Ausgabe 140 | Seite 4 28. Februar 2010 AD
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Die ersten deutschen “Kolonien”



Der Grundstein Teil 1



Anfang 1529 landete der in welserschen Diensten stehende Ambrosius Ehinger in Neu-Augsburg, dem heutigen Coro. Diese auf Pfaehlen erbaute Hafensiedlung erinnerte einen frueheren Besucher an eine Stadt in Italien und so nannte er den Landstrich “Klein-Venedig” oder eben Venezuela.

Ehinger, der als erster Gouverneur von Venezuela eingesetzt worden war, kam nicht allein. In seiner Begleitung waren Bergleute und Siedler – meist aus dem Ulmer Raum sowie eine kleinere Streitmacht zum Schutz der Kolonie.

Karl V Mit diesen gruendete man am 8. September des selben Jahres die Hafensiedlung Neu-Nuernberg (heute Maracaibo – mit 2 Mio Einwohnern eine der groessten Staedte der Karibik). Doch scheint man der Sicherung des Ortes nicht allzu grosse Aufmerksamkeit gewidmet zu haben, denn bereits im gleichen Monat startete man eine Expedition ins Innere des Landes.

Wirtschaftliche Grundlage fuer die Kolonie sollte wie bereits erwaehnt der Handel mit Edelmetallen, und -hoelzern sowie Salz werden. Doch entwickelte sich die Wirtschaft wohl nicht im erhofften Umfang. Nur ein Handelszweig bluehte und warf recht guten Gewinn ab; weshalb man sich mehr und mehr hierauf spezialisierte: der Sklavenhandel. Hatte man doch die Erlaubnis bekommen, einheimische Indios zu versklaven, wenn sie trotz Warnung sich weiterhin feindselig verhielten. Diese Einschraenkung wurde dabei von Seiten der neuen Herren recht grosszuegig ausgelegt. So beschwerte sich ein spanischer Missionar ueber die Machenschaften mit den Worten: “Die Deutschen sind schlimmer als die wildesten Löwen. Aus Habgier handeln diese menschlichen Teufel viel brutaler als alle ihre Vorgänger”.

Auch das Verhaeltnis zu den spanischen Kolonisten scheint recht gespannt gewesen zu sein. Letztere sahen sich von den zuletzt erschienenen Machthabern unterdrückt. Die Beschwerden ueber deren Vorgehen stiegen sprunghaft an. Sie wurden so zahlreich, dass sich 1536 in Coro eine Untersuchungskommission bildete, um die Vorwuerfe zu pruefen. Der Bischof von Coro hatte darum ersucht.

Dieses Ansinnen nahm man bei den welserschen Beauftragten nicht recht ernst. Der eingesetzte Gouverneur zu der Zeit befand sich bereits im Landesinneren, auf der Suche nach dem sagenhaften Goldland “Eldorado”. Sein Stellvertreter war ebenfalls mehr damit beschaeftigt seine eigene Expedition auszuruesten, als sich den Beschuldigungen zu stellen.

Maracaibo See













Die Kolonialisierung als solche war gescheitert. Ausser dem Sklavenhandel gelang es schlichtweg keinen anderen halbwegs rentabelen Wirtschaftszweig zu etablieren. Der Ausbau einer funktionierden Infrastruktur fand nicht statt. Wichtige Versorgungsgueter wurden bis zuletzt importiert. Das und die wachsende Zahl der Beschwerden veranlassten Karl V. im Jahre 1546 – 18 Jahre nach der Unterzeichnung – den “Venezuela-Vertrag” zu kuendigen.

Zwar prozessierte die Familie Welser noch weitere 10 Jahre um ihre Ansprueche durchzusetzen, doch vergebens. 1556 verloren sie alle ihre Landtitel in Klein-Venedig dauerhaft.

Wird fortgesetzt.

© Askanum


Völkerwanderung

Der Weg quer durch Europa durch Raum und Zeit.

Was ist passiert, dass die so organisierte, genau strukturierte und geplante römisch/griechische Zivilisation, die bis heute noch in Sprache, Gesetzgebung, Philosophie, Architektur und Ingenierskunst unser heutiges Denken beeinflusst, von scheinbar barbarischen Horden weggefegt worden ist? Nach Aussagen von Tacitus unterschieden sich die Germanen von Tieren nur durch ihre Arme und Beine, die ihnen etwas menschenähnliches gaben.

