Ausgabe 183 | Seite 2 16. Januar 2011 AD
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Kopfgrafik - © upjers GmbH & Co. KG

 

Fabelwesen Teil 29

Der Heißköpfige Nackteisbohrer

Nach längerer Unterbrechung setzte ich diese Woche endlich wieder jene, ursprünglich mit der Steinlaus begonnene, dem Mittelalter so entrückte, Reihe der fiktiven Fabelwesen fort.

Wie der Name sehr wohl vermuten läßt, führt uns die Reise diesmal in höchst eisige Gefilde. Also vergesst nicht, euch vorher ordentlich mit Delphinbutter einzureiben, eure Hose mit Hamstern auszustopfen und den Tanklastzug mit Heißgetränken rechtzeitig zu ordern. Vergesst auch nicht, jenem die aktuellste Software aufs Navigationsgerät zu spielen, nicht daß es bereits hinter Braunschweig heißt: "Sie verlassen das digitalisierte Gebiet."

Der Heißköpfige Nackteisbohrer oder Hotheaded Naked Ice Borer, wie er im englischsprachigen Raum genannt wird, ist ein äußerst seltenes und scheues Tier. Mit seiner Größe, die kaum die eines Maulwurfs übertrifft, ist er zudem nicht leicht aufzuspüren.

Was treibt dieses Tier nun? Nach kürzlicher Entdeckung fanden die Wissenschaftler sehr schnell heraus, daß dieses maulwurfsartige, unscheinbare, doch fleischfressende Wesen bevorzugt Pinguinen nachstellt. Dies bedeutet also, daß wir uns in die südliche Hemisphäre begeben und die Antarktis besuchen, den bislang einzigen nachgewiesenen Lebensraum jenes seltenen Tieres.

Doch es stellt sich die berechtigte Frage, wie es dieses, im Vergleich zu den Pinguinen, doch recht kleine Tier schafft, eben jene großen flugunfähigen Tiere zu überwältigen und zu verspeisen.
Die Antwort ist banaler als man denken mag und gab dem weißfelligen Geschöpf seinen vielsagenden Namen.

Mit wohldurchblutetem Kopf und einer Körpertemperatur von exakt 43 Grad Celsius wühlt sich der HKNB durchs Eis. Jene auf diese Weise entstehenden Gänge und Schächte werden folglich den Pinguinen zum Verhängnis.
Die Vögel brechen in diese untereisischen Gänge ein und können sich oftmals nicht mehr daraus befreien. Derart gefangen bilden sie eine leichte Beute für den HKNB, der bei solcherlei Gelgenheit einen ungeahnten Heißhunger entwickeln kann.

Binnen kurzer Zeit zeugen aufgrund dessen nur noch Frack, Zylinder und Stock von seiner Beute. Ein ähnliches Schicksal vermutet man auch bezüglich des im 19. Jahrhundert unter bislang ungeklärten Umständen verschwundenen französischen Forschungsreisenden Philippe Poisson.
Jener hatte in seinem vor kurzem gefundenen Tagebuch bis dato unverständliche Notizen von seltsamen, roten Blitzen dicht unter der Eisoberfläche vermerkt. Heute wissen wir, daß er wahrscheinlich einige HKNBs in vollster Geschäftigkeit beobachtet hatte.
Selbst ein angeblicher Nachfahre Poissons bedankte sich für die gelungene Rehabilitation seines Ur-Ur-Großvaters. Insbesondere dessen zeitgenössische Gegner, allen voran der Deutsche Heinrich von Derersteapril, führten die Erstbeschreibungen des HKNBs auf Poissons Missbrauch von Absinth zurück.

Ein erster Artikel über den HKNB erschien 1995 im amerikanischen populärwissenschaftlichen Discovermagazin. Jene Zeitschrift erschien erstmals 1980, wurde später von der Walt Disney Company übernommen und befindet sich mittlerweile im Besitz zweier Investmentgesellschaften.
Die Reaktionen auf den HKNB-Artikel jedenfalls übertrafen sämtliche Erwartungen. Die Telefone des Verlages liefen heiß, es gingen mehrere Anfragen zoologischer Gärten ein. Selbst die Fernsehsendung "Ripley´s Believe It Or Not" befasste sich mit der Entdeckung des HKNBs. Jene Serie wurde hierzulande unter "Ripley´s unglaubliche Welt" ausgestrahlt.

