Ausgabe 222 | Seite 4 16. Oktober 2011 AD
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Kopfgrafik - © upjers GmbH & Co. KG

 

Schiffe im Mittelalter

Die Schute

Die Schute gehört einerseits zu den ältesten Wasserfahrzeugen - sie entstand aus einer Urform, dem Einbaum, der aus einem Stamm mit Hilfe einer Rundaxt zur Aushöhlung oder durch Ausbrennen mit Feuer gefertigt wurde - und andererseits zählt ihre Weiterentwicklung zu einem hochmodernen Binnenschiffsverkehrsmittel. Hier ist der Begriff Leichter zu erwähnen. Er bezeichnet einen antriebslosen, schwimmenden Ladungsbehälter, der im Schubverband bewegt wird. Im Binnenschiffsverkehr werden so die Container zu den Küstenhäfen befördert.

Im Bereich des Küstenschutzes werden auch „Klappschuten“ mit zu öffnenden Böden für die Verbringung von Sand und Entladung ohne weitere Hilfsmittel eingesetzt. In der Binnenschifffahrt ist die Klappschute ein übliches Transportmittel für die Verklappung von Baggergut aus den Flüssen und vor allem von Bergbaurückständen. Klassische Frachtgüter sind: Sand, Kies, Kohle, Schrott, Schutt und Müll.

Sie hat keinen eigenen Antrieb durch ein Segel und kiellos.

Man hat sich mit ihr in Sumpfgebieten oder flachen Gewässern mit einer Stange fortbewegt oder ließ die Schuten quasi als Anhänger von einem anderen Segelschiff so ziehen, wie heute der Leichter Anhänger eines Schubverbands sein kann.

In anderen Gegenden wird sie Barke oder Gondel genannt. So sind die Touristengondeln uns noch in Venedig bekannt. Dort war das Land viel sumpfiger als heute und stärker dem alto aqua, dem wechselnden Wasserstand unterworfen.

Ähnlich verhielt es sich In Deutschland. Berlin war von einem großen Sumpfgebiet umgeben. Die Auswirkungen waren noch bis ins 20 Jh. zu spüren. Die Hochhäuser hatten bis in die 80er Jahre des 20. Jh. daher keinen Keller. Die Keller der Häuser waren sonst nach starken Gewitterregen voll Wasser gelaufen.

Erst im 21. Jh. ist der Grundwasserspiegel gesunken. Im Süden und Norden von Berlin waren große Sumpfgebiete, Überreste der Eiszeit, die im Laufe der Zeit trocken gelegt wurden. Auf den wenigen trockenen Flächen wurde Gemüse angebaut, das zum großen Markt in der Stadtmitte feil gehalten wurde.

So entstand die heute kiellose, flache Kahnform. Der Bug ist breiter als das Heck. Der Spreewaldkahn ist ein flaches Gleitboot, vorn breiter als hinten und so eine Art Landungsboot, mit dem der Bauer vom Fließ "auf die Wiese fährt". Die Kanäle werden hier Fließe genannt.

Über ein ausgeklügeltes Kanalsystem wurden die Kähne der Marktfrauen mit Hilfe von langen Stangen vom Spreewald hierher gebracht. Diese Art der Fortbewegung nennt man immer noch staken. Die Frauen verstanden es, ihre Ernte durch Essig und Öl auf lange Zeit haltbar zu machen. Noch heute sind Leinöl und Spreewälder Gurken bekannt.

Die Postzustellung erfolgt über einen Kahn, da die Häuser leichter über Wasserwege zu erreichen sind als über feste Straßen. Im Spreewald wird im Zustellbezirk Lübbenau - Lehde nach alter Tradition die Post - zumindest in der eisfreien Zeit - mit einem Spreewaldkahn zugestellt.

