Seyd gegrüßt
werte Bürgerinnen und Bürger!
Seit Urzeiten schon ist der Oktober ein gruseliger Monat. Ein paar warme
Tage erfreuen das Herz und lassen die
Natur noch einmal in den schönsten Farben aufleuchten. Der nahende Winter aber schickt schon seine
Vorboten.
Stürmische Winde aus Nord und Ost
reißen die bunte Pracht herab, sie bringen Kälte und erste Fröste mit. Morgens wabern dichte Nebel in den
Niederungen, filtern und brechen das
schwache Sonnenlicht, in dem Flora und Fauna wie aus einer fremden Welt erscheinen.
In der gemütlichen Stube am prasselnden Ofen oder Kamin versuchen wir dem Herbst zu entrinnen. Doch er
zieht alle Register, unsere Aufmerksamkeit
zu erlangen: er schnauft im Kamin, klopft mit dürren Ästen an die Fenster und rüttelt an den Läden. Sein
Atem gefriert an den Fenstern und in
raschelndem Laub schleicht er hörbar und heulend ums Haus.
Mit der Zeit aber wußte der Mensch, diesem Treiben Einhalt zu gebieten: Fernwärme, schallisolierte
Thermopenscheiben und Laubsauger ließen den
Herbst gut dreiviertel seines Geräuschentfaltungspotentials nicht mehr nutzen können. Doch die Natur hat
immer eine Antwort parat.
So traten erstmals vor wenigen Jahren unerklärliche Phänomene auf. Zuerst nur lokal begrenzt auf
Einzelgehöfte und dörfliche Siedlungen, breiteten
sie sich Jahr für Jahr weiter aus. Inzwischen haben sie den ländlichen Siedlungsraum fest im Griff und
sind inzwischen auch in Großstädten und
Ballungszentren vermehrt anzutreffen.
Tagsüber geschickt getarnt als freundliche, maiskolbengelbe oder sonnenuntergangrote Farbtupfer im trüben
Grau des Herbstes, erfreuen sie unser
Herz und lassen uns Wärme und Lebensfreude empfinden. In der Dämmerung allerdings, wenn auch alle Katzen
grau sind, entziehen sie sich unseres
Blickes und beginnen ihre rätselhafte Wanderschaft zu, und auch in die Behausungen von uns Menschen.
Nahezu unsichtbar erobern sie Fenster, Türen,
Treppenaufgänge oder Hofeinfahrten, seltener Küchen oder Wohnzimmer. Aber immer häufiger treten sie in
Rudeln auf, nicht mehr nur allein.
Und sobald die Dunkelheit vollständig hereingebrochen ist, zeigen die unschuldig wirkenden Geschöpfe ihr
wahres Gesicht. Ein seltsames, von innen
kommendes Licht, läßt uns in hämische, gruslige, angsteinflößende Fratzen blicken, unmenschliche Züge
voll des Hohns. Das Grauen schlechthin.
Da lungern sie vor Türen herum und halten Schwiegermutter vom Besuch ab, in Großstädten beherrschen sie
ganze Straßenzüge und legen zwischen
Mitternacht und Morgengrauen den Verkehr lahm.
Zum Glück sind die Wesen nicht sehr aggressiv. Bisher sind nur wenige Fälle bekannt, in denen ein Mensch
im Vorbeigehen von jenen gebissen wurde.
Impfungen sind laut WHO auch nicht erforderlich. Allerdings müssen wir uns fragen - wenn wir Menschen
auch irgendwann dieses Phänomen
entschlüsseln und Gegenmaßmahmen entwickeln - was erfindet die Natur als nächstes?
Wir dürfen gespannt sein.
Eure
Tagblatt-Redaktion
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