Recept gegen alle Krankheiten, ausprobiert von Herrn Stephan Lunnkarm, offizieller Meister der Physik (anno domini 1463)
"Zuerst nimm die Leber von einem Marmorstein, die Lunge von einem Achat, die Milz von einem Garnrocken, das Blut von einem Schwertknauf und vermisch es mit 4 Lot Sonnenschein und trink das nüchtern zwischen Pfingsten und Nürnberg.
Wenn das nicht hilft, dann nimm 4 Lot Vogelgesang, 2 Lot Schwalbenflug, 4 Lot Kiselschmalz, 5 Lot Fastnachtstanz, 4 Pfund Himmelblau und mach ein kräftiges Fuer darunter, und nimm ein viertel Pfund Schnee, der an der Sonnenwende gefallen ist, und dörre diese Materie über dem Feuer, und nimm zwei Stunden Träume von Nachts vor dem Schlafengehen hinzu.
Und wenn das auch nicht hilft, so nimm Schatten vom Friedhof und 4 Pfund vom schnellen Hasenlauf und 3 Lot Elsternschritt, 8 Lot Blütenduft, 7 Lot Fett von Stieglitzfersen und ein Paar geflickte Holzschuhe, davon mach ein Bad, das gieß in ein Sieb und deck es oben gut ab mit einem Fischernetz, damit der Dampf nicht abziehen kann; dann gab es nie ein edleres Bad.
Will das alles nicht helfen, dann nimm ein Pfund Eisenschläue und 3 Pfund Jungfrauen-Gedanken, 5 Lot Frauentreue, 2 Lot Witwenklage, 10 Lot Nonnengesang und ebensoviel Glockenklang, 10 Lot Neuigkeiten von den Schweizern und 10 Zentner der großen Lüge der Armagnaken* und binde die zusammen mit einem Affenschwanz und leg das um Mitternacht in die heiße Sonne, dann dorrt es, und danach leg es in eine Pfanne aus Stroh und koche es gut über einem Feuer aus Eiszapfen, und trink Wein aus einem leeren Becher, der keinen Boden hat, und trink ungarischen Wein, der am Rhein gewachsen ist.
Und will das alles nicht helfen, so nimm Ich-weiß-nicht-was und mach damit ich-weiß-nicht-was, dann wirst du gesunden von ich-weiß-nicht-was."
(*Anspielung auf den Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich unter Karl VII und der Schweiz)
Haiku ist eine sehr kurze japanische Gedichtform, die immer in der Form 5-7-5 Silben verfaßt wird.
In loser Folge veröffentlichen wir selbstverfaßte Haiku unserer Leser.
Neulich fand ich in
des Handwerksmeisters Hütte
heimliche Liebe.
Im Mittelalter hatten Kinder keine große Auswahl, was ihre Freizeitgestaltung anging.
Vielfach wurden sie
ja schon von klein auf zu Arbeiten auf dem Feld oder
im Haushalt herangezogen bzw. zum Knappen ausgebildet.
Viel Zeit zum Spielen war nicht
und meist begnügte Kind sich mit dem,
was es so fand oder was selbst leicht herzustellen war:
Schaukelpferde und Kreisel aus Holz,
knöcherne Würfel oder
tönerne Murmeln,
Bälle aus Bast,
Ringreifen zum Vorantreiben,
Schweinsblasen zum Aufpusten.
Es gab aber auch vielfältige Tierfiguren aus Holz, Ton oder gar Messing sowie gewappnete Ritter im
Kleinformat.
Auch durch den Einfluß der Kirche auf das soziale Leben kam zunehmend geschlechtsspezifisches Spielzeug
auf: So wurden Mädchen mittels
Puppenhaus, Spinn-, Stick- und Schmuckarbeiten auf Mutter und Hausfrau getrimmt, während die Jungen sich
mit Holzwaffen im Wettkampf maßen.
Cherubias streifte seine Tunika über, gürtete sein Wehrgehänge um und legte sich auch den Mantel um. Zu einem bleichen Maat sagte er im Vorbeigehen: "Bring mir ein Bier an Deck!" Lachend stapfte er die Stiege hoch.
