Ausgabe 162 | Seite 2 1. August 2010 AD
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Kopfgrafik - © upjers GmbH & Co. KG

 

Sprechende Steine

Das, was uns selbstverständlich ist, die Fähigkeit des Lesens und Schreibens, war für den Menschen des Mittelalters bis zu Zeit der Reformation das Vorrecht einer kleinen Minderheit. Selbst der Adel und die Könige hatten ihre Schreiber und Vorleser.

Symbole an den Wänden waren wie Bilderbücher. Hier konnte man erfahren, um was es in der Bibel eigentlich ging. Welche gewaltige Umwälzung, ja Revolution zur Zeitenwende, war die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther im Zusammenwirken des Drucks des ersten Buches, der Bibel, durch Johannes Gutenberg. Es lernten immer mehr Kinder auch in den Dörfern Lesen und Schreiben. Jetzt hatten die Menschen einen direkten Zugang zum Wort Gottes und brauchten keine Mittler in Gestalt von Priestern mehr. Niemand konnte mehr dem anderen ein X für ein U vormachen.

Gehen wir weiter durch den Buchstaben B...

Burg
Hier haben wir wohl das Symbol, in dem sich der mittelalterliche Mensch wohl von seinem Schöpfer verstanden gefühlt haben muß. Die Burg wid gerne auf einem Berg oder einer Waldlichtung darstellt. Die Burg war Hort der Geborgenheit, aber auch Verteidigungsfestung.

Der Schlüsseltext für dieses Symbol steht im Psalm 144. Ich gehen ihn wider nach Martin Luther. An seine kraftvolle Sprache reicht kein moderner Text. Zu dem ist Luther dem mittelalterlichen Menschen näher als wir heute.

„Gelobt sei der Herr, mein Fels,
der meine Hände kämpfen lehrt
und meine Fäuste, Krieg zu führen,
meine Hilfe und meine Burg,
mein Schutz und mein Erretter,
mein Schild, auf den ich traue,
der Völker unter mich zwingt...“

Die Burg mit ihren Mauern und Türmen waren Schutz und Zuflucht gegen Dämonen, so Johannes Chrysostomus.

Differenzierter, ja vielleicht psychologisch waren dagegen Hildegard von Bingen in ihrer inlustrierten Schrift "Scivias" und Theresia von Avila in "moradoas interiores"(span. Titel). Sie sahen Gott als schützenden Festung oder innere Burg in Zeiten seelischer Ungemach.

Die Kunst stellte das himmlische Jerusalem meist als hochgelegene Burgstadt dar.

© Thalassa von Kerygma


Aus dem Archiv

Warentransport im Mittelalter

Kontrakte sind eine wunderbare Erfindung: Man schickt seine Waren an Geschäftspartner und freut sich über die klingenden Münzen. Doch wer von uns denkt sich schon, wenn man gemütlich im eigenen Kontor sitzt, wie das Transportwesen im Mittelalter überhaupt funktioniert. Ich habe mich kürzlich mit meinen Fuhrleuten unterhalten, und sie erzählten mir allerlei Interessantes.

Ihr Zuhause liegt an der Straße, die Augsburg und München mit dem Inntal, Südtirol und schließlich auch Venedig und Mailand verbindet - der Via Claudia. Diese Straße existiert seit der Römerzeit, auch wenn sie vermutlich in den „dunklen“ Jahrhunderten bis um das Jahr 1000 weniger genutzt wurde. Erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Städte, der seinen Gipfel fand in den Kreuzzügen, als mit Konstantinopel und schließlich mit Jerusalem neue Märkte erschlossen wurden, setzte der rege Handel über den Brenner wieder ein. Eine große Rolle spielt hierbei der Fernhandel zwischen den italienischen Häfen und den deutschen Städten, aber auch Flandern und den Niederlanden. In Richtung Süden werden vor allem Tuche, Textilien, Eisenwaren und Metalle transportiert, in der Gegenrichtung vor allem Wein, Gewürze, Färbemittel und generell Waren, die in Nordeuropa nicht vorkommen. Hierbei denkt man unweigerlich an die großen Handelshäuser der Fugger, Welser und unzähliger anderer, die durch den Fernhandel zu Reichtum gekommen sind. Dieser Handel spielt jedoch in mehrerlei Hinsicht eine große Rolle für alle Anwohner dieser Straße.

