Ausgabe 161 | Seite 4 25. Juli 2010 AD
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Fabelwesen Teil 7

Das Hanghuhn

"Aufgrund aktuellen Anlasses unterbrechen wir unsere Fabelwesen-Weltreise am heutigen Sonntag und kehren nochmals nach Deutschland zurück! Was war zuerst da? Das Huhn oder das Ei? Diese Frage wissen die Bewohner der Regnum-Welten mit relativer Sicherheit zu beantworten, ist es doch aktueller denn je. Ganz klar war das Huhn zuerst da!

Doch was passiert, wenn es dereinst einen Vorläufer des Huhns gab? Eine Art Huhn-Prototyp? Ein Schelm, wer bei Evolutionsgeschichte zu Zeiten des Mittelalters im Hintergrund die Scheiterhaufen prasseln hört.

Ein Huhn-Prototyp also, stellt man sich somit die Frage, ob zuerst das Huhn oder das Huhn da war? Dadurch wirds etwas komplizierter.

So wird man erst milde belächelt, woraufhin man recht bald den heimelig-wohligen Komfort eines rundum gepolsterten Zimmers und vorgekauter Nahrung genießt. In der Deluxe-Ausstattung verfügt dieses Zimmer über eine gepolsterte Außenkabine, mitsamt gepolstertem Balkon. Man beachte dabei die herrliche Aussicht auf sich selbst von hinten. Dreht man sich um, kann man sich sogar von vorn betrachten, mit sich sprechen oder in der Nase bohren.

Fakt ist, von allen Hühnern existierte das Hanghuhn als erste Form, als Urhahn sozusagen.
Trotz intensivster Bemühungen seitens der Wissenschaft gibt es bis zum heutigen Sonntage leider keine eindeutigen Beweise, welche die Existenz jener sagenumwobenen Wesen belegten. Somit ist dem Wahnsinn der Vermutungen Tür und Tor geöffnet.

Seit jeher versuchen manche mit ihren erfundenen Geschichten von der Leichtgläubigkeit und den Ängsten der Menschen zu profitieren. Damit ihr, werte Leser, nicht jenen verschlagenen Scharlatanen anheim fallt, erzähle ich euch heute einiges Wissenswertes über das Hanghuhn.

Die ersten Zeugnisse der wahrhaftigen Existenz der Hanghühner sieht die Forschung heute in Hügelgräbern. Diese waren nicht nur letzte Ruhestätten verstorbener Menschen, nein, sie dienten auch der Domestizierung erster, noch gänzlich verwilderter Hanghühner.

Auf diesen Hügelgräbern angesiedelt, versuchte man die Hühner an die Nähe des Menschen zu gewöhnen. Schließlich lebten sie dort nicht nur unter, sondern mehr oder weniger sogar auf den Menschen.

Grundsätzlich unterscheidet man heute zwei Rassen, die links- und die rechtsdrehenden Hanghühner. Beide Arten sind nur schwer miteinander zu verwechseln, da sie sich sehr voneinander unterscheiden. Zwar ähneln sie einander im Aussehen, auch sind die jeweiligen, hangseitigen Flügel stärker ausgeprägt, doch hier enden auch bereits ihre Gemeinsamkeiten. Wobei dies sollte nicht unerwähnt bleiben: beide Rassen zeichnen sich durch ihre große Neugierde aus.

Bei linksdrehenden Hühnern ist das rechte Bein länger und sie bewegen sich ausschließlich im Uhrzeigersinn, während bei ihren rechtsdrehenden Artgenossen das linke Bein länger ist und diese sich ausschließlich gegen den Uhrzeigersinn fortbewegen.

Wissenschaftler schufen, basierend auf den Überlieferungen, ein Modell eines Hanghuhns. Da dieses aber eine sehr große Ähnlichkeit zu einem Tyrannosaurus Rex mit Schlaganfall aufwies, erschraken sie derart vor ihrer Schöpfung, daß sie wegliefen. Wo das Modell sich heute befindet weiß niemand.

