Ausgabe 151 | Seite 4 16. Mai 2010 AD
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Kopfgrafik - © upjers GmbH & Co. KG

 

Drachen Teil 10

Die Braut des Lindwurmkönigs

Die Gefahr, den Weg eines Lindwurms zu kreuzen, ist bekanntlich auf Friedhöfen am größten. Dort laben sich die Kreaturen mit Vorliebe an verwesenden menschlichen Leichnamen.

Nehmt euch also in Acht, wenn ihr demnächst in einer wolkenverhangenen, nebelgetrübten Vollmondnacht über einen Friedhof schlendert. Bohrt euch nicht beim vierten Schrei einer Waldohreule unbewußt im linken Nasenloch und spielt dabei Himmel und Hölle. Denn der vermeintliche Friedhofsgärtner, welchem ihr dann unausweichlich begegnen werdet, könnte sich als Lindwurm entpuppen.

Wohl denjenigen unter euch, die dann die folgende Geschichte aufmerksam gelesen haben, dadurch vorbereitet sind und für eine derartige Situation stets eine geschälte rohe rote Zwiebel mitführen.

Aber genug der Schauermärchen, schließlich ist es heute wahrlich seltener einer Waldohreule in freier Wildbahn zu begegnen, als einem Lindwurm. Wenden wir uns also überlieferten Begebenheiten zu.

Zum Beispiel beruht der Gründungsmythos der österreichischen Stadt Klagenfurt auf der Tötung eines Lindwurms im ausklingenden 12.Jahrhundert. Im 16.Jahrhundert errichtete man aus diesem Grunde den Lindwurmbrunnen. An jener Stelle hatte man Mitte des 14.Jahrhunderts den angeblichen Lindwurmschädel gefunden, welcher sich Jahrhunderte später als Nashornschädel erwies. Aber dies nur am Rande.

Wir blicken heute nach Schweden, einem bevorzugten Land des Lindwurms.

Einst lag dort eine Königin in ihren Gemächern, die Geburt ihrer Zwillinge stand kurz bevor. Endlich sollte sich ihr jahrelanger Kinderwunsch erfüllen. Mit einem leichten Lächeln entsann sich die Königin des Wahrsagers, welchen sie, ein knappes Jahr zuvor, um Hilfe bittend, aufgesucht hatte. Jener versicherte ihr, sie würde in weniger als 12Monaten zwei hübsche Jungen gebären. Vorausgesetzt, sie verspeise zwei rohe Zwiebeln, unmittelbar nachdem sie in den Palast zurückgekehrt war. Die Königin stutzte etwas über diesen ungewöhnlichen Rat. Dennoch eilte sie hocherfreut nach Hause und ignorierte dabei die ihr nachrufende Stimme des Wahrsagers.

Im Palast wurden ihr sogleich zwei frische Zwiebeln gebracht. Die erste verspeiste die Königin, voll der Aufregung, ohne vorher die Schalen zu entfernen. Wie nicht anders zu erwarten, schmeckte sie dieserart widerlich. Bei der zweiten Zwiebel nahm sich die Königin, aller Ungeduld zum Trotze, die Zeit und zog jede Hautschicht ab.

Seither waren neun Monate vergangen und nun würden gleich ihre ersehnten Söhne geboren, ganz wie vom Wahrsager prophezeit. vor dem königlichen Schlafzimmer warteten Höflinge und Bedienstete auf die ersten Schreie der Prinzen. Ein ohrenbetäubender Schrei hallte aus dem Zimmer durch die weiten Flure. Dies war nicht der kräftige Schrei eines gerade auf die Welt gekommenen Kindes, sondern der schreckliche Schrei einer erschrockenen Hebamme. Was da eben das Licht der Welt erblickte war männlich, aber nicht menschlich.