Viele von Ihnen sind Fuhrleute oder Flößer, die die Waren von einer Sammelstelle zur nächsten bringen. Der gesamte Transport ist in der sogenannten Rott organisiert, ein sehr ehrbares Handwerk. Man rechnet, ähnlich wie im römischen System, dass man mit einem beladenen Wagen an einem Tag nur eine gewisse Strecke zurücklegen kann. In unserem Fall ist dies die Strecke von Partenkirchen nach Mittenwald, also ungefähr 25 Kilometer. Da nur tagsüber gefahren wird, müssen die Waren nachts sicher und bewacht gelagert werden. Dies geschieht in den Ballenhäusern, die überall entlang der Straßen zu finden sind. Um die Fuhrleute gerecht zu behandeln werden die Transportaufträge aufgeteilt und auf eine Etappe beschränkt, d. h. die Partenkirchner Fuhrmänner dürfen Waren nur auf der Strecke von Partenkirchen nach Mittenwald bzw. Oberammergau, nicht aber zurück fahren, die jeweils entgegen gesetzte Richtung gehört den dortigen Spediteuren. Gefahren wirde im Konvoi von 6, 12, manschmal aber auch 50 oder gar 100 Wagen. Auf diese Weise ist ein relativ sicherer Transport möglich, dessen Dauer jedoch volle vier bis sechs Wochen von Augsburg nach Venedig beträgt. Die Aufträge werden zu gleichen Teilen vergeben, also jeder Fuhrmann machte die Reise gleich oft, um zu verhindern, dass Neid und Missgunst entstehen, sowie um sicher zu gehen, dass jeder seine Familie und die Pferde gleich gut unterhalten kann. Man muss jedoch anmerken, dass dieser Transport sehr teuer für den Spediteur ist, da in jedem Ballenhaus bzw. auf jeder Etappe mehrere Gebühren zu entrichten sind. Hierzu zählen Zollpfennig, Fuhrlohn, Niederlagsgeld, also die Gebühr für die Lagerung, Ballenhausgeld und teilweise etwas abstruse Gebühren wie beispielsweise das Pflastergeld, das in Mittenwald nach der Pflasterung des Marktplatzes erhoben wurde. Trotz alledem muss sich dieser Transport auch früher sehr rentiert haben, da für den Brenner ein Anstieg der Warenmenge von 1300 Tonnen im Jahre 1300 auf 12000 Tonnen im Jahre 1619 verzeichnet werden konnte.

Ein weiterer Faktor, der die Werdenfelser, vor allem aber die Partenkirchner betrifft, war die Verleihung des Marktrechts an Partenkirchen im Jahre 1361 durch Kaiser Karl IV. Mit diesem haben sie nunmehr das Recht, zweimal im Jahr einen Jahr- und Viehmarkt sowie alle 2 Wochen einen Wochenmarkt abzuhalten. Hier haben seitdem die Werdenfelser Handwerker die Möglichkeit, ihre Waren den vorbeikommenden Händlern zum Verkauf anzubieten und damit neue Absatzquellen zu erschließen, auch wenn sie nicht selbst auf Reisen gehen können. Zudem verdient damit die fürstbischöfliche Regierung in Freising an Steuern und Standgeld. Später wurden sowohl Mittenwald als auch Garmisch zu Märkten erhoben, wobei das genaue Datum in keinem der beiden Fällen bekannt ist.

Schließlich möchte ich noch auf eine Form der Rott zu sprechen kommen, die in Werdenfels auch heute noch betrieben wird – die Flößerei. Der Ursprung der Floßfahrt liegt im sog. Treideln, also dem Vorgang, bei dem in Meterstücke geschnittene Baumstämme in einen Bergbach geworfen und so zu Tal transportiert werden. Diese Meterstücke werden dann zusammengebunden und als Flöße nach München geführt. Vor kurzem ging man dann dazu über, diese Flöße aus ganzen Baumstämmen zu bauen, womit sie belastbarer wurden und damit auch schwere Waren wie Gips, Kalk oder Schindeln auf ihnen transportiert werden können. Von Garmisch an der Loisach und Mittenwald am Inn gehen Flöße nach München, Regensburg, ja sogar von Reisen nach Linz, Wien und Budapest wird berichtet. Die Floßfahrt ist vor allem lohnend bei schweren Waren, aber auch sonst ist der Transport zu Wasser bis zu 10mal billiger als zu Land, umgeht man doch damit die Rottstationen mit dem Niederlagsgeld.