Bald jedoch wurde es wieder ruhig um den Heißköpfigen Nackteisbohrer. Weshalb?
Der Verfasser des Artikels, ein gewisser Tim Folger, ein amerikanischer Autor diverser wissenschaftlicher Texte, lüftete das Geheimnis um den HKNB und dass es sich dabei nur um einen Aprilscherz handele. - Philippe Poisson (Poisson d`avril, Aprilfisch, was im Französischen für den Aprilscherz steht)
- jener überlesene Name des deutschen Kritikers Poissons, Heinrich von Derersteapril


Amüsanterweise erhielt die Discover-Redaktion, laut eigener Darstellung, aufgrund von Folgers Artikel mehr Zuschriften und Anrufe als zu irgendeinem anderen ernstgemeinten Artikel.

USK: 0 von 5

Da der HKNB nie existierte, nicht einmal in vergleichbarer Form, ist dies eine höchst verdiente 0 auf der Schreckens-Skala. Wobei, schade eigentlich, denn phantasiert man ein wenig über die Möglichkeiten, die ein solche Tier in sich bärge, so wirds rasch recht interessant und zöge eine gänzlich andere Einstufung nach sich.

Wie stets hätte die Medallie nämlich zwei Seiten.
Einerseits könnten diese Tiere im Winter für schneefreie Straßen sorgen. Höchstwahrscheinlich kostengünstiger und effektiver als so manche Stadt dies bislang meist zu leisten vermochte. Obendrein würden diese Tiere während der Arbeitszeit keine Bild-Zeitung lesen und so den Springer-Verlag finanzieren.

Andererseits, wohin mit dem dann plötzlich in Massen vorhandenen Streusalz? Eventuelle Beeinträchtigungen des HKNBs bei intensiverem Salzkontakt müssten zuvor erforscht werden, während der bisherige Arbeiter damit keine Probleme zu haben scheint. Darüberhinaus wären, im Falle größerer HKNB-Kolonien, die Folgen fürs Klima kaum abzusehen.
Was wäre im anderen Fall, im Fall eines weitgehend ausbleibenden Winters? Wofür verwendet man die Tiere dann? Was, wenn Heerscharen arbeitsloser HKNBs marodierend und protestierend die Polkappen zum Schmelzen brächten? Derlei bedürfte reiflicher Überlegung.

Desweiteren würden auf verschrobene Art und Weise geniale Militärs das Potential des HKNBs zweifellos rasch für sich zu nutzen versuchen. Delphine, Bären und allerlei andere Tiere haben sie schließlich längst für ihre Zwecke mehr oder weniger erfolgreich missbraucht und sei es nur als Zielscheibe für eine völlig bescheuerte Dame aus Alaska.

Aber genug davon, ich bringe euch sonst auf gänzlich verkehrte, unglaublich lukrative Forschungsideen. Klebt also bitte nicht der nächstbesten Ratte einen batteriebetriebenen Toaster auf die Nase und versucht bitte auch nicht, dieses bedauerernswerte Geschöpf dann mit einem an Haarausfall leidenden Schneefuchs aus dem Zoo eures Vertrauens zu kreuzen. Zumindest nicht ohne feste Handschuhe, da beide wahrlich fies kratzen und beißen können!
Sonst heißt es dereinst, wenn alles schiefging: "Warum gebt ihr mir die Schuld? Die Idee stammt doch von Singularis Porcus." Woraufhin ich in anbetracht wohl getaner Arbeit antworten werde: "Exzellent! Igor, bring mir einen unverdünnten Heurigen. Warum unbeteiligt dem langsamen Dahinsiechen der Welt beiwohnen, wenn man sie aktiv viel rascher und farbenprächtiger zerstören kann?"

