Seyd gegrüßt
werte Bürgerinnen und Bürger!
Es ist Sonntag, zehn Uhr morgens. Ich bin frisch geduscht und habe sehr gut gefrühstückt. Nun sitze ich in meinem
gemütlichen Hotelzimmer in Bamberg und tippe diese Zeilen in meinen Laptop. Wenn ich fertig bin, werde ich den Artikel auf die erste Seite der heutigen
Tagblatt-Ausgabe hochladen, meine Sachen zusammenpacken, auschecken, mein Auto besteigen und die Strecke von gut 600 Kilometern nach Hause antreten.
Zwei Stunden später, während ich gen Norden rolle, wird Harald von Dublin das Tagblatt online schalten, und ich habe nur noch etwa 4 Stunden Fahrt vor mir.
Hinter mir habe ich eine freitagliche, sechsstündige Fahrt von Kiel nach Bamberg, einen Abendbummel durch die Altstadt, eine Stadtbesichtigung unter
fachkundiger Leitung sowie ein grandioses Usertreffen in uriger Umgebung. Und wenn ich daheim ins Bett falle, denke ich bei mir: Was für ein
erlebnisreiches Wochenende.
Heutzutage fast normal. Doch wie hätte das im Mittelalter ausgesehen?
Die ungefederte Kutsche, vollgestopft mit Reisenden, hätte nur maximal 50 Kilometer am Tag geschafft - pannenfrei wohlgemerkt. Auf holprigen Wegen
brachen schnell mal Räder, Achsen oder Deichseln. Zollbeamte an den zahlreichen Landesgrenzen sowie andere Wegelagerer und Räuber waren
allgegenwärtig. Unterwegs wurde in verlausten Kaschemmen genächtigt und immer in der Furcht, ausgeraubt zu werden. Zwei bis drei Wochen hätte
die Reise gedauert. Hatte man das alles überstanden und tatsächlich noch ein Zimmer in der Stadt bekommen (Online-Buchungen waren damals noch
Zukunftsmusik), mußte man es sich oft teilen - mit fremden Reisenden oder anderem Ungeziefer.
Die Stadt selbst hätte wohl kaum zur Besichtigung eingeladen - zu Hause war es auch so schmuddelig.
Das Hotelzimmer für sich allein zu haben, wäre ebenso ein Traum - man schlief in Gemeinschaftsräumen. Und wenn man noch lausfrei war - jetzt nicht
mehr. Die Dusche war noch nicht erfunden und das Frühstück bestand aus Gerstenbrei mit leichtem Bier. Die Rückfahrt glich der Hinfahrt.
Ein Brief, geschrieben in der Ferne, kam mit Glück gleichzeitig an, vielleicht auch viel später oder nie. Alles in allem war man nicht nur drei
Wochen unterwegs, sondern auch um viele Erfahrungen reicher bezüglich Essen,
Ungeziefer, Wegelagererei und Reisekomfort, sofern man überlebte.
Ich bin froh, heute zu leben ...
Hinrik für Eure
Tagblatt-Redaktion
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