Ausgabe 184 | Seite 4 23. Januar 2011 AD
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Kopfgrafik - © upjers GmbH & Co. KG

 

Die Wanderer von Elrandier

Die Spur des Gauklers

Die Seeflamme war ein recht altes Schiff, aber für die Passage nach Eldoron an der Küste entlang ideal geeignet. Cherubias saß an Deck, als das Schiff in den Sonnenuntergang hineinsegelte. Marxellus hatte sich in eine Hängematte gewickelt und versuchte, seinen Magen zu beruhigen. Die Überfahrt sollte zwei Tage dauern, die das Schiff an der Küste entlang segelte. Das Altargebirge trennte das Waldland Winfahr von den Steppen Gandaras. Entweder musste man durch das Gebirge oder man segelte an den Küsten entlang. In beiden Fällen aber landete man in Eldoron.

Eldoron war eine größere Stadt. Es gab alles zu kaufen, was das Herz begehrte. Und einen Schließmeister. Cherubias besuchte ihn sofort nach seiner Ankunft, während Marxellus ins Gasthaus einkehrte. Leider war noch keine Nachricht aus der Heimat eingetroffen, doch er sandte eine Nachricht an Seamus und Werstan. Sie mussten der Fährte des Gauners folgen, doch es gab eine schnellere Verbindung nach Battenbrunn. Sofort nach diesem Besuch machte er sich auf zur Hafenmeisterei, wo er schnell Ergebnisse erzielte. Clavius Truppe war nach Nordosten gewandert. Während er ins Gasthaus lief, rechnete er nach. Die Spur war zehn Sommer alt. Doch als er gestartet war, war er noch zwanzig Sommer von seinem Bruder entfernt gewesen. Er kam der Bestie näher. Auch wenn sich die letzten Meilen zäh wie ein Lederband gezogen hatten.

Cherubias sah sich auch auf dem Markt um. Da die Reise in eine eher trockene Gegend ging, mussten sie Wasservorräte mitnehmen. Dazu kam ihr Gepäck und Nahrung. Viel zu schleppen für zwei Männer. Auf dem Markt fand er einen Händler, der Lasttiere verkaufte. Cherubias sah sich bei ihm um, doch sein Blick blieb auf einem ungewöhnlichen Tier hängen. So erstand er einen großen, alten Reitwolf, der schon bessere Tage gesehen hatte. Aber das Tier machte einen guten Eindruck, sah ihn aus treuen Augen an. Cherubias hatte dem Tier einfach in die Augen gesehen. Er konnte es nicht definieren, doch irgendetwas an dem Wolf war anders. Das schwere, zottige Fell war einst schwarz gewesen, jetzt war es glanzlos und von grauen Stellen durchwachsen. Aufgrund seiner Größe – Cherubias konnte ihm in die Augen sehen, ohne sich zu bücken – wirkte das Tier auf unerfahrene Menschen furchteinflößend. Doch Cherubias hatte im Waisenhaus schon mit wilden Wölfen zu tun gehabt. Die seltenen Reitwölfe kannte er nur vom Hörensagen.

Wild war dieses Tier gewiss nicht. Irgendetwas rührte ihn an dem Wolf, der auf den Namen Adular hörte. Cherubias brachte Adular in den Stall des Gasthofes und ließ ihn dort erst einmal waschen. Er beobachtete die Prozedur mit einigem Abstand, denn trotz seines Alters war der Reitwolf ein respektgebietendes Tier. Doch der Wolf schien es zu genießen. Den Rest des Tages verbrachte er mit Marxellus damit, ihre Ausrüstung zu verpacken, Wasser und Lebensmittel zu sortieren. Cherubias erstand noch einige Dinge bei einem Krämer und mischte ein paar Heilsalben zusammen. Am Abend verordnete er Marxellus und sich frühe Bettruhe.