Wie so oft bei Vertretern einer Spezies mit unterschiedlichem Verhalten und Aussehen, vertrugen sich die beiden Rassen ganz und gar nicht miteinander. Die Legenden sprechen von beinahe epischen Schlachten zwischen den Hanghühnern. Die größte dieser Schlachten soll am Hühnerberg, einer rund 570 Meter hohen Erhebung zwischen Nördlingen und Donauwörth im bayrischen Teil Schwabens, stattgefunden haben. Vor der Schlacht sei der Berg lediglich 200 Meter hoch gewesen und habe eher Kegelform aufgewiesen, heißt es.

Einige Gelehrte unternahmen im ausklingenden Hochmittelalter letzte verzweifelte Versuche der Züchtung. Aufgrund intensiver Hangabtragung um Weideflächen zu Schaffen, sowie erbarmungsloser Bejagung, war das Hanghuhn nahezu ausgestorben. Doch jedweder Versuch der Kreuzung und Züchtung beider Rassen mit gewöhnlichen Hühnern misslang. Selbst eigens zur Züchtung angelegte und unter Naturschutz gestellte Bio-Sphären-Hänge konnten daran nichts ändern.

Sogar Versuche den Krümmungswinkel der Eierschale zu ändern, um die Jungtiere dadurch bereits früh an eine Schräglage zu gewöhnen, brachten nicht den gewünschten Erfolg. Was den Ruin einiger vorschneller Hersteller leicht angewinkelter Eierkartons nach sich zog.

Endgültigen Garaus bereitete den Hanghühnern kein geringerer als Marco Polo. Als dieser auf seiner Asienreise den dortigen Herrschern die Kunde vom Hanghuhn brachte, war das Schicksal des Tieres besiegelt. Dem kürzeren, hangseitigen Bein wurde seitens der Asiaten rasch eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Bereits kurz danach verliert sich die Spur des Hanghuhns im Staub der Geschichte.

Hoffnungen darauf, daß Hanghuhn sei der Ausrottung entgangen, mußten Wissenschaftler rasch als unbegründet abschmettern. So gibt es heute zwar noch einige Vögel, welche scheinbar abschüssig links oder abschüssig rechts auf Kamelhöckern oder Nilpferdrücken leben. Jene Tiere ließen das Wissenschaftlerherz jedoch nur kurz höher schlagen, weisen sie weder unterschiedlich lange Beine, noch sonstige Ähnlichkeiten auf. Abgesehen davon, daß diese Vögel, im Falle eines sich anpirschenden Wissenschaftlers schlicht und unter hämischem Gekrächze davonflogen.

Währenddessen flugunfähige Hanghühner sehr dazu neigten, schlich man sich von hinten an sie heran, vor Schreck den Hang hinunter zu purzeln.

USK 0 von 5 da Ausgestorben!
Dadurch blieben im Laufe der Geschichte viele Hänge unbestäubt und verschwanden mit der Zeit. Dieses zeigt sich vor allem im bedauernswert platten Norden Deutschlands, wo, mit vorgeschobenem Stolz auf dieses platte Land, versucht wird, die Existenz von Hängen und Hanghühnern zu leugnen. Wissende mögen nun völlig zurecht auf das im Norden ansässige Deichhuhn verweisen. Jedoch tun sie dies nur leise, da dieser Verwandte des Hanghuhns als nicht minder ausgestorben gilt, was mehr und mehr brüchige Deiche zur Folge hat.

In diesem Sinne, gehabt euch wohl.
Bis zum nächsten Fabeltag!

© Singularis Porcus




Hanghuhn im Regionalmuseum von Sitzendorf (Thüringen)


Seifensieder

Die klassischen Werkzeuge der Seifensieder:

  • o Emailletopf
  • o Holzkochlöffel
  • o Seifenform aus Holz
  • o Handwerkszeug für Holzbearbeitung
  • o Sieb

Nachdem ich letzte Woche über Bader, Barbiere und Badehäuser geschrieben habe, fragte mich eine Freundin, ob es denn im Mittelalter schon Seife gab. Hmmmmm…. Eine gute Frage…

Seife ist ein Utensil das meine Kinder nicht wirklich als toll empfinden, vor allem in Form von Shampoo ist es ihnen ein Gräuel! Aber auch schon früher war bekannt die Sauberkeit und Reinlichkeit vor Krankheiten schützt. Seit wann aber, das hat mich interessiert und da hab ich mal recherchiert. Waren unsere Freunde im Mittelalter auch schon so sauber? So wie heutzutage sicher nicht, in diesen Zeiten sind wir ja oft schon fast zu sauber und reinlich!