Das römische Reich zerstörte sich selbst schon über Jahrhunderte durch innere Konflikte. Egomanie, Intrigen und Morde am Kaiserhof zeigten nur die Richtungs- und Führungslosigkeit. Das Reich zerfiel in Ost-Rom und West-Rom.

Die germanischen Stämme hatten Kontakt mit den römischen Außenposten entlang des Rheins. Römische Händler zogen in den Norden, um Felle, Bernstein und goldenes Frauenhaar zu kaufen. Die Germaninnen schnitten ihre langen Zöpfe ab. Dieses Haar wurde in Rom zu Perücken für die mondäne Damenwelt der römischen Schickeria verarbeitet.

Germanen lernten durch den Tauschhandel die römische Zivilisation kennen, hörten von dem Land, das kein Eis und Schnee kannte und tranken von dem berauschenden Getränk, dass aus Beeren gemacht wurde.

Erwuchsen so Begehrlichkeiten bei den Völkern östlich des Rheins? Aber war das Grund genug, seine angestammte Heimat zu verlassen und fortzugehen? Es waren nicht nur ein paar junge, mutige Männer, die auf Abenteuersuche waren. Nach römischen Beschreibungen war es ein Treck von Hunderttausenden mit Frauen und Kindern, mit Ochsenkarren, die das wenige Hab und Gut transportierten.

Lange Zeit meinte man, der Einbruch der Hunnen nach Ostmitteleuropa 375/376, die damit eine Fluchtbewegung anderer Völker in diesem Raum auslöste, sei der Auslöser gewesen. Doch das war nur eine begrenzte Erklärung.

Der Exodus begann im Norden, in Südschweden und Jütland mit dem Volk der Kimbern. Bei neueren, forensischen und anthropologischen Untersuchungen der Moorleichen ergab sich, dass für viele, die eines natürlichen Todes gestorben sind, Hunger die Hauptursache ihres Todes war. Hunger trieb die Menschen scharenweise aus dem Land. Der Mageninhalts eines 14jährigen Mädchens, der bekannten Moorleiche des Mädchens von Windebü, aus der Zeit vor 2000 Jahren, wurde in Dänemark untersucht. Englische Wissenschaftler, die dieses Müsli“ aus Nüssen und Samenkörner rekonstruierten, meinten, es sei ungenießbar.

Das Wort „kimbern“ bedeutet bei den Galliern „rauben“. Bauern ohne Land, die als Nomaden herumziehen mussten, sahen für sich keine andere Chance, als sich das von anderen zu holen, was sie zum Überleben brachten, freiwillig oder gewaltsam. Die Kimbern waren, um einen Begriff der heutigen Zeit zu benutzen, Wirtschaftsflüchtlinge. Sind hier nicht Parallelen zum Heute, nur dass die Flüchtlinge nicht vom kalten Norden kommen, in dem alles erfriert, sondern aus dem Süden, in dem das Wasser zur Mangelware wird? Was damals eine Flucht von Nord nach Süd war, ist heute eine Flucht aus den Dürregebieten des Südens Richtung Norden über das Mittelmeer mit seeuntauglichen Booten.

Es muss ein organisierter Aufbruch gewesen sein; man war auf der Suche nach neuem Siedlungsgebiet. Ganze Dörfer waren unterwegs. Zuerst verschlug es die Kimbern nach Südosten. In Bulgarien und Rumänien fanden sich Spuren von ihnen. Dort traf man auf das Volk der Daker. Der Gundis-Bund-Kessel, einer der größten Kunstschätze Dänemarks, ist ein Zeichen, dass nicht alle Begegnungen mit anderen Völkern gewalttätig waren. Lange Zeit glaubten die Archäologen, dass der Kessel in Norden geschafft worden sei, da viele Darstellungen wie die Krieger und ihre gewaltigen Blashörner und Schilde darauf schließen ließen. Doch nur dakische Silberschmiede hatten diese Kunstfertigkeit. Auf dem Gefäß sind Delfine und Geparden und eine dakische Göttin zu sehen, dass anzunehmen ist, dass der Kessel als Geschenk nach Jütland kam und hier in einem Moor gefunden wurde.

Die Völkerwanderungszeit fällt in die Spätantike und bildet damit ein Bindeglied zwischen der klassischen Antike und dem Beginn des europäischen Frühmittelalters, da man sie beiden Epochen zurechnen kann. Die Völkerwanderung stellt allerdings keinen einheitlichen und in sich abgeschlossenen Vorgang dar.

© Thalassa von Kerygma


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