© Thalassa von Kerygma




Persönlichkeiten des Mittelalters

Swjatoslaw I. Igorewitsch, Fürst von Kiew

Wohl das einzige Kind seiner Eltern, wird Swjatoslaw I. um 942 als Sohn des Fürsten Igor und der Fürstin Olga von Kiew geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters 945 übt Fürstin Olga die Regentschaft für ihren Sohn aus, der ab 959 regierender Fürst von Kiew ist. Etwa um diese Zeit muß sich Swjatoslaw I. mit Predeslawa von Ungarn verheiratet haben, die eine Fürstentochter aus dem Geschlecht der Arpaden ist.

Obwohl Fürstin Olga getauft und die byzantinische Kaiserin ihre Patin ist, kann sich bald nach Swjatoslaws Regierungsantritt vorübergehend das Heidentum in der Kiewer Rus durchsetzen. Der Fürst vertreibt den Missionsbischof Adalbert (späterer Bischof von Magdeburg), um den Fürstin Olga bei Otto dem Großen gebeten hatte und der nur knapp mit dem Leben davonkommt.

Recht bald beginnt Swjatoslaw I. einen Eroberungsfeldzug gegen die Wjatitschen, die bis dahin der letzte unabhängige ostslawische Stamm sind. Obwohl sie in die Kiewer Rus eingegliedert werden, behalten sie über Jahrhunderte eine relative Unabhängigkeit, was sich in einer demokratischen Verfassung und heidnischen Traditionen ausdrückt. Von 965 bis 969 führt Swjatoslaw I. Krieg gegen das Khanat der Chasaren, dem die Kiewer Rus tributpflichtig ist. Durch die Eroberung wichtiger chasarischer Städte dehnt er den Einfluß Kiews bis an den Don und die Ostküste des Asowschen Meeres aus (das entspricht etwa der Süd- und Ostgrenze der heutigen Ukraine).

Parallel wendet Swjatoslaw I. sich gegen den bulgarischen Zaren Peter I. im Westen, der mit dem byzantinischen Kaiser verschwägert ist. Seine etwa 60.000 Mann starke Armee nimmt achtzig Festungen ein und schlägt das bulgarische Heer vernichtend. Er erobert die bulgarische Hauptstadt Preslaw und will sie zu seinem Regierungssitz und zur Hauptstadt der Kiewer Rus machen. Zu dieser Entscheidung dürften handelspolitische Überlegungen maßgeblich beigetragen haben, denn Preslaw liegt strategisch ausgesprochen günstig. Zar Peter I. versucht mit diplomatischen Mitteln, Unterstützung gegen die Rus zu bekommen und findet sie bei den Petschenegen. Noch im selben Jahr fallen sie in das Gebiet der Kiewer Rus ein.

Obwohl der byzantinische Kaiser das Zerbrechen des ersten bulgarischen Reiches durchaus nicht ungern sieht, scheint ihm der wachsende Einfluß Kiews gefährlich. An dem sind die losen Kontakte Swjatoslaws I. zu Otto dem Großen nicht ganz unbeteiligt. Sie führen zu Absprachen über militärische Aktionen gegen das byzantinische Reich, mit dem Otto in Süditalien im Krieg liegt. Während Otto die Lage durch die Ehe seines Sohnes mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu entschärfen kann, schickt der byzantinische Kaiser Truppen nah Bulgarien. Eine Reihe von Niederlagen bringt Swjatoslaw dazu, 971 einen Friedensvertrag zu akzeptieren. Er muß seine bulgarischen Eroberungen an Byzanz abtreten und auf jeden Eroberungsversuch auf dem Balkan und im nördlichen Schwarzmeerraum verzichten.

Für seinen Rückzug aus Preslaw versäumt es der Fürst, bei dem Khan der Petschenegen Kurja eine Durchzugserlaubnis einzuholen. Der Khan läßt Swjatoslaw I. gefangen nehmen, töten und aus seinem Schädel einen Trinkbecher anfertigen. Nach dem unzeitigen Tode Swjatoslaws erben seine drei Söhne gleichberechtigt die Herrschaft, obwohl einer von einer Konkubine abstammt. Sie bekriegen sich umgehend und versuchen, einer den anderen auszuschalten.

© Amhara zu Agorá




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