Marxellus erwartete ihn an der Stiege. "Jungchen, hoffentlich gibt das keinen Ärger!" "Entweder, wir haben mehr Ruhe, oder als uns lieb ist." "Wie hast du das eigentlich gemacht?" Cherubias lächelte. "Der Menschen Geist ist schwach, ein Trugbild leicht erzeugt!" Augenblicke später kam auch der Maat mit einem Krug Bier. Cherubias blickte ihn an und blies kurz die Wangen auf. Der ängstliche Gesichtsausdruck des Maates verflog. "Nun hat er alles vergessen." "Warum hast du das nicht sofort gemacht?" Cherubias zuckte die Schultern. "Ich kann nur Illusionen vergessen machen, die ich selber erzeugte." "Du bist ein gerissener Hund!" Cherubias blickte intensiv in seinen Bierkrug, hob nickend den Kopf und lächelte. "Ja, das ist wohl wahr!"
In den folgenden Stunden schlich Cherubias durchs Schiff und nahm allen Beteiligten die Erinnerung an diese Illusion. Nur Sanara ließ er in ihrem Zustand. Dann erst legte er sich schlafen. Am nächsten Morgen sah er einen reichlich verwirrten Kapitän. "Das arme Mädchen, behauptet, Ihr hättet Euch in einen Teufel verwandelt. Oder einen Dämon." "Ach wirklich?" Cherubias heuchelte seine Anteilnahme so schlecht, dass es jedem hätte auffallen müssen. "Und nun wird wohl nichts aus der Hochzeit?" Der Kapitän lachte. "Ich weiss nicht, was Ihr gemacht habt, aber ich könnte Euch vierteilen, weil Ihr mir den Trick nicht vor zwanzig Jahren beigebracht habt." Cherubias lächelte.
Auf dem Oberdeck wehte ein warmer Sommerwind, den die meisten Passagiere genossen. Einmal versuchte die Matrone, Sanara aus dem Bauch des Schiffes zu bringen, doch kaum wurde diese der Anwesenheit Cherubias gewahr, verschwand sie schreiend unter Deck. "Das wäre keine Ehe, sondern eine Hölle gewesen!" Marxellus lächelte. "Übrigens Danke." Cherubias sah seinen Freund fragend an. "Norega wollte mich auch einfangen. Dank deiner Einlage und der Probleme mit Sanara hat sie nun andere Dinge im Kopf." "Sag, alter Freund, vermisst du deine Frau noch immer, nach all den Jahren?" Marxellus schluckte. "Vielleicht wäre es leichter, wenn es andere Umstände gewesen wären. Aber auch dann würde ich sie vermissen. Mit jeder Faser meines Seins." Cherubias starrte zum Horizont.
Marxellus legte die Hand auf Cherubias' Schulter. "Ich hatte mein Leben schon aufgegeben, du hast mir mit der Suche nach meinem Sohn einen neuen Sinn gegeben!" Cherubias sah den Alten an. "Ich kenne nur meinen Ziehvater. Meine Eltern sind tot. Und wer sie waren, werde ich vielleicht nie erfahren. So bleibt mir nur mein Bruder. Es fehlt etwas. Ein Teil meines Lebens wurde mir genommen. Ist es das, was man empfindet?" Marxellus lächelte. "Das ist es, mein Junge!" Cherubias schwieg lange. "Ich frage mich, ob ich dann meinen Weg nicht besser allein gehen werde." Marxellus kniff die Augen zusammen. "Lass es kommen, das Leben. Es wird dich finden. Und du kannst ihm nicht entkommen. Nicht lebend."
Das Schiff legte im alten Hafen von Lateril an. Zwar war die Stadt bis auf die Grundmauern niedergebrannt, doch der Hafen und die Docks waren in einem guten Zustand. Cherubias sprang von dem Schiff und wartete im Schatten einer Palme. Als Sanara vom Schiff geführt wurde, wirkte er aus dem Verborgenen einen Zauber. Sanara vergaß den Vorfall und ihre Angst. Als sie Cherubias sah, eilte sie auf ihn zu. "Schade, ich weiss nicht warum, aber es hat nicht geklappt." Cherubias lächelte. "Es ist besser für dich!" Als er sich umwandte, löste sich Adular aus dem Schatten und folgte ihm.