Die Königin hatte einen Lindwurm geboren. Einen abscheulichen, schlangenartigen Drachen, mit flügellosem, schuppigem Körper. Auf kräftigen Beinen, endend in klauenhaften Füßen, trippelte das Geschöpf über den kalten Marmorboden. Von dem Wesen derart angewidert, unfähig des Flüsterns oder Schreiens, beugte sich die Königin hinab, nahm den jungen Lindwurm in ihre Hände und warf ihn durch das geschlossene Fenster hinaus in den dichten, den Palast umgebenden Wald. Geschwächt sank sie zurück in die Kissen und gebar neuerlich. Diesmal einen gesunden Jungen mit rosigem Gesicht, goldenen Haaren und glänzenden Augen.

Jahre vergingen, aus dem Jungen ward ein jugendlicher Prinz geworden und nach einer geeigneten Braut Ausschau haltend. Als er am Rand des königlichen Waldes dahinritt, streckte sich unvermittelt ein riesiger Kopf direkt vor ihm aus einem dornigen Busch. Vor dem Prinzen aufrichtend, bis sein grüngeschuppter Körper einem hochgewachsenen Baume glich, blickte der Lindwurm aus bernsteinfarbenen Augen herab und drang tief in die Gedanken des Prinzen. Jener starrte bewegungsunfähig zurück und lauschte der kalten, zischenden, reptilienartigen Stimme seines Bruders:
"Nie wirst du, mein Bruder, ein Weib finden, ehe nicht ich, ältester Sohn der Königin, die wahre Liebe einer willigen Braut erfahre!"

In den folgenden Wochen führte man dem Lindwurm zahllose junge Frauen aus dem Königreiche vor, hoffend, daß der Brautschau des Prinzen bald kein Untier mehr im Wege stünde. Jedoch trat keine der Frauen freiwillig vor den Lindwurm hin und somit wurde auch keine von ihm akzeptiert. Die Situation erschien aussichtslos. Doch justament begegnete eine junge Dame, welche als nächste an der Reihe gewesen, dem Wahrsager, welchen, ein knappes Jahr zuvor, die Königin konsultiert hatte. Der alte Mann lauschte der Erzählung von dem ihr dräuenden Unheil, daraufhin flüsterte er ihr einige Worte ins Ohr, die ihre Traurigkeit rasch in ein Lächeln verwandelten.

Noch am selben Abend wurde die junge Frau dem Lindwurm vorgestellt, welcher ihr in barschem Tone befahl, sie solle ihre Kleider ausziehen, von welchen sie offensichtlich eine erstaunliche Menge trug. Die Frau stimmte zu, allerdings erst, nachdem sie dem Ungeheuer ein Versprechen abgerungen hatte. So müsse er, für jedes Kleid, welches sie auszog, eine seiner Hautschichten ablegen. Der Lindwurm hielt Wort. Bald besaß er lediglich eine letzte Hautschicht, ebenso wie auch die Frau nur noch ein letztes Kleid trug. Obwohl sie den Worten des Wahrsagers vertraute, legte sie nicht frei von Angst und Nervosität ihr letztes Kleid ab, woraufhin sie gänzlich nackt vor dem großen Untier stand.

Der Lindwurm bewegte sich, sehr zum Erschrecken des Mädchens, auf sie zu. Starr und voll der Angst stand sie da, bereit für das, was da käme. Der Wahrsager hatte ihr, ungeachtet der Situation, viel Freude und Liebe vorhergesagt. So zuckte sie nicht, als das schlangenähnliche Tier gemächlich und beinahe zärtlich ihren Körpern in seine schuppigen Windungen hüllte. Entgegen ihrer Erwartungen und Befürchtungen fühlte sich die Berührung nicht kalt und schleimig an, sondern vielmehr warm und schmeichelnd, sanft gar.

Sie bemerkte, daß sich die letzte Hautschicht des Lindwurms, welche so dünn war, daß sie beinahe durchsichtig schien, zu lösen begann. Langsam faltete sich die Haut, glitt dem Boden entgegen, dort liegend, einem Haufen verwelkter Blätter ähnelnd.

