Ausgabe 162 | Seite 4 1. August 2010 AD
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Fabelwesen Teil 8

Der Ghul

Nachdem hierzulande, oder zumindest in meinem gewohnten Habitat, der Sommer eine allseits propagierte Atempause einlegt, hilft alles nichts. Beziehungsweise es hilft nur noch eines, nichts wie dorthin, wo die Sonne scheint. So werden die Motten aus der Geldkatze gescheucht und der noch nicht für Eiscreme verbratene Reichtum gezählt. Das Ergebnis dieser Zählung stellt zwar wahrlich nicht zufrieden, doch genügt es erst mal. Sorgen kann man sich schließlich auch morgen.

Rasch ein Bündel geschnürt und schon hopsen wir auf das nächstbeste Fuhrwerk, welches uns gemächlich unserem Ziele näher bringt. Auf dem Weg dorthin genießen wir die ruhig dahinziehende Landschaft, einzig unterbrochen durch gelegentliches Geholper wenn größere Steine sich einbilden, den Untergrund mimen zu müssen.

Das Wiederkäuen der Ochsen wiegt uns sanft in den Schlaf und selbst der Geruch ihrer omnipräsenten Verdauung stört uns nach wenigen Stunden nicht mehr. Schließlich entschädigt der Blick zurück Vieles. Ein Blick zurück auf wohl gedüngtes, blühendes Land. So vergehen die Tage. Mit großen Augen betrachten wir Länder und Leute. Später betrachten wir sie unter großen Schmerzen, da der Reisekomfort sich doch arg in Grenzen hält. Da entsinnen wir uns, daß wir in einem von Ochsen gezogenen Fuhrwerk unterwegs sind.

Unter den verwunderten Blicken der Mitreisenden springen wir von Bord und hüpfen selig jauchzend einige Meter voraus. Andere folgen unserem Beispiel, wovon manch einer dies rasch bereut, da er, voll des Übermuts, nach hinten ausstieg. Jene erleben das Wunder der Düngung somit hautnah, denn noch während sie im Fluchen begriffen sind, sprießen die Haare auf ihren Füßen in nie dagewesener Art und Weise.

Von derlei kleinen Geschichten abgesehen, verläuft die Reise ruhig und bald künden die ersten fliegenden Teppiche vom Ziel der Reise. Im Idealfall überlebte nicht jeder diese Reise und dient auf diese Weise als Geschenk. Ein Geschenk für jene Wesen, denen am heutigen Tage unsere Aufmerksamkeit zuteil wird, den Ghulen! Doch macht euch keine Hoffnungen. Geschenke werden sie nicht milde stimmen oder gar von eurem zartem, wohltemperiertem und appetitlich riechendem Fleische abhalten.

Nach kurzem Umsehen wird klar, wir befinden uns mitten im Morgenland. Genauer gesagt, in Mesopotamien, jenem sagenumwobenen Zweistromland, im heutigen Irak, dem Nordosten Syriens sowie im Südosten der Türkei gelegen.

Die Reiche der Sumerer, Babylonier, Aramäer und Assyrer bildeten sich dort und mit ihnen die Legenden vom Ghul.

Im Volksglauben gilt der Ghul als schrecklicher, gefährlicher und leichenfressender Dämon. Er kann in unterschiedlichste Gestalten schlüpfen, behält jedoch stets seine Eselsbeine, ähnlich dem abendländischen Teufel mit Bock- oder Pferdefuß. Der Ghul besitzt viele Ähnlichkeiten zum Dschinn, gilt er gemeinhin als letztlich dem Guten gänzlich abgewandter Dschinn. Während ein Dschinn dem Menschen durchaus wohlgesinnt sein kann, die Betonung liegt allerdings auf KANN!

Zwecks Optimierung des Arbeitsablaufes gibt es selbstverständlich ein weibliches Pendant, Ghula genannt. Sie lockt Reisende in der Wüste vom rechten Weg, um sie anschließend genüsslich zu verschlingen.