Früh am Morgen legte er Adular ein spezielles Geschirr an, an dem sie ihre Lasten befestigten: Wasser für mehrere Tage, Zelte und Lebensmittel. Außer ihrer Kleidung und den Waffen brauchten die Männer nichts zu tragen. Cherubias führte Adular an einer langen Leine, während Marxellus hinter dem Wolf herlief. Sein riesiges Zweihandschwert trug er auf dem Rücken, an seiner Seite baumelten zwei kleinere Schwerter. Sie konnten Eldoron noch lange in ihrem Rücken sehen, doch irgendwann hatte sie die Wüste verschluckt. Cherubias nutzte den Kompass, obwohl sie einem ausgetretenen Pfad folgten. Marxellus schritt trotz seines Alters kräftig voran, auch Adular, der Wolf, folgte Cherubias mit Ausdauer. Irgendwo hatte Cherubias einen Ledereimer erstanden und ihn Adular umgehängt. So konnte der alte Wolf jederzeit Wasser saufen. Adular schien sich in Gegenwart der beiden Wanderer wohl zu fühlen. Man konnte sehen, dass er in der Vergangenheit nicht die beste Behandlung erfahren hatte. Manchmal legten die Männer dem Tier auch die Hand auf den zottigen Rücken, was der Wolf mit einem wohligen Knurren quittierte.

Am späten Nachmittag erreichten sie eine kleine Oase in der Wüste und beschlossen, zu rasten. Sie bauten ihre Zelte auf, entzündeten ein Feuer und ließen den Wolf laufen. Adular genoss das Vertrauen und rannte um die Oase, ärgerte Kaninchen und nutzte auch den See zu einem ausgiebigen Bad. Marxellus erwischte mit seiner Armbrust ein Kaninchen, das die Männer über dem Feuer brieten. So genossen sie die abkühlende Wüstenluft bei Kaninchenbraten und einem Schlauch Wasser.

Früh am nächsten Morgen zogen sie weiter. Wenn sie zu einer passenden Zeit an eine Oase kamen, rasteten sie etwas früher, ansonsten marschierten sie in die Nacht. Sechs Tage marschierten sie, bis sie schließlich in Eldaras ankamen. Obwohl sie eigentlich kein Lasttier mehr brauchten, beschlossen sie, Adular zu behalten. Marxellus übernahm die Einquartierung in einem Gasthof, Cherubias besuchte den Bürgermeister. Seine Fragen nach Clavius liefen ins Leere. Clavius war nie in dieser Gegend gewesen, hieß es. Doch irgendwie hatte Cherubias ein merkwürdiges Gefühl. Als er die Bürgermeisterei verließ, wandte er sich in Richtung Markt. Während er sich durch die Menge an Käufern und Verkäufern zwängte, hatte er das Gefühl, dass ihn jemand verfolgte. Er ließ sich Zeit, hielt sich an den Ständen der Händler länger auf als nötig und sah sich um. Tatsächlich fiel ihm ein Mann auf, der sich betont unauffällig verhielt, immer in eine andere Richtung sah, dennoch aber immer in seiner Nähe war.



Cherubias sah sich um und entdeckte eine Gasse, die vom Markt abzweigte. Er verschwand mit einem schnellen Seitenschritt in der Gasse und wartete. Nach wenigen Augenblicken kam auch der Mann um die Ecke. Cherubias hatte sich auf eine alte Kiste gesetzt und wartete auf ihn. Als der Fremde in die Gasse kam, blieb er wie angewurzelt stehen, als er in Cherubias freundliches Gesicht sah. „Ich höre?“ lächelte der. Der Fremde fühlte sich ertappt und legte den Finger an die Lippen. „Gasthaus zum Fetten Eber. In zwei Stunden!“ Sprachst und verschwand in der Menge.

Cherubias sah sich weiter auf dem Markt um. Dann hatte er eine Idee. Einige Händler suchten Reisende, die Waren für sie transportierten. Und Adular konnte noch einiges tragen. Da er aber noch keine Richtung hatte, war es eigentlich nicht möglich, jetzt schon ein Geschäft abzuschließen. So wartete er ab, bis die Zeit gekommen war.

wird fortgesetzt.

