Seyd gegrüßt
werte Bürgerinnen und Bürger!
Was ihr oben seht, ist ein allerdings erst im 19. Jahrhundert entstandenes Gemälde auf der berühmten
Wartburg, dass den sogenannten Sängerstreit auf selbiger Feste darstellt. Es zeigt diverse Sänger, die sich darin zu übertrumpfen
suchen, den Landesherrn über alle Maßen zu lobpreisen.
Ihr ahnt natürlich, worauf heute und hier angespielt werden soll: den Eurovision Song Contest. Vorgenommen hatten wir uns einen schönen
Vergleich zwischen damals und heute. Genauere Recherchen allerdings ließen den Gedanken platzen wie eine Seifenblase. Denn:
Während der Eurovision Song Contest Jahr für Jahr des einen Gemüt und des anderen Ohren strapaziert, hat der Sängerstreit auf der
Wartburg in Wahrheit niemals stattgefunden, zumindest nicht in Realität. Einzig der historische Hintergrund, die Niederschrift
der Lieder und Rätselspiele sowie die Erwähnung berühmter Minnesänger und Dichter der damaligen Zeit lassen diesen Streit nicht
gänzlich zur Fiktion werden.
Angeregt durch die Blüte der Dichtkunst am Hofe Herrmanns I., Landgraf zu Thüringen, wurden etwa ab 1239 Minnesängern und Dichtern der
damaligen Zeit Dialoge und Strophen angedichtet. Herhalten mußten u.a. Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Heinrich von
Ofterdingen und sogar Romanfiguren z.B. aus Ofterdingens "Parzival". Festgehalten wurden die Dichtungen in mehreren Liederhandschriften,
u.a. dem Codex Manesse. In den folgenden Jahrhunderten wurde am Sängerstreit fleißig weitergedichtet und er fand seine Fortführung bei
den Meistersingern, deren bekanntester Vertreter Hans Sachs aus Nürnberg ist. Auch in der Neuzeit bewegte der Sängerstreit Poeten und
Komponisten: Novalis, E.T.A. Hoffmann und Richard Wagner haben ihn thematisiert.
Wenn man bedenkt, dass die letzte Vereinigung von Meistersingern erst 1872 aufgelöst wurde, so hat der Eurovision Song Contest noch
575 Jahre vor sich. Toi Toi Toi!
Eure
Tagblatt-Redaktion
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