Historien aus Wulferisbuttle
4. Der Raubritter
Die wuchtige Gestalt des Hauptmannes der Stadtwache hat sich im Ratssaal vor dem Bürgermeister aufgebaut. Sein Helm, den er unter dem Arm trägt und seine silbern glänzende Rüstung reflektieren die einfallende Morgensonne und geben ihm eine würdevolle Aura. Ruhig senkt er sein bärtiges Haupt und nickt dem Bürgermeister zu. "Herr, es ist vollbracht! Die Burg des Raubritters von Schwarzenfels ist genommen! Er und seine Schergen sind in Ketten geschlagen und erwarten das Urteil unseres Herzogs!"
Die versammelten Ratsherren tuscheln aufgeregt miteinander. "Endlich!" "Gut, dass diese Geissel von uns genommen wurde!" "Wir danken unserem Herrn!" Mit einer Handbewegung bringt der Bürgermeister den Rat wieder zur Ruhe. "Schweiget vorerst! Ein großer Erfolg führwahr! Aber lasset diesen braven Mann garselbst berichten! Nehmt erst einmal Platz! Ihr müsst noch erschöpft sein von der Anstrengung!" Der Offizier lässt sich auf dem angebotenen reichverzierten Stuhl vor der Ratsversammlung nieder.
"Führwahr, ein gar großer Sieg! Ist doch der Graff von Schwarzenfels zu einer wahren Plage geworden, dass sogar unser hochwohlgeborener Herzog eingreifen musste. Hat unser Landesherr doch einen Trupp seiner besten Ritter, die Schwarzen Löwen und dazu noch seine besten Armbrustschützen zu unserer Unterstützung geschickt! Aber auch eine Vielzahl solcher tapferer Männer hätten nicht die starken Mauern der Trutzburg brechen können. Zu furchtbar wären die Verluste." Er bekommt von einem Ratsdiener einen Krug mit schäumendem frischem Bier gereicht, den er in einem Zug leert.
"Aber wir konnten zu einer Kriegslist greifen: Wir haben ihn herausgelockt. So wie der zappelnde Köder den hungrigen Hecht anzieht, habe ich mich mit einigen unserer Stadtsoldaten als Kaufleute verkleidet und eine kleine Karawane mit einigen Wagen vor seiner Nase entlang fahren lassen. Gewieft ist der alte Fuchs, so daß er bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr auf seiner Burg verweilt, aber auch gierig nach dem Golde. Dachte er wohl, es handelt sich um einige Pfeffersäcke, die angstzitternd ihm all die guten Waren und das schöne Geld überlassen, taucht er nur mit viel Geschrey und Getöse mit seinen Mordbuben vor ihnen auf!" Ein weiteres Bier wird in einem Zug geleert. "Die Armbrustschützen hatten wir gut verdeckt in die Wagen gesteckt und auf mein Zeichen wurden die Planen abgeworfen.
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Die erste Salve der surrenden Bolzen schlug in seine anstürmende Reiterschar und streckte einen Teil seiner Schergen und einige Rosse. Den Raubritter streifte nur ein Bolzen und er gab unverzüglich den Befehl zum Rückzug. Wir hatten mittlerweile die Verkleidungen abgeworfen und haben mit viel Gelärm mit blanken Klingen dem Raubtrupp hinterhergejagt. Da kamen auch schon die Schwarzen Löwen aus der Seitenschlucht und haben sich auf die Schar derer von Schwarzenfels gestürzt. Erst wurde zu Pferde gekämpft, wobei zwei seiner Söhne erschlagen wurden, anschließend gelang es, den Raubritter vom Pferde zu werfen. Der Hauptmann der Schwarzen Löwen persönlich hat dann mit dem von Schwarzenfels gekämpft. Klirrend kreuzten sie ihre Klingen, bis eine klaffende Beinwunde den Raubritter niederwarf. Danach war es ein leichtes, ihn in Eisen zu schlagen. Seine Schergen, die dann noch gelebt haben, haben sofort die Waffen gestreckt und um Gnade gefleht." "Ein fast vollkommener Sieg, nur zwei der Schwarzen Löwen mussten ihr Leben lassen."
"Es ging dann mit dem gefesselten Graffen zur Burg. Nachdem die verbleibenden Knechte gesehen haben, dass ihr Herr in Eisen liegt, haben sie das Tor geöffnet. Seiner Frau mit ihren Kindern und den Bediensteten wurde freier Abzug ins Süddeutsche gewährt. Es wurden ihnen sogar noch die sterblichen Überreste der erschlagenen Söhne übergeben. Der Löwen-Hauptmann hat dann anschließend die Burg besetzt und einen Teil der Beute unter den Soldaten verteilen lassen. Auch für unsere tapferen Stadtsoldaten ist manch glänzender Thaler abgefallen. Hat der Raubritter doch reichlich Beute bei den Überfällen auf die Transporte aus den Gold- und Silberminen in Goslar gemacht. Der Rest der Beute wurde zum Herzog geschafft. Dieser wird dann das weitere richten. Die Burg wird er vermutlich durch die Bauern der Umgebung schleifen lassen, damit sich nicht der nächste Habicht in das gemachte Nest setzt!"
Der Bürgermeister muss lachen. "Gewiss, dass wird ein Fest für die Bauern! Werden sie zwar murren und jammern über die Frondienste, dann aber all die guten Steine wegschaffen um flugs damit ihre Schweineställe auszubauen. Aber sagt, dass ist führwahr eine tolle Geschichte! Und welch eine guthe Nachricht! Euch und den tapferen Soldaten der Stadtwache gebühret unser aller Dank. Sind doch die Handelswege wieder ein Stück sicherer geworden! Sollen unsere wackeren Soldaten ihr erkämpftes Gold für andere Zwecke verwenden: Am heutigen Tage ist aller Speis und Trank in unserer Stadtschenke frei für unsere Streiter! Der Rath wird die Rechnung tragen und sich nachher zu den Feierlichkeiten ebenso dortens einfinden! Dann könnt ihr uns noch mit weiteren Einzelheiten erfreuen!"
© Max Hohenstein, Chronist von Wulferisbuttle
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