© cherubias




Sprechende Steine

Durch den Westen Deutschlands freue ich mich, Euch heute bei trüben Wetter führen zu dürfen. Wir kommen in Essener Dom, ins ehrwürdige Erzbistum Köln und nach Ingelheim. Im Alphabet fahren wir fort mit

Buchstabe F

Lesen – PC – Google sind für uns selbstverständlich. Für unsere Vorfahren wäre es vor 500 oder gar vor 1000 Jahren ein Wunder Gottes oder Teufelswerk gewesen. Wenn wir hier diese Gemäuer betreten, fragen wir uns was sollen diese eigenartigen Zeichen und Gestalten bedeuten und fantasieren uns eine mythische Geschichte zusammen. Wird Zeit ein bißchen Licht ins Dunkel zu schaffen, um zu sehen, dass das Mittelalter garnicht so finster war, die wir oft befürchten. Da sind wir schon beim Thema:

Fackel
Die Fackel ist nicht nur ein Lichtsymbol, sonern steht auch für Freude und Sieg. Auch ist sie Zeichen für Freiheit, Erlösung und Hoffnung mitten in der Nacht. In der Offenbarung des Johannes wird von sieben Leuchtern geredet. Sie stellen die Vollkommenheit (die Zahl 7) des Geistes Gottes dar. Sie ist das Aufgreifen der geschichte des jüdischen siebenarmigen Leuchters in der Stiftshütte und später im Tempel, Wir stellen uns wunderschön geschmiedete, eiserne Leuchter vor. Doch die Leuchter der Antike waren hochstehende, offene Schalen, in denen Öl war, das darin verbrannte. Man kann sie sich mehr als Fackeln vorstellen..

Der älteste noch erhaltene christliche Leuchter stehen in Essener Dom und ursprünglich waren es 3 siebenarmige über 2 Meter hohe Leuchter. Das Ensemble wurde auf Anordung der Äbtissin Mathilde II, gegossen und entspricht dem einzigen uns überlieferten Bild des jüdischen Leuchters, der auf dem Titusbogen in Rom abgebildet ist.

Auf dem Sokel des Leuchters ist zu lesen:„Mahthild abbatissa me fieri iussit et Christo consecravit“ – »Äbtissin Mathilde II. (949- 5. November 1011) befahl mich anzufertigen und weihte mich Christus«. Diese Inschrift bezeugt die Äbtissin Mathilde als Stifterin des Essener Leuchters. Der Leuchter besteht aus 46 einzelnen, gegossenen Bronzeteilen, die ineinander gesteckt sind. Wie im biblischen Text beschrieben, wachsen aus einem mittleren Schaft oder Hauptstamm rechts und links jeweils drei Arme heraus, die durch kugelförmige oder viereckige Knäufe gegliedert werden. Der quadratische Fuß ruht auf Klauen und wird von Tierköpfen und – ursprünglich vier - fratzenhaften Figürchen, die die vier Himmelsrichtungen darstellen sollen, geschmückt. Der Leuchter weist Spuren einer Feuervergoldung auf und hatte einen Besatz aus Bergkristallen.

Hier haben wir es wieder, was ich eingangs sagte: Der Siebenarmige Leuchter im Essener Dom entspricht in der Form der jüdischen Menora und leitet sich aus derselben alttestamentlichen Bibelstelle im 2. Buch Mose (Ex 37, 17–24) ab. Im frühen Christentum symbolisierte die „Sieben“ die Einheit von Göttlichem und Irdischem, da sie die „Drei“ der Dreieinigkeit und die „Vier“ der irdischen Himmelsrichtungen in sich vereinigte. Gleichzeitig stand die Zahl Sieben für die sieben Gaben des Heiligen Geistes, während der Leuchter für Christus selbst stand. Der Essener Leuchter symbolisiert zugleich das Licht der Welt, das in alle durch die Bronzefiguren des Fußes dargestellten vier Windrichtungen leuchtet, um am Ende aller Tage alle Menschen zu Christus heimzuholen. Dieser Hinweis auf das Endgericht über alle Menschen und die Auferstehung von den Toten lässt die Deutung zu, dass die Äbtissin Mathilde ihn als ihren Memorialleuchter hat anfertigen lassen.

Im Mittelalter stand der Leuchter in der Nähe des Kreuzaltars inmitten der Kirche. Hier symbolisierte er das Licht der Welt. Zugleich war er Zeichen der Hoffnung auf die Auferstehung für die Verstorbenen, derer Seelen die Stiftsfrauen im Gebet gedachten.

Die anderen beiden Leuchter sind vermutlich im Züge des 30jährigen Kriegs zerstört worden. Dann hat auch der 2. Weltkrieg Schäden im Dom hinterlassen.