Grundsätzlich findet man Belege, das Seifen seit dem 7 Jahrhundert hergestellt werden, sich die Zünfte der Seifenhersteller jedoch erst im 14. Jahrhundert gründeten.

Im Mittelalter allgemein war man der Ansicht das das Reinigen mit Wasser und Seife ein Teufelswerk ist und den Ausbruch der Pest begünstige, so ging man eher sparsam bis gar nicht mit diesem Gut um. Man war der Ansicht das Badewasser vermische sich mit den „Körpersäften“ und so verwendete die Oberschicht eher Puder und Parfum, was natürlich ein Paradies für Krankheitserreger, Läuse und Flöhe darstellte.

Die Verwendung von Seifenkraut kann man bis zu den Kelten zurückverfolgen. Fast überall in Europa kann diese anspruchslose Pflanze wachsen. Vor allem in der Wurzel enthält sie Saponine die in Verbindung mit Wasser eine seifenartige Lösung bildet, die stark schäumend und reinigend wirkt. Das Seifenkraut ist auch eine alte Heilpflanze, die äußerlich angewendet gegen Hautkrankheiten wirkt, innerlich eingenommen jedoch giftig ist.

Die heutzutage wieder sehr „modern“ gewordene Waschnuß wird in Indien schon seit Urzeiten als Reinigungsmittel verwendet. Der Waschnußbaum wird bis zu 15. Meter hoch, blüht im März/April am Fuß des Himalayas und trägt erst nach 9 Jahren seine ersten Früchte. Die Nüsse werden im Herbst geerntet, von den Kernen befreit und an der Luft getrocknet.

GDie ersten Hinweise zur Seifenherstellung stammen aus dem 4.Jahrhundert v.Ch..Die Sumerer stellten ihre Seife aus Pflanzenasche, Ölen und Wasser her. Eines der ältesten bekannten Rezepte stammt von den Sumerern um 2500 v.Ch., und wurde auf einer in Keilschrift verfassten Tontafel überliefert. Das Wort ALKALISCH kommt auch hier her: al-quali = Pflanzenasche. Die damalige Seife wurde wohl aber nicht als Waschseife sondern als Heilmittel bei Verletzungen verwendet. Auch die Ägypter und die Griechen übernahmen dieses Rezept, jedoch zur gleichen Verwendung und zur Säuberung ihrer Wäsche. Zur Körperreinigung wurde weiterhin Bimsstein verwendet.

Erst die Römer entdeckten im 2 Jahrhundert den säubernden Effekt der Seife. Der römische Arzt Galenos von Pergamon (129-199 n.Chr.) beschrieb die Herstellung von Seife aus Fett, Aschenlauge und Kalk. Plinius der Ältere der um 23 n. Christi lebte, berichtet in der „Historia naturalis, dass Gallier und Germanen Seifen als Haarpomade verwendeten. Aber auch dann dauerte es noch einige Zeit bis sich die Seife als Reinigungsmittel durchsetzt. Trotz der hohen Badekultur, hat man doch für Körperbäder eher Kräuter-und Duftessenzen genommen und die Körper später dann mit Öl eingerieben, als die Seife dafür zu verwenden.

Allerdings war die Seife für die Römer ein wichtiger Exportartikel geworden. Man exportierte von daher die Seife nach Frankreich, Spanien und Italien.Dort entstanden dann auch die ersten Seifensieder Städte und von nun an wurde das Seifenrezept noch häufig überarbeitet, aber leider ohne historische Belege. Erst im 12tenJahrhundert wird wieder ein Rezept überliefert und zwar in der Mappae Clavicula aus Italien. Es handelt sich um ein Olivenseifen Rezept.