Gleichzeitig kam grünlicher Nebel auf, so dicht und betäubend, daß die junge Frau die Anwesenheit der Kreatur einzig durch deren zärtliche Umarmung wahrnahm. Allmählich lichtete sich der Nebel und offenbarte, daß sie nicht mehr von einem Lindwurm, sondern von einem attraktiven jungen Mann umarmt wurde. Der Wahrsager hatte Recht behalten.

Ohne Verzögerung fand eine riesige Hochzeit statt. Nachdem die alte Königin dem frischvermählten Paar, nun Königin und König, ihren Segen erteilt hatte, spürte sie ein leichtes Klopfen auf ihrer Schulter. Es war der Wahrsager, der jetzt die Worte wiederholte, welche sie ein knappes Jahr zuvor nicht angehört hatte. Sie solle die beiden Zwiebeln erst dann verzehren, wenn sie zur Gänze geschält waren.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann schälen sie noch heute!

© Singularis Porcus


Neulich bei den Rausgeworfenen

Die Feier

Es war keine oeffentlich angekuendigte Feier, eigentlich wollte fräulein rabenhorst das 2 jaehrige Bestehen ihrer Stadt still begehen. Doch ihre wilde und ungezuegelte Gilde machte ihr da, wie so oft, einen dicken Strich durch die Rechnung....

Schon in den fruehen Morgenstunden liess ihr Sekretaer die Fanfaren laut erschallen und eine neuerliche Feier verkuenden. Es dauerte nicht allzulang und die feierwuetigen Stadtoberhaeupter trafen in der Stadt ein. Die Haendler bauten flugs ihre Staende auf – man witterte wiederum ein gutes Geschaeft.
Der Feierbeauftragt der Gilde – Graf Mystica - hatte alle Haende voll zu tun bei der Organisation. So liess er in Windeseile die Buehne errichten sowie die Festzelte aufstellen. Zu Gute kam ihm dabei, dass die Handwerker auf solche spontanen Orgien eingestellt sind und genau wussten, was wo zu tun sei.
Auch die eintreffenden Gaeste, Stadtoberhaeupter aller in der Gilde vereinigten Staedte kamen nicht mit leeren Haenden. Unter anderem gab es Gaensebraten aus dem Gaunerthal, Obst aus der stadt der vergessenen, Askibraeu und guten Wein (Ahrburger Spaetlese), Honig aus dem Dorf der Suffnasen und die Graefin antica steuerte Unmengen an Spanferkeln bei.

Als dann die Herzogin selbst erschien, angetan in festlicher Gewandung, war bereits alles hergerichtet, und die Gaeste hatten ihre Plaetze eingenommen. Mit huldvollem Laecheln eroeffnete sie dann die Feierlichkeiten und begab sich zu dem fuer sie vorgesehenen Platz an der Stirnseite der Festtafel. Zu ihrer Rechten nahm ihr zweiter Sekretaer, Graf Badulicum platz. Zu ihrer linken sass Max I Mum, der sich nach einer Krise in seinem Reich nicht mehr hunnenkoenig nennt....

Nach dem ersten gemeinsamen Festschmaus bestehend aus den Spezialitaeten aus den Teilen ihres Reiches koestlich und abwechslungsreich zusammengestellt wurden auf einen Wink des Organisators Tische, Stuehle und Baenke an die Raender befoerdert und machten einer grossen Tanzflaeche Platz.
Das fraenkische Zimbeltrio “Nalas Nest” aus fürth mit der begnadeten Solistin Baronin Missy aus ellwer eroeffnete den musikalischen Teil und spielte gewohnt mitreissend zum Tanz.
Ein besonderer Hoehepunkt des Tages war der Auftritt der Saengerin Graefin Jedi Jedam mit ihren musikalischen Begleitern Baron Steverling aus Langenhägen auf der Floete und dem Grafen Greifenwalde an der Pauke.

Es wurde ein sehr geselliger Abend. Als spaet in der Nacht eine sichtlich erschoepfte Herzogin das Fest fuer beendet erklaerte gingen alle Teilnehmer und Gaeste zufrieden nach Hause und werden sich noch lange und gern an dieses Event erinnern.... bis zur naechsten Feier.