Die gesenkte Fackel steht auch für den Tod. In Frankreich, besonders im westlichen Frankreich als verbreitetes Friedhofsmonument wurde sie im Mittelalter bis heute als Totenlaterne (franz. Lanterne des morts) bezeichnet. In den Provinzen Zentral- und Westfrankreichs ist eine so große Anzahl dieser mittelalterlichen Bauwerke erhalten, und man kann annehmen , dass sie dort einst allgemein gebräuchlich waren. Alte keltische Tradition werden dahinter vermutet, da einem in diesen Gegenden besonders konzentriert auch die aufgerichteten Menhire begegnen, häufig Beispiele für die Errichtung der Totenlaternen.

Fahne
Symbol des Sieges: die Auerstehung triumphiert über den Tod. In der Schweiz und Süddeutschland stellen Bäcker aus Bisquitteig das Osterlamm her. Es wird mit PX-Fahne (Christus-Monogramm Rho-Chi) als Zeichen des Sieges der Auferstehung geschmückt. Das saisonale Backwerk ist ein Überbleibsel (wie werden es bald wieder geniesen können) einer alten christlichen Tradition, die bis auf das 2. Jh. zurückzuverfolgen ist. Kichenportale wie Ingelheim sind damit geschmückt oder das Symbol hat Einfluß in die Heraldik wie in Stadtwappen genommen.

Die Fahne steht auch als Attribut ritterlicher oder kämpferischer Heiliger wie St. Georg, St. Florian, Jeanne d´ Arc, Wenzeslaus, um nur einige zu nennen. Dann darf natürlich der Erzengel Michael vergessen werden.

Falke
Seit dem Altertum galt er als Symbol der Sonne, als Inkarnation des ägyptischen Gottes Re oder Horus. In Ägypten galt er wegen "seiner Kraft, Schönheit und seines hohen Flugs" als göttliches Symboltier. Der Falke ist u.a. das heilige Tier des Sonnengottes Re, und der Gott Horus, der die finsteren Mächte besiegt, erscheint in der ägyptischen Mythologie oft in Gestalt eines Falken oder eines Menschen mit Falkenkopf. Die ägyptische Göttin Isis wurde mit ausgebreiteten Falkenschwingen dargestellt.

Der Vogel, der dem Licht zustrebt, wird in Hiob 28, 7 genannt. In einigen Übersetzungen wird er fälschlci mit Geier widergegeben.

Im Mittelalter wurde er zur Beizjagd abgerichtet und stand für anspruchsvolle, höfische Lebensart. Der heilige Erzbischöf Agilolf von Köln wird mit dem Attribut des Falken auf der Faust dargestellt. Im Kölner Dom steht ein Altar für ihn aus dem 16. Jh. und ein Glasfenster erinnert an ihn. Eine Figur des Kölner Rathausturmes stellt Agilolf mit einem Falken in der Hand dar. Einer Sage nach bezweifelte ein Ritter nach Agilofs Tod dessen Heiligkeit. Dieser sei so wenig ein Heiliger wie sein Jagdfalke singen könne. Daraufhin fing der Falke an zu singen und Agilofs Heiligkeit galt damit als erwiesen.

Für heute enden wir unsere Reise durch die Bilderwelt der sprechenden Steine. Eins möchte ich Euch noch über den Falken erzählen. Er stand auch für den oder die inniglich Gelieten oder die inniglich Geliebte.Damit sind wir in unserer Zeit gelandet. Erinnert sich noch jemand an den Film „Der Tag des Falken“? Im Orginal hieß er "Ladyhawke" aus den 80er Jahren. Rutger Hauer und Michelle Pfeiffer spielten die Hauptrollen. Er war der Ritter, der durch einen Flucht des Bischofs von Arras nachts zum Wolf verwandelt wurde, während seine Geliebte menschengetalt hatte. Am Tage war sie ein Falke und er Ritter hoch zu Roß. Der Film basiert auf einer altfranzösischen Sage aus dem 14. Jh.

Beim nächsten Mal erzähle ich Euch etwas von der Farbsymbolik der mittelalterlichen Bilder und Glasfenster, die wir heute noch so bewundern. Hoffentlich scheint uns da die Sonne.
Wie verabschiede ich mich immer:
Möge Euch ein Lichtstrahl des liebenden Vaters treffen, bis die Steine der Gemäuer der alten Kathedralen das nächste Mal zu uns sprechen.

© Thalassa von Kerygma




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