schutz vor Unwetter. Friedrich Schiller greift dieses Motiv auf in seinem Gedicht über die Glocke.

Bei den mittelalterlichen Glocken wurde ihr Klang nicht harmonisiert - der Dreiklang verschiedener Glocken kam erst in der Neuzeit auf wie im Barock oder nach 1945 -, auf den Zweck und ihre Bedeutung legte man Wert. So gab es neben Festtags- auch Predigt- und Messglocken. Sie heißen "Gloriosa" und "Dominica". Auch ein Rat- und Schulgeläut, das zur Versammlung rief, war in Gebrauch. Letzteres ist immer noch wohl bekannt. Die Marktglocke ruft zur Eröffnung und zum Schluss des Marktes. Jeder Stadtbewohner wußte, was die Stunde geschlagen hat. Es gab die Feuer- oder Brandglocke. In Zürich gab sie den Bürgern das Signal, abends das heimische Herdfeuer zu löschen. Prim-, Terz-, Sext-, Non-, und Vesperglocken ruften zu den Stundengebeten. So gab es auch Signalglocken, die den Wachwechsel der Stadtwehr anzeigten. Dann ist da noch "die Stürmerin", die bei schweren Unwettern warnt oder die Pestglocke. Wie heute Polizei-, Feuerwehr-, Krankenwagen durch Signale auf sich aufmerksam machen ohne weitere Worte, so wußte jeder im Mittelalter Bescheid, was passiert war und wußte, was er oder sie tun mußte, um sich zu schützen, wenn die Glocken schallten.

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, verband man mit dem Glockengeläut eine magische Wirkung. Man war noch Kind seiner Zeit. Das Läuten sollte den Heiligen Geist herbei rufen. Des Weiteren sollen sie die Ankunft des Heiligen Geistes verkünden. Das Geläut von Kirchenglocken soll zudem Dämonen erschrecken und in die Flucht schlagen, wie Durandus im 14. Jahrhundert schrieb. Aus diesem Grund schmückten sich auch die Menschen in Europa - insbesondere die Kinder - mit Glöckchen: um böse Geister und den bösen Blick abzuwehren.

© Thalassa von Kerygma

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