© der unbekannte Informant


Sprechende Steine

Liebe Leser Ihr werdet in unregelmäßigen Abständen etwas von mir über die Welt der Kathedralen erfahren. Das, was uns selbstverständlich ist, die Fähigkeit des Lesens und Schreibens, war für den Menschen des Mittelalters bis zu Zeit der Reformation das Vorrecht einer kleinen Minderheit. Selbst der Adel und die Könige hatten ihre Schreiber und Vorleser.

Bildern und Symbolen, ob auf Altären oder auf Außenwänden wurde ein besonderes Gewicht beigemessen. Hier konnte man erfahren, um was es denn eigentlich in der Bibel ging. Die Messen wurden in lateinischer Sprache abgehalten. Nur die Gelehrten verstanden diese Sprache – Ärzte, Juristen, Priester, die Minderheit, die eine Lateinschule besuchen konnte.

Der einfache Bürger, Bauer oder gar das Gesinde verstand nur, wann man sich zu bekreuzigen hatte oder auf die Knie gehen musste. Die Liturgie wurde bis zum 2. Vatikanischen Konzil 1953 in Latein gehalten. Minderheiten wie die Pius-Bruderschaft erkennen nur die Lesung der Liturgie an und wollen die Reform rückgängig machen. Für den Latein unkundigen Hörer musste das Weihrauch geschwängerte Zelebrieren der Messen etwas Magisches, Unheimliches und Einschüchterndes innegewohnt haben.

Nur durch die gegenständlichen Kunst kam ein Licht ins Unverständliche. Bibeln gab es nur in Latein für die Priester und in Klöstern. Erst mit der REFORMATION und der GEGENREFORMATION wurden Predigten in der Muttersprache gehalten.

Heute haben fast alle Familien eine Bibel in der eigene Sprache im Schrank. Bei dem einen hat sich eine Staubschicht darauf gesetzt, bei dem anderen sind Stellen bunt markiert und mit Kommentaren versehen. Aber wenn wir eine gotische Kirche betreten, fragen wir uns, was hat diese Ameise oder dieses Schiff in einer Kirche zu suchen.

Ich versuche Licht ins Dunkel zu bringen und beginne mit dem Buchstaben A

Adler

Schon in vorchristlicher Zeit war der Adler das Symbol des Königs der Lüfte. Römer trugen ihn auf ihren Standarten als Zeichen militärischer Macht. In der nordischen Mythologie war er Zeichen des Windes. 1214 war er das Feldzeichen Otto IV. In den Fängen des Greifen war eine sich windende Schlange. Die Schlange, der Drache wird vom Adler besiegt. Der Adler war das Sinnbild für Allwissenheit und Allmacht.

Im Alten Testament, z.B. in Jesaja 40, 31, wird der Adler als Sinnbild für Schnelligkeit, Kraft und Erneuerung beschrieben: „aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler und dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden“

Der Adler gehört zu den vier Evangelistensymbolen: Matthäus – Engel oder Mensch, Markus – Löwe, Lukas – Stier und Johannes – Adler.

Der Adler ist das Symboltier des Evangelisten Johannes. Johannes wurde als der Jünger bezeichnet, den Jesus liebte. So war der Adler das einzige Tier, das direkt in die Sonne sehen durfte und dem Jugend und Lebendigkeit zu gesprochen wurde (Ps. 103, 5). Er ist das Zeichen der Katechumen. Auf Taufbecken ist daher das Symbol des Adlers, der der Sonne entgegenfliegt, häufig zu finden. So ist der Adler auch ein Zeichen der Auferstehung.

Berühmte Adlerdarstellung:

Fußbodenmosaik im Baptisterium S. Maria in Capua,
Fußbodenmosaik in St. Peter in Holz, Friedhofkirche in Teurnia/Kärnten,
Lesepulte im Baptisterium in Pisa und im Koptischen Museum in Kario

© Thalassa von Kerygma


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