In diesem Sinne bis zum nächsten Fabeltag

© Singularis Porcus




Otto der Große in - Die Deutschen Kaiser - von Max Barack (1888)






Persönlichkeiten des Mittelalters

Otto der Große

Zeichnung von 1450: Begegnung von Kaiser Otto d. I. mit Papst Johannes XII. Otto ist der älteste Sohn aus König Heinrichs I. zweiter Ehe. Er wurde am 23.11.912 in Wallhausen bei Sangerhausen geboren. Sein Vater hatte ihn bereits 929 als Thronfolger bestimmt und die Zustimmung der Großen des Reiches zu dieser Entscheidung eingeholt. So etwas hatte es aber im germanischen Rechtsraum noch nie gegeben. Immer hatten alle gleichrangigen Söhne gleichberechtigt geerbt. Aber das Reich ließ sich nicht mehr teilen, es wäre unregierbar geworden oder in kleine Einzelfürstentümer zerfallen.

Als König Heinrich 936 starb, folgte Otto ihm als Herzog der Sachsen und König des Ostfrankenreiches nach. Ab 951 ist er zudem König der Langobarden - und ab 962 römisch-deutscher Kaiser.

Über Jugend und Erziehung Ottos ist fast nichts bekannt. Vermutlich waren sie militärisch geprägt. Erst mit 30 Jahren lernt er (mühsam) Lesen und Schreiben. Erste Erfahrungen als Heerführer sammelt er an der Ostgrenze des Reiches gegen die Slawen. Als Sechzehnjähriger geht er eine Beziehung zu einer vornehmen Slawin ein und wird Vater des illegitimen Sohnes Wilhelm (später Erzbischof von Mainz). Diese Frau kam als Ehefrau wegen ihrer Herkunft nicht in Betracht. Vermutlich ist sie eine Schwester des Hevellerfürsten Tugumir gewesen.

Als Otto 929 mit der angelsächsischen Prinzessin Eadgith von Wessex verheiratet wird, bekommt die slawische Nebenfrau ihre standesgemäße Versorgung in einem Damenstift (vermutlich Möllenbeck an der Weser) bestätigt.

Für seine Krönung knüpft der Sachse Otto bewußt an karolingische Traditionen an: er wählt Aachen als Krönungsort und trägt fränkische Kleidung. Trotz der guten Vorbereitung durch den Vater gibt es im Anschluß an den Thronwechsel innerhalb der Familie für mehrere Jahre heftige Machtkämpfe. 937 verbündet sich der übergangene ältere Halbbruder Thankmar mit Eberhard von Franken und Graf Wichmann - und findet im Jahr darauf den Tod.

Eberhard von Franken verbündet sich erneut mit Gegnern Ottos, nämlich Giselbert von Lothringen, Ottos jüngerem Bruder Heinrich und Erzbischof Friedrich von Mainz. Die Slawenaufstände an der Ostgrenze kosteten zahlreiche Opfer. Die sächsischen Gefolgsleute des Markgrafen Gero beklagten zu geringen Ausgleich der Verluste durch Beute und Tribut. So lassen sie sich 939 in Saalfeld von Heinrich zu einer Verschwörung bewegen und bestechen, in deren Folge Otto zu Ostern 941 in Quedlingburg ermordet werden soll. Doch Otto erfährt davon, das Attentat unterbleibt. Heinrich wird in Ingelheim inhaftiert und die meisten Verschwörer werden hingerichtet. Die barfüßige fußfällige Unterwerfung Heinrichs Weihnachten 941 bringt ihm Verzeihung. Seither revoltiert er nicht mehr gegen seinen "großen" Bruder.

Nun kann Otto seine Stellung ausbauen. Schon 946 (kurz nach dem Tode von Königin Eadgitha) bestimmt er seinen Sohn Liudolf zum Nachfolger. Dieser ist mit Ida von Schwaben verheiratet, der Erbtochter Hermanns von Schwaben. Als dieser 949 stirbt, ernennt Otto seinen Sohn zum Erben des Dukats. Seine Tochter Liutgard verheiratet er mit dem Franken Konrad dem Roten. Diesem gibt er 944 das Herzogtum Lothringen.

Im Jahre 924 war mit dem Tode Berengars von Italien das westliche Kaisertum erloschen. Hugo I. und Lothar II. von Italien führten ein ungutes Regiment - Hugo rief die Araber ins Land, diese die Ungarn, und beide plünderten seither Oberitalien aus - und hatten in Berengar von Ivrea einen skrupellosen Gegenspieler. Lothar war mit Adelheid von Burgund verheiratet und starb früh und plötzlich im Jahre 950, nur drei Jahre nach seinem Vater. Man sprach offen von einem möglichen Giftmord.