In unzähligen Mythen und Märchen des Morgenlandes spielen Guhle eine Rolle, insbesondere in den großartigen Erzählungen aus den tausendundein Nächten. Um den Rahmen dieses Artikels nicht über Gebühr zu sprengen, sei an dieser Stelle lediglich darauf verwiesen.

In der europäischen Literatur und Mythologie war ein menschen- bzw leichenfressender Ghul im ursprünglichen Sinn nicht anzutreffen. Erst nach der Veröffentlichung der Erzählungen aus den tausendundein Nächten manifestierten sich die Ghule auch in der westlichen Welt und trieben fortan ihr Unwesen.

In den Erzählungen H.P.Lovecrafts besitzen die Ghule hundeähnliche Gesichtszüge und leben unterirdisch gemeinschaftlich in der Nähe von Friedhöfen. Bekannte Seriengestalten wie "Geisterjäger John Sinclair" oder "Professor Zamorra" hätten ohne die Ghule weit weniger zu tun. Dennis L. McKiernan, Terry Pratchett, Wolfgang Hohlbein, Joanne K. Rowling und viele andere erzählen in ihren Büchern von Ghulen. Selbstredend tauchen Ghule auch in Comics auf, insbesondere bei DC.

Des Weiteren kommt kaum ein Fantasy- oder Endzeit-PC/Konsolenspiel oder Pen & Paper RPG ohne sie aus. WarCraft 3, World of Warcraft, Fallout, Myth, Vampire: The Masquerade und in vielen mehr würden SpielerInnen einiges ohne die Ghule missen.

USK: 5 von 5
Laßt es mich so sagen: Ein bekiffter Versicherungsvertreter, ein Zeuge Jehovas im Blutrausch oder ein großes wütendes Huhn sind nichts gegen einen Ghul. Stets agressiv und kraftvoll ist der Ghul auf den Genuß menschlichen Fleisches spezialisiert.

Im Falle einer sich langsam und knarrend öffnenden Tür seid euch eurer Einsamkeit bewußt. Denn niemand wird und kann euch dann noch helfen. Wer ihm einmal gegenübersteht, lernt rasch Ansichten von sich kennen, die er niemals hätte machen wollen. Oder kurz gesagt, betrachtet sich selbst rasch in einem anderen Licht. Wenn er, Gott weiß wie, sich den Strom angesichts steigender Strompreise noch leisten kann.

Ghul-Babys mögen mit ihren riesigen Kulleraugen anfangs sehr niedlich wirken, doch bedenkt, auch die werden groß!

In diesem Sinne, frohes Fürchten bis zum nächsten Fabeltag!

© Singularis Porcus




Der Ghul ist im persisch-arabischen Kulturkreis ein gefährlicher, leichenfressender Dämon.




Hinrichtung von Seeräubern in Hamburg, 1573




Hinrichtung durch Scharfrichter


Ehrlose Berufe

Im Mittelalter gab es eine Reihe von Berufen, die von der Gesellschaft verachtet wurden. Sie begründen mit Sicherheit auch einen Großteil der gar so dunklen und beängstigenden Sichtweise über das Mittelalter, das in der heutigen Gesellschaft so gern vertreten wird. Aber andererseits ist ja auch gerade das der Reiz, den das „dunkle“ Zeitalter auf uns ausübt. Wer will schon im realen Leben mit der dunklen Seite in Berührung kommen? Und genau deswegen sind viele Menschen geradezu fasziniert von historischen Krimis und Romanen, in denen Meuchelmörder und Königstöter ungeschoren davon kommen können. Wo das schänden von Frauen meist „übersehen“ wurde, bzw. von Grafen, Fürsten, Herzögen und Königen sogar "Freudendienste" gefordert werden durfte.

Aber wie war das Leben für die Menschen die diese „Berufe“ ausüben mußten? Paradebeispiele sind hier der Scharfrichter (Henker, Züchtiger) der Abdecker, der Totengräber und die Prostituierten. Meist nahmen die Menschen diese ehrlosen Berufe aus reiner Geldnot und Überlebensnot an und nicht etwa weil sie so merkwürdige Vorlieben hatten.