Die Häuser der Santeril waren sehr offen gebaut. Viele lebten in Baumhäusern, die aber dem Komfort gewöhnlicher Häuser in nichts nachstanden. So betraten sie das größte Gasthaus am Hafen und Cherubias sah das erste Mal in seinem leben echte Santeril. Santeril und Menschen ähnelten sich äußerlich. Die Ohren der Santeril waren länger und ihre Augen leuchteten mit sanftem Glühen. Männer waren groß und kräftig, die Frauen kleiner. Alle Santeril aber waren außerordentlich kräftig, schlank und schnell. Marxellus übernahm diesmal die Recherche. Cherubias sah sich die Stadt an, kaufte Pferde und Ausrüstung. Als er so die Stadt erkundete, Adular an seiner Seite, fand er ein abseits gelegenes Haus. Als er das Haus betrachtete, näherte sich eine Santeril. Sie starrte den Wolf an, dann Cherubias. "Du bist kein normaler Mensch?" "Ich bin ein Reisender." Sie lächelte auf geheimnisvolle Art. "Du bist vieles, aber kein Reisender." Sie deutete auf den Eingang. "Schau dich um, Santeril heißt dich willkommen!“ Cherubias trat ein.
Es war eine Art Tempel. Jedoch gab es auch Dinge, die auf ein Museum schließen ließen. "Sie interessieren sich für die Kultur der Santeril?" fragte eine warme Stimme von hinten, als er eine Statuette betrachtete. "Ich bin ein Reisender in einem Land, das ich nicht kenne. Ist es nicht eine Tugend, sich für den Gastgeber zu interessieren?" Die Santeril schien zu lächeln. "Viele tausend Jahre haben wir uns den anderen Völkern entzogen. Doch nun drängen sie mit Macht in unsere Heimat. Einige kommen als Freunde, einige kommen mit weniger freundlichen Absichten. Welches sind die euren?" Cherubias sah sie an, ohne zu antworten. "Du bist eine magische Person. Du suchst etwas. Etwas für dich sehr wichtiges!" Diesmal nickte er. Sie lächelte. "Ich sehe, du kommst weder als Freund noch als Feind. Doch deine Gedanken sind freundlich, wenn auch voller Schmerz. Vielleicht kannst du ein Freund sein, wenn deine Wunden verheilt sind?" Cherubias lächelte. "Manchmal lässt ein Schmerz nie nach."
Die Santeril führte ihn in eine Ecke. Santeril saßen in einer großen Runde um ein Feuer. "Nimm Platz und schließe die Augen, lausche der Musik der Erde, dem Singen des Windes." Cherubias leistete der Bitte Folge, verwirrt, weil er nicht widerstehen konnte. Kaum hatte er die Augen geschlossen, ertönte eine fremdeartige Melodie in seinem Kopf. Stimmen schienen mit ihm zu flüstern. Und plötzlich fühlte er sich sicher. Ruhe kehrte in seinen Gedanken ein, bis sie verschwanden. Einige Zeit schien die Ruhe nie enden zu wollen, doch dann kehrten die Gedanken langsam zurück. Doch es hatte sich etwas verändert. Er sah einige Dinge klarer, zu nahe Dinge mit Abstand, ferne Angelegenheiten waren näher an ihn herangetreten. Als eine Hand ihn auf der Schulter berührte, schlug er die Augen auf. "Es ist Zeit für dich, Fremder, dein Schicksal wartet!" Sie führte ihn zur Tür. "Wir werden uns wiedersehen!" lächelte sie und verschwand.
Marxellus hatte mit den Kapitänen im Hafen und den Hafenarbeitern gesprochen. Wie erwartet, hatte keiner von Clavius gehört, doch man munkelte, dass weiter südlich ein Hafen existierte, der auf keiner Karte verzeichnet war. Im Gasthaus wälzten sie Karten und arbeiteten eine grobe Route aus. "Was denkst du?" fragte Marxellus. "Etwa sechs Wochen werden wir brauchen." "Mit einem Schiff die Küste entlang ist aber auch nicht wirklich eine gute Idee. Wenn wir den Hafen nicht finden, segeln wir bis ans Ende der Welt." " Morgen Früh werden wir also reiten!"