Anfangs jedoch war das Seifenmachen eine Aufgabe der häuslichen Selbstversorgung. Jeder war für seine eigenen Seifen zuständig. Erst im Hochmittelalter kam es als eigenes Handwerk in die Städte, blieb jedoch zahlenmäßig unbedeutend. Ab dem 14. Jahrhundert bildeten sich die eigenen handwerklichen Zünfte. Die Lehrzeit betrug drei bis sechs Jahre, das Meisterstück bestand in der Ausführung eines kompletten Vorgangs der Seifenproduktion – vom Zubereiten der Lauge bis zum Formen der Seifenmasse. Da Talg als einer der Grundstoffe auch zum Lichtermachen diente, waren Seifensieder meist zugleich Produzenten von Haushaltslichtern (Wachskerzen zum liturgischen Gebrauch wurden von den Kerzenmacher hergestellt).

Zur Seifenherstellung wurde im nördl. Europa Talg von Rindern, Schafen und Ziegen oder das Fett von Pferden und Schweinen, auch Fischtran oder pflanzliche Öle auf 80 - 100° erhitzt und ergab durch Zusatz von Pottasche (Kaliumkarbonat) und Ätzkalk (gebrannter Kalk, Calciumoxid) die Seifensiederlauge. Die Lauge wurde unter Rühren so lange gekocht, bis sie zu dem gallertigen Seifenleim gerann. Dieser schied sich durch Kochsalzzugabe in den oberen, festen "Kern" und die flüssige Unterlauge. Die Unterlauge wurde abgezogen und die Kern-Seife bis zur völligen Erstarrung in Formen gebracht und dann in Stücke geschnitten.

Setzte man anstelle von Soda Holz- oder Pottasche (Kaliumkarbonat) zu, so bildete sich die weiche Schmierseife. – In Frankreich und den Mittelmeerländern stellte man feste Kaliseife aus der Asche von salzhaltige Pflanzen, Olivenöl und Ätzkalk her und versetzte sie mit wohlriechenden Essenzen (Rosenwasser, Majoran- und Lavendelpulver). Im 18ten Jahrhundert begannen die Seifensieder Parfümöle von der Rose und dem Lavendel dazu zumischen, es entstand die Toilettenseife .Auch diese Seife wurde nicht zum Waschen benutzt, weil es im Barock als Frevel galt sich zu Waschen und man puderte sich lieber über.

Außer zu Reinigungszwecken und zur Rasur wurde Seife auch zum Entfetten von Wolle, zum Bleichen und Walken benutzt. Da jedoch bei den Seifenherstellern oft üble Gerüche entstanden wurden diese oft vor die Stadtmauern verbannt. Die Städte Augsburg, Prag, Wien und Köln waren im Mittelalter sehr bedeutende Handelsplätze für Seifen.

Da Badehäuser im Mittelalter sehr beliebt waren, erhielt auch hier die Seife ihren Einzug, welcher jedoch mit dem Aufkommen der Pest sehr schnell zurückgestellt wurde. Wie wir heute wissen, war das gänzlich falsch und man hätte die Pest viel besser eindämmen können, wenn man sich gewaschen hätte.

Also, ich persönlich liebe meine Morgendusche und den herrlichen abwechslungsreichen Duft der heutzutage verschiedenen Duschzusätze. Auch für meine Haare stehe ich oft ewig vor den meterlangen Regalen bis ich mich entschieden habe, welches Shampoo mit passender Spülung und Kur aktuell zu meinen Haaren passen könnte, und welcher Duft mir grade am meisten zusagt.

Wie schon gesagt, meine Kinder finden insbesondere das Haare waschen eher eine Qual, wobei sie sich jedes Mal wie kleine Könige freuen, wenn die Haare am nächsten Tag beim kämmen kaum noch ziepen……

© Strahlestädtle




Handgemachte Seifen auf dem Bauernmarkt in Speyer 2008




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