Letztlich gibt es noch eine Variante des Fernhandels, der, wenn auch in geringem Maße, einigen Werdenfelsern ein gesichertes Einkommen beschert – der Schmuggel. Es mag nahe liegend erscheinen, dass die versteckten Wege und Höhlen im Kalkstein der Alpen schon früh bekannt waren und zum Schmuggel verwendet wurden. Führt man sich vor Augen, dass auf der Route von Venedig alle 20 bis 25 Kilometer ein Ballenhaus mit allen möglichen Gebühren steht, so ist die Gewinnspanne enorm, wenn man sie alle umgehen kann. Berichte über Schmuggler finden sich seit ca. 1200 immer wieder in den freisingschen Gerichtsakten. Geschmuggelt wurden vor allem leichte, teure Güter wie Seide, Gewürze oder andere Luxuswaren, aber auch Korn.

Als der Fuhrmann seine Geschichten beendete, schien der Mond schon hell am Himmel und die Eule in der alten Eiche machte sich bemerkbar. Ich bendankte mich bei Ihm, und versprach, Ihm zu seiner nächsten Fahrt einen Schlauch Wein zu spendieren. Er freute sich und machte sich sogleich von dannen... Ich beschloß indes, seine Erzählungen zu ordnen und niederzuschreiben.

© Markus Wagner Stadt Werdenfels


Die Sage von den Bierpantschern

Auf der Burg Stockenfels, hoch auf einem Bergrücken über dem Regental gelegen, büßen allnächtlich die ihre Sünden, die das drittschlimmste Verbrechen in Bayern begangen haben. Nach Mord und Brandstiftung ist dies „Wasser ins Bier zu schütten“, so sagen es wenigstens der Volksmund und die einschlägigen Sagen und Geschichten rund um die berüchtigte Geisterburg Stockenfels, auch manchmal Bierpantscher-Walhalla genannt. Zu den Pantschern gesellen sich auch die ungetreuen Kellnerinnen, Schankkellner, Wirte und Wirtinnen, die gepantscht, schlecht eingeschenkt oder sonstwie ihre vertrauensvollen Gäste betrogen haben.

Pünktlich um Mitternacht öffnet sich der sonst verschüttete grundlose Burgbrunnen und eine endlos scheinende Leiter reicht von der Brunnensohle bis hoch hinauf zur Turmspitze des wuchtigen Bergfrieds. Die Stockenfelser Teufel treiben nun die armen und jammernden Seelen der Malefizianten auf die Leiter, bis Sprosse um Sprosse besetzt ist, von ganz unten bis hoch oben. Unten schenkt ein Teufel Eimer um Eimer voll Wasser und die Kette der Verbannten muss sie weiterreichen bis ganz oben, wo der Oberteufel das geschöpfte Wasser über die Burgmauer wieder ausschüttet.

Das geht so Nacht für Nacht in der Geisterstunde, und die Buße dauert in alle Ewigkeit, weil Braumalefizianten niemals Ruhe finden. Sie müssen so viel Wasser schöpfen, wie sie in ihrem Erdenleben ins Bier geschüttet und so ihre Gäste betrogen haben. Etliche sind auch namentlich bekannt, so der Schwodlbräu von Zangenstein, die Kellnerin von Stadtamhof, drei Kellnerinnen vom Hofbräuhaus, einige Bräuer von München, der Podagrawirt von Haag, der Pfleger von Aufhausen, der Bräu von Regensburg und viele andere aus bayerischen Landen.

Und etliche sind schon seit 300 Jahren da oben, und täglich werden es mehr. Deshalb trocknen auch die tiefen Weiher zu Füßen der Burg sogar im heißesten Sommer niemals aus, kein Wunder angesichts der Wasserläufe, die sich von der Burg allnächtlich in sie ergießen. Und es gehen viele Geschichten um von neugierigen, nächtlichen Wanderern, die unfreiwillig Zeugen der Pantscherbuße auf Burg Stockenfels wurden. Sie haben aber allesamt ihre Neugierde mit dem Leben bezahlt und schauen nun selbst allnächtlich und ewiglich das Geisterfest auf Stockenfels.

© haidt


Eierlikörtorte

Zutaten für den Wiener-Boden:

  • 4 Eier
  • 3 Eßl. heißes Wasser
  • 150 gr. Zucker
  • 1 Päckchen Van.-Zucker
  • 1 Pr. Salz
  • 100 gr. Mehl
  • 100 gr. Stärkemehl
    ersatzweise Puddingpulver Van.-Geschmack
  • 2 gestr. Eßl. Backpulver

Zutaten für die Füllung:

  • 2 x Schoko-Mousse
    oder Nougat-Mousse (Fertigcrememischung)
  • 2 x Schlagsahne
  • 2-3 Bananen
  • grob geriebene Zartbitterschokolade
  • 1 kleine Flasche Eierlikör

Zubereitung:

Die Eier trennen, das Eigelb mit dem Wasser und dem Zucker sehr cremig schlagen. Separat das Eiweiß mit Salz und dem Zucker streif schlagen und dann diesen Ei-Schnee unter die Eiergelbmasse nach und nach und sehr vorsichtig geben. (Die lockere Konsistenz darf dabei nicht zerstört werden). Anschließend das Stärkemehl, Mehl mit Backpulver (alles zusammen siebend) unter die Eiermasse geben. Auch hier wieder alles vorsichtig verrühren.

Eine Springform vorbereiten: den Boden lege ich mit Backpapier aus, dann normal die Springform zuspannen. Am Rand herausschauendes Papier abschneiden. Den Springformrand aber gut einfetten und entweder mit Paniermehl oder Grieß einstreuen. Überschüssiges Paniermehl abschütten.

Den Teig ca. 40 min bei normaler Mittelhitze (ca. 175 Grad) backen. Umluft etwas niedriger einstellen, ca. 150 Grad.

Kontrollieren, ob Teig durchgebacken ist: mit Holzstäbchen in den Teig stechen, am besten in der Mitte. (Nur wenn Stäbchen trocken beim Rausholen ist, dann ist der Teig durch). Sicherlich ist ein Wiener Boden auch kaufbar. Falls aber ein dunkler Boden gewünscht ist, kann man noch etwas Kakao darunter geben.

Den Boden 2 x mit einem Bindfaden teilen. Man erhält also drei Teile. Einen Tortenrand um die unterste Bodenplatte spannen. (Wenn kein Tortenrand da ist, den sauberen Springformrand der Backform verwenden oder einen Tortenrand aus Pappe basteln ) Die Mousse ca. 1cm dick auf den Teigboden geben, für kurze Zeit im Kühlschrank festwerden lassen, anschließend Bananen (in Scheiben geschnitten) auf die Mousse legen.

Den mittleren Tortenbodenteil darauflegen. Auf diesen Tortenboden gieße ich jetzt sparsam den Eierlikör, damit der Boden sich damit vollsaugen kann. Entweder mit geschlagener Sahne (Zucker nicht vergessen!) oder mit weiterer Mousse füllen. Auch kann man die geriebene Schokolade hineingeben. Nun abschließend den dritten Tortenboden darauflegen.

Die komplette Torte mit der geschlagenen Sahne bestreichen. Mit einem sehr dünnen Strahl den Eierlikör auf der Torte verteilen, am besten gitterartig kreuz und quer. Den Rand mit geriebener Schokolade garnieren. Kleine Tüpfelchen auf den Tortenrand setzen. Unter die Sahne kann man Sahnesteif geben.

Wahlweise können hier je nach Geschmack unterschiedliche Mousse-Sorten genommen oder nur mit geschlagener Sahne gefüllt werden, auch kann der Boden mit oder ohne Kakao gebacken werden. Ich bevorzuge die Bananen darin, weil man dadurch eine fruchtige Komponente hat.

© Feeburghausen




1. August 1291

Auf der “Ruetli” genannten Wiese am Vierwaldstaettersees schlossen die Abgesandten drei Kantone einen Bund gegen die Habsburger Hersschaftsansprueche.

Mit diesem Treffen der Vertreter aus Uri, Unterwalden und Schwyz wurde nichts weniger als die Schweizer Eidgenossenschaft begruendet..

Dieser Bund erkaempfte sich seine Unabhaengigkeit vom Hause Habsburg. Mit dem “Westfaelischen Frieden” von 1648 wurde ihm diese Unabhaengigkeit bestaetigt, also quasi voelkerrechtlich anerkannt.

Die Schweiz prosperierte unter ihrer Selbststaendigkeit, so zaehlt sie heute 26 Kantone.

Der 1. August ist der einzige staatlicherseits festgelegte Feiertag fuer die ganze Eidgenossenschaft.

© Askanum




Rütlischwur, gemalt von Johann Heinrich Füssli






Krankheiten im Mittelalter

Antoniusfeuer

Durch einen Pilz am Getreide, dem Mutterkorn, wurde das Antoniusfeuer ausgelöst. Wurde das Mutterkorn gegessen, oder Nahrung aus Getreide hergestellt, das von diesem Pilz befallen war, so verengten sich die Gefäße. Es kam zu Durchblutungsstörungen in Herz, Niere und und Gliedmaßen. Die Gliedmaßen wurden schwach und blass. Der Puls war kaum noch zu spüren. Von dieser Krankheit befallene Menschen berichteten auch von Kribbeln auf der Haut und anderen Störungen des Empfindens. Wenn das Antoniusfeuer fortgeschritten war, konnten wegen der Blutknappheit die Extremitäten wie Finger oder Zehen absterben. Auch Kopfschmerzen, Durchfall und Wahnvorstellungen waren Begleiterscheinungen der Krankheit. Oft war das Antoniusfeuer tödlich.

Die Menschen wussten nicht, dass sie durch den Mutterkornpilz krank wurden. Alle Versuche, die Krankheit durch Waschen, Reinigen und Alkohol trinken einzudämmen, schlugen fehl. Erst im 17. Jhd erkannte man den Zusammenhang mit dem Mutterkorn und dem sogenannten "Heiligen Feuer" und konnte so die Krankheit eindämmen. Meist fand man das Mutterkorn auf Roggenähren.

Die Ruhr

Die Ruhr forderte im Mittelalter viele Tote. Heftige Durchfälle sowie Koliken und blutigen/schleimigen Stuhlgang waren Anzeichen von dieser Krankheit befallen zu sein. Auch hier war die mangelhafte Hygiene wieder ein großer Auslöser. Anstecken konnte man sich durch vergiftetes Wasser und durch Fliegen als Überträger.

Man kann zwei Arten der Ruhr unterscheiden: die Amöbenruhr und die bakterielle Ruhr. Die Amöbenruhr war eigentlich nur auf die warmen Länder beschränkt. Für das deutsche Mittelalter ist sie von Bedeutung, da sie Opfer unter Kreuzzüglern, Jerusalempilgern und Italienfahrern forderte. Im Gegensatz zur bakteriellen Ruhr verlief das Anfangsstadium fieberfrei. Was die beiden Ruhrtypen gemeinsam haben ist, dass die Inkubationszeit identisch ist und der häufige heftige Stuhlzwang (bis zu 50 mal am Tag). Dies hatte zur Folge, dass Mastdarmvorfälle auftreten konnten sowie schleimig-blutige Entleerungen.

Während der Heereszüge löste diese Krankheit Massensterben aus. Betroffen war z. B. der Kriegszug Karls des Dicken gegen die Normannen (822) oder die Menschen im Heer Friedrichs I. Barbarossa von Rom. Prominente Opfer waren Karl der Kahle oder auch Otto I. der Große.

Im Spätmittelalter sind besonders nach großen Überschwemmungen viele Fälle von "seuchenhaftem Blutfluss" in den Städten belegt (z. B. Minden und Osnabrück im Jahre 1341). Der Zusammenhang zwischen den Überschwemmungen und der Ruhr ist in den miserablen hygienischen Zuständen zu suchen.

Damals versuchte man die Ruhr mit opiumhaltigen Medikamenten zu bekämpfen, aber man rief auch jenseitige Mächte zur Hilfe. Als Mittel der Volksmedizin kann man aufzählen: getrockneter und pulverisierter Wolfsdarm, die Brühe einer gesottenen Haselmaus (aus dem Wolfsdarm getrunken), Rehblut oder Kuhleber.

Hildegard von Bingen äußerte sich so zur Ruhr:
"Haben also bei einem Menschen die schlechten Säfte die Überhand gewonnen, ..., dann erzeugen sie bei ihm sozusagen eine ungehörige Überflutung, die einen dicken, üblen Rauch und Qualm zu seinem Gehirn aufsteigen lässt und jene kleinsten Gefäße, die das Gehirn umgeben, sämtlich zu einer verkehrten Art der Strömung veranlasst. Dann fließ das Blut in ihnen übermäßig aus und bringt alle die großen Gefäße, denen sie ... angeheftet sind, in Bewegung, so dass auch diese in verkehrter Richtung sich ergießen, ihr Blut durch den ganzen Körper hin ausströmen und zu den Eingeweiden und zum Stuhl hinsenden. So macht dies Blut ... den Stuhl blutig ..."

© haidt


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