Berengar, selbst verheiratet, versuchte nun, an den Langobardenthron zu kommen, indem er die Königinwitwe drängte, seinen Sohn zu heiraten. Diese Überleitung der Königswürde war nach langobardischem Recht möglich. Adelheid aber sträubt sich und wird samt ihrer kleinen Tochter Emma in Canossa festgesetzt. Berengar regiert auch so.

Adelheid ist mit Otto versippt. Und Otto ist frisch verwitwet. Er kann nun die langobardische Krone erheiraten und so das Erbe Karls des Großen antreten. Er zieht 951 nach Italien, läßt Adelheid durch seinen Bruder Heinrich von Canossa nach Pavia geleiten und heiratet sie im Oktober 951 dort. Die "Großen" Italiens huldigen ihm als "rex langobardorum".

Die Eheschließung mit Adelheid verschärft die Konflikte um die Stellung innerhalb der Familie. Liudolf und Heinrich machen sich den zweiten Platz nach dem König gegenseitig streitig. Und nun drohen kleine Brüder aus der zweiten Ehe Ottos! Liudolf fühlt sich in die Ecke gedrängt....

(Fortsetzung folgt)

© Amhara zu Agorá




Heil- und Nutzpflanzen

Bohnenkraut

Bohnenkraut (Satureja acinos) (Tafel aus -Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz- von Otto Wilhelm Thomé von 1885 Im Mittelalter gehörte die Bohne - und zwar die Dicke, auch Saubohne, genannte Art - zu den wichtigsten Nahrungsmitteln. Sie stellte als Massenträger (mit Linse und Erbse) die Versorgung mit Proteinen sicher.

Nicht ohne Grund heißt es "Jedes Böhnchen ein Tönchen.."Die Geruchsentwicklung der Töne war im weitgehend seifenfreien Mittelalter allerdings nicht das Unangenehme - sondern der Blähbauch, das Völlegefühl oder auch 'Versetzte Winde'. Bohnenkraut hilft hierbei.

Ursprünglich kommt das Bohnenkraut, ein Lippenblütler, aus dem östlichen Mittelmeer-Gebiet und aus der Landschaft rund um das Schwarze Meer. Es braucht Licht und verträgt volle Sonne; ansonsten ist es anspruchslos. Bohnenkraut kann auch gut im Topf gezogen werden. Es gibt eine einjährige ("Sommerbohnenkraut") und eine mehrjährige ("Winter- oder Bergbohnenkraut") Art. Es wird bis 60 cm hoch und verträgt Trockenheit. Man erntet es während der Blüte. Getrocknet behält es sein Aroma, kann aber natürlich auch eingefroren werden.

Schon den Römern bekannt, wurde der Anbau von Bohnenkraut im Capitulare de villis ("Gartenbuch" Karls d. Gr.) vorgeschrieben. Es schmeckt pfeffrig und würzig, ähnelt etwas dem Thymian, wobei das Sommerbohnenkraut etwas 'lieblicher' schmeckt als das Bergbohnenkraut. Daher muß man beim Würzen Fingerspitzengefühl walten lassen. Verwendet wird es in Gerichten mit Hülsenfrüchten, aber auch zu Fisch-, Fleisch- und Eierspeisen.

Vergil empfiehlt, Bohnenkraut in die Nähe von Bienenstöcken zu pflanzen, da die Bienen es gerne befliegen und der Honig dadurch eine leichte Aromatisierung erfährt. Ansonsten schreiben Griechen und Römer diesem Kraut aphrodisierende Kräfte zu. Tabernaemontanus schreibt später (16. Jhdt.), "es reizet zu ehelichen Werken"...

Die waren Hildegard von Bingen egal. Für sie war es ein Heilmittel bei Verdauungsproblemen, aber auch bei Husten und Bronchialerkrankungen. Dazu wird es als Tee aufgebrüht.

Mit Rosmarin, Thymian und Salbei gemischt kann man auch ein belebendes Bad damit ansetzen.

© Amhara zu Agorá




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