Der Abdecker hatte zur Aufgabe Teile der toten Körper von verendeten Tieren weiter zu verwerten. Der Ausdruck "abdecken" ist ein anderes Wort für "Enthäuten der Tierkadaver". Er hatte also viel Kontakt mit toten Tieren und deshalb auch ein erhöhtes Risiko an gefährlichen Krankheiten, wie z. B. dem Milzbrand zu erkranken. Wegen des ungeheuren Gestanks der Leichenteile von Tieren musste der Abdecker außerhalb von Dörfern wohnen.

Auf diesen Geländen besteht übrigens noch heute Gefahr, an Milzbrand zu erkranken, da der Milzbranderreger über Jahrhunderte überleben kann. Die Knochen der auseinandergenommenen Tiere gab der Abdecker den Seifensiedereien. Die Häute gingen an die Gerbereien und das verfaulte Fleisch an Salpetersiedereien. Der Abdecker einer Stadt war in einigen Fällen auch gleichzeitig der Henker der Stadt, da er von einem Beruf allein nicht leben konnte. Beide Berufsgruppen waren jedenfalls so sehr geächtet, dass sie keinen gesellschaftlichen Kontakt hatten, in der Gaststätte mussten sie z. B. an einem abgesonderten Tisch sitzen.

Der Scharfrichter wurde im Mittelalter auch als Henker, Freimann, Schinder, Züchtiger bezeichnet. Die Tätigkeit des Scharfrichters stellte den unmittelbaren Umgang mit dem Hinzurichtenden dar und war eine offizielle Tötungshandlung, in beiden Fällen deshalb verbunden mit starken Emotionen und Vorstellungen. So war der Scharfrichter immer Objekt des Aberglaubens und damit Relikt des magisch-sakralen Weltbildes, obwohl er selbst erst ab dem 13. Jahrhundert in Erscheinung trat. Ursprünglich wurde der Verurteilte dem Kläger zur Vollstreckung übergeben, der diese selbst durchführte oder von seinen Sklaven durchführen ließ. Lange Zeit jedenfalls war der "Nachrichter", d.h. derjenige, der nach dem Gericht richtete, ein Mensch, der das Töten nicht gelernt hatte.

Außer er war ein Dienstmann des Grafen, der häufig für diese Arbeit herangezogen wurde. Es waren wiederum die Städte, die in ihren Mauern keine Leibeigenen kannten, und deren Einwohner als biedere Bürger sich mehr dem Handel und dem Handwerk zuwandten, als schädliche Leute zu töten, die ein eigenes Amt des Henkers einführten. Die Ausgestaltung des Strafensystems brachte bald die Notwendigkeit mit sich, einen berufsmäßigen Scharfrichter zu bestellen.

Das Amt des Henkers galt jedoch als unehrenhaft und er wurde von der Bevölkerung gemieden, da diese an dämonische und magische Kräfte glaubte, die von ihm ausgingen. Kein Scharfrichter durfte so innerhalb der Stadt wohnen (oder höchstens am Rand) und er hatte auffällige Kleider zu tragen, damit ihn niemand zufällig berührte und so mit seinen übernatürlichen Kräften in Kontakt kam. Auch bei der eigentlichen Hinrichtung spielten magische Kräfte eine Rolle, welche jedoch nicht vom Henker, sondern vom Verurteilten ausging. So versuchte man mit der Henkersmahlzeit den Geist des Verurteilten freundlich zu stimmen und selbst der Scharfrichter entschuldigte sich vor der Vollstreckung bei dem Angeklagten. In manchen Fällen versuchte der Henker, dem Leiden des Verurteilten ein rasches Ende zu bereiten (z.B. beim Rädern, Verbrennen usw.) und erstach ihn heimlich, bevor die eigentliche Tötung begann.

Andererseits waren vor allem Scharfrichter, die auch für die durchführung der Tortur verantwortlich waren, gute Kenner des menschlichen Körpers und abweichender Körperverfassungen. Ihre medizinischen Kompetenzen waren gefragt, sie traten hierdurch in Konkurrenz zu Badern und Ärzten, und es kam im 18. Jahrhundert wiederholt zu Verordnungen, in denen ihnen „alles innerliche und äußerliche Kurieren, bei hoher fiscalischer Strafe, gänzlich verboten“ oder nur unter bestimmten Auflagen erlaubt wurde. Nachdem im Laufe des 18. Jahrhunderts der Rechtsstatus der Unehrlichkeit allgemein und auch in ihrem Fall aufgehoben wurde, wechselten sie oder ihre Söhne nicht selten in den Beruf des Arztes.

Heutzutage ist die staatliche Gewalt in die Judikative, die Exekutive und die Legislative aufgeteilt. Im Mittelalter gab es jedoch diese Gewaltenteilung nicht, sondern die gesamte Rechtssprechung, oft aber auch die Rechtssetzung (Gesetzgebung) und der Vollzug der Strafen lag in einer Hand, die in der Regel allenfalls von einer höheren Gewalt, etwa dem König, kontrolliert wurde - oft aber auch nicht. Dies führte dazu, dass nicht selten unschuldige Menschen nur auf Grund einer bloßen Anschuldigung verurteilt wurden. Anders als in unserer heutigen Zeit wurden keine Strafen im Sinne eines Gefängnisaufenthalts ausgesprochen, sondern höchstens Schuldner bis zur Begleichung ihrer Schuld oder auch Geiseln bzw. in der Schlacht gefangen genommene Feinde bis zur Zahlung eines Lösegeldes in Haft gehalten.

Für "normale" Straftaten hingegen wurden schon bei kleinen Delikten Körperstrafen verhängt und nicht selten wurde auch die Folter angewandt, um ein Geständnis zu erreichen, das eigentlich der Verurteilung vorangehen sollte. Strafnachlass war sehr selten. Selbst Täter, welche ihre Tat tief bereuten, wurden nicht nur zum Tode, verurteilt sondern auch tatsächlich hingerichtet; ein wesentlicher Grund dafür war, dass im europäischen, d.h. christlichen Mittelalter der Glaube an ein Leben nach dem Tode - und eine Vergeltung im Jenseits, d.h. in der Hölle bzw. im Fegefeuer - allgemein verbreitet war. In diesem Sinne glaubte man, dass zum Tode Verurteilte, die ihre gerechte Strafe schon in dieser Welt erduldet und somit Buße getan hatten, nach dem Ableben ohne Schuld im Jenseits weiter leben könnten - und zwar im Himmel.

Das mittelalterliche Strafgesetz war also zum größten Teil vom Glauben geprägt, was ansatzweise die uns oft so grausam erscheinenden Methoden dieser Zeit erklärt.

Der Totengräber musste die Gräber für die Toten ausheben und wieder zuschaufeln, nachdem die Toten hinein gelegt wurden. Außerdem musste er sich um die Leiche bis zum Begräbnis kümmern. Sie waschen, herrichten und richtig in das Grab legen.Bis etwa zum 13. Jh. wurden Leichenüberführung und Erdbestattung von den Angehörigen der Toten, von Zunftgenossen oder frommen Bruderschaften (z.B. Begharden) besorgt. Danach traten, zuerst in den Städten, besoldete Leichenträger und Totengräber auf, die von Anfang an als den Schindern und Kotfegern gleichgestellt und gleichermaßen als unehrliche Leute betrachtet wurden.

Ihre Verfemung rührte wohl daher, dass sie mit dem Arme-Seelen-Spuk in Verbindung gebracht wurden. Man hielt sie des Verkehrs mit der Dämonenwelt und hexerischer Künste für fähig. Häufig gingen Gerüchte um, sie bereicheren sich an Grabbeigaben und an Kleidern der Toten und schüren ihre Herde mit dem Holz ausgegrabener Särge.

Nächste Woche dann noch Genaueres zu den Prostituierten!! Um auch diesen Bereich genau zu beschreiben, brauche ich einfach zu viel Platz um alles in einen Artikel unterzubringen!

© Strahlestädtle






Scharfrichter bei der